Wer nicht wählen geht, nimmt sich selbst jede Chance, begründet zu meckern - wenn ihm der Wahlausgang nicht gefällt.
Diese Position habe ich auch lange Zeit vertreten, aber in dem Moment wo man die angebotene Politik insgesamt für unzureichend befindet, entfällt der logische Grund wählen zu gehen.
Zu sagen:
"Es hat ja doch keinen Sinn; was kann ich mit meiner einen Stimme schon ändern!" ist sicher nicht richtig.
Tja, Ironie der Geschichte. Je niedriger die Wahlbeteiligung desto mehr Sinn macht es (vom Stimmengewicht her gesehen) wählen zu gehen. Wenn man allerdings den Standpunkt einnimmt, daß alle angebotenen Bewerber "suboptimal" sind, ist auch dieses hohe Stimmengewicht witzlos.
Die Geschichte lehrt uns das doch.
Am Anfang gab es meist nur Einen, der sich gegen etwas gestemmt hat;
und erst das Zusammenwirken vieler brachte oft eine Neuerung.
Richtig. Wenn man allerdings niemanden in den Reihen der Bewerber sieht, den man eine Neuerung zutraut, macht es keinen Sinn zu wählen. Im Gegenteil - je mehr Nichtwähler desto weniger Legitimation hat das Angebot (in der Theorie, in der Praxis ist es denen herzlich egal). Im Prinzip wäre das Nichtwählen daher eher geeignet etwas zu verändern, als das Wählen, da man Nichtwähler erst mal mit "Protest" gleichsetzen muss.
Wer etwas ändern will, muß provozieren, wachrütteln, unangenehm werden -
erst dann wird man ihn bemerken;
erst dann wird man über seine eigene Situation nachdenken;
erst dann wird man überlegen, ob man seinen erreichten Lebensstandard in Frage stellen will, um zu kämpfen.
Spätestens ab dem "erreichten Lebensstandard" muss man hier schon vom Aufruf zum bewaffneten Umsturz ausgehen. Alles andere wäre ja innerhalb des Systems in dem man ja (theoretisch) seinen Lebensstandard trotz politischer Teilhabe behalten kann. Fragt sich bloß wie sich das mit den anstehenden Wahlen deckt.
Vielleicht mit der AK47 ins Wahllokal?
Das ist unbequem - und bringt Unruhe ins eigene Leben,
Es ist einfacher, über 'die da oben' zu schimpfen - und bringt mehr Spaß.
Aber ändern wird's nichts.
Wenn man Wählen gehen (das mit der bewaffneten Stimmabgabe klammer ich jetzt mal aus) als eine Tätigkeit ohne Auswirkungen ansieht und das Nichtwählen ebenso - wo ist dann da der Unterschied?
Zumal das mit dem Spaß auch so eine Unterstellung ist. Natürlich macht politische Lästerei Spaß, aber ich wage mal die Behauptung das die meisten hier lieber über Georg Schramms Kommentare zu Luxusproblemen wie der Rechtschreibreform lachen und lästern würden, als über Massenarbeitslosigkeit, ein sich ständig verschlechterndes Gesundheitssystem und wachsende Armut. Hier die Aussagen der Nichtwähler nur als "Spaß an der Lästerei" abzutun ist ehrlich gesagt schon etwas arrogant.
Und das sage ich als jemand der bis auf eine Ausnahme, jedesmal ins Wahllokal getappt ist.