Ja, mit dem Gedanken hab ich durchaus auch schon gespielt. Aber da waren immer die zwei großen Punkte, die mich davon abgehalten haben. Zum einen natürlich, das Auswandern nun nicht unbedingt gerade günstig ist, zum anderen meine natürliche (oder vielleicht auch meine unnatürliche) Feigheit. Ich hab ja schon in meiner mehr oder weniger vertrauten Umgebung regelmäßig Angstzustände. Was mache ich dann aber in einem Land, wo ich mich wahrscheinlich nicht mal verständigen kann. In Fremdsprachen bin ich schon immer eine ziemliche Niete gewesen.
Gerade jetzt im Frühling hab ich wieder Wochenlang ne Phase gehabt, wo ich mich nur unter aller größter Anstrengung überhaupt geschafft habe, diese Wohnung zu verlassen. Und wenn dann auch nur möglichst spät Abends, wo kaum noch einer auf der Straße ist. Mir ist zwar durchaus irgendwo bewusst, dass das irrationales Verhalten ist, aber das Wissen alleine reichte nicht aus. Selbst die Androhungen der Behörde, mich zu kürzen war nicht genug. Das einzige was passiert ist, das mir regelrecht übel wurde, wenn ich nur an Post dachte. Ergo hab ich sie nicht einmal mehr aus dem Postkasten geholt.
Ich bin nun kein Arzt, aber aus meiner Sicht würde ich das unter schwerer Depression oder so ähnlich einordnen. Erst als das Wetter langsam wieder besser wurde und meine Kleine mit ihren Prüfungen durch war, hab ich ganz langsam wieder angefangen mich nach draußen zu begeben und mich um diesen Papierkram zu kümmern. Zu dem Zeitpunkt (also jetzt auch noch) war ich aber schon um 60% gekürzt. Sprich: bis Ende August darf ich Lebensmittelgutscheine beantragen.
Das hat dann auch unmittelbar dazu geführt, das (über einen Tipp einer Nachbarin) ich nun zwei Mal die Woche bei der Tafel (in dem Fall ist das die
Ahrensburger Tafel) aufschlage. Zunächst nur als reiner Abholer, aber das hat mich hippelig gemacht, nur da zu stehen und zu warten, bis ich dran bin. Ob es dafür einen medizinischen Begriff gibt, weiß ich nicht, aber ich kann Leuten nicht beim Arbeiten zu sehen. Das Bedürfnis zu helfen, es aber nicht zu dürfen, sorgt dafür das ich ziemlich gereizt werde. Dazu kommen dann auch noch die vielen Leute und die diversen unterschiedlichen Unterhaltungen, die ich nicht ausblenden kann. Alles in Allem eine extrem stressige Situation für mich, obwohl es dort eigentlich recht ruhig und gesittet zu geht.
Ich bin den Leuten da dann auch die ersten drei Wochen ganz furchtbar auf die Nerven gegangen, bis mich da der Vortänzer mal zur Seite nahm. Ich glaube, er hatte ursprünglich vor mir ein Platzverbot aufzubrummen, aber nachdem wir eine halbe Stunde miteinander gesprochen haben, sagte er mir dann: "Nächsten Dienstag kommst du um 11 Uhr vorbei und wir schauen mal, was wir tun können."
Tja, jetzt arbeite ich zwei Mal die Woche Ehrenamtlich für sechs bis acht Stunden bei der Tafel für einen symbolischen Euro pro Schicht und natürlich die Lebensmittel, aber die würde ich ja sonst auch so erhalten.
Ich denke durchaus, dass das die Beste Lösung insgesamt war. Ich hab ne Möglichkeit meine Energie Zielgerichtet einzusetzen, erfahre dazu meist noch unmittelbar Dankbarkeit und kann aber auch sehen, das ich einfach konstruktiv helfen kann. Und auch wenn die dort stehende, wartende Menge an Menschen mir durchaus mittelschweres Unbehagen bereitet, so ist klein Schpaik durchaus ein soziales Wesen. Wenn mir die Leute da zu viel werden, kann ich mich einfach um eine andere Arbeit kümmern, die ein Stück entfernt von dieser Menge ist. Am Anfang gab es zwar ein paar misstrauische Blicke, wo ich auf einmal hin verschwunden bin, aber nachdem ich das erklärt habe, wird darauf Rücksicht genommen. (Und wohl auch, nachdem deutlich wurde, das ich nicht einfach ein Päuschen einlege)
So wie es ist, ist es zwar nicht schlecht, aber mir ist durchaus bewusst, dass dies kein Dauerzustand sein kann. Bringt mich ja so gar nicht vorwärts. Aber ich denke, ich muss jetzt erst einmal schauen, das es in meinem Kopf wieder besser wird und die Sperre dauert ja noch bis Ende August. Über den Sommer hab ich also erst einmal zu tun.