Das du kein vollwertiger Bürger bist, nur weil du nicht wählst behauptet ja niemand.
Das ist aber der Tenor der hier mittlerweile unterschwellig rüberkommt.
Du sollst dich nur nachher nicht beschweren. Wie willst du denn etwas ändern, wenn du nicht wählen gehst? Planst du einen Putsch? Gründest du eine Partei die deinen Vorstellungen entspricht?
Was ich machen werde? Ich werde wählen gehen. Mich kotzt bloß dieses selbstgerechte Blabla an. Sorry für meine harte Wortwahl, aber im Gegensatz zu vielen hier, die sich erheben, habe ich meinen Teil in Sachen politischen Dienst schon abgeleistet. Und die meisten die hier plärren "Geh doch selbst in eine Partei und versuch was zu verändern oder gründe gleich deinen eigenen Verein!" würden nach spätestens der dritten Sitzung als überzeugter Nichtwähler wieder rauskommen. Die Praxis sieht halt meist doch etwas anders aus, als im Sozialkundeunterricht.
Ich kenne dich zwar nicht, aber die meisten Leute mit einer Nicht-Wählen-gehen-Einstellung sitzen nur zuhause rum und meckern, das keine Partei die richtige ist, dass die politische Gesamtsituation in Deutschland scheiße ist und dass der Normal-Bürger nichts ändern kann.
Laut Analysen, zB Forsa, hat sich die Mehrheit der Nichtwähler bewusst zum Verzicht entschieden. Sie protestieren damit auf ihre Weise gegen die herrschenden Verhältnisse. Kann man gut oder schlecht finden, aber es ist ihre legitime Entscheidung diesen Weg zu wählen. Sich darüber zu erheben finde ich persönlich ziemlich abgeschmackt.
Ich denke schon, dass man das vielen NPD Wählern vorwerfen kann. Einem Erwachsenen sollte man doch so viel Verstand zutrauen, das er weiß, was dahinter steckt.
Ich mag Leute mit einer optimistischen Grundhaltung.
Nehmen wir mal das Klischee-Beispiel: Ein "Zonen-Dorf in der Provinz".
Von '33 bis '89 war immer jemand da der ihnen gesagt hat was sie zu tun haben und, sofern Ressourcen vorhanden waren, sie auch versorgt hat. Dann bricht das auf einmal weg. Plötzlich selbstständiges Denken darf man da nicht erwarten. Zumal das ganze "Freundschaft zwischen den Völkern"-Gesülze der SED schon in der DDR hohl klang. Und dann kriegten die Ossis plötzlich noch gesagt das alles was ihre ehemalige Führung gesagt hat, abgrundtief falsch war. Der SED dürfte man von einem auf den anderen Tag nicht mal mehr glauben, daß der Himmel blau ist.
Dazu kommt das von '33 bis '89 auf dem Dorf Ausländer eine ziemliche Seltenheit waren und bis heute sind. Die Braunen hatten da mit ihren "national befreiten Zonen" nicht wirklich viel Arbeit. Sprich: Es gab und gibt kaum Kontakt zu Ausländern. Und der Durchschnittsmensch schaut sich im TV ja auch meistens nicht gerade die Völkerverständigungs-Berichterstattung auf 3Sat, Phönix oder Arte an, sondern eher die Privaten, wo man lieber auf sensationelle Darstellungen setzt.
Da war und ist nie die Möglichkeit gewesen Ausländer mal als Menschen direkt kennen zu lernen. Bestenfalls wurde dann mal nach der Wende Urlaub auf Malle oder am Teutonen-Grill in Italien gemacht, aber das hat mit Auslandserfahrung ja nicht wirklich viel zu tun.
Und sein wir mal ehrlich - Intelligenz und Verstand von einem Volk zu erwarten in dem die BILD das zentrale Presseorgan ist, halte ich persönlich für ZU optimistisch.
Traurig ist es, dass der Staat nichts dagegen tut - und wenn doch, dann viel zu spät. Zum Glück gibt es Gewerkschaften, und andere Organisationen (
www.nazis-haben-kleine-pimmel.de,
Kein Bock auf Nazis,...) sowie Promis die diese Organisationen unterstützen. Ich finde es wirklich toll, das Bands wie Silbermond, Wir sind Helden, Die Toten Hosen und Die Ärzte sich für solche Organisationen einsetzen und beispielsweise ein Gegenstück zur bekannten Nazi-Schulhof-CD veröffentlichen.
Würde mich mal persönlich interessieren, wie viele von denen regelmäßig in die von den Nazis besetzten Gegenden fahren und dort offensiv für ihre Sache eintreten. Ist durchaus ein Unterschied ob man sich in Großstädten wie Dresden medienwirksam auf den Marktplatz stellt oder ob man's sich zumutet auf's Dorf zu eiern und dort an der Quelle des Unheils versucht etwas zu bewegen, dann aber bestens mal einen Artikel im Lokalblatt als PR abgreift.
Supernature schrieb:
Wobei es mir schwer fällt zu glauben, dass so etwas möglich ist. Jede grundsätzliche Position ist von mindestens einer Partei besetzt, da muss man doch was finden. Natürlich findet man auch in jedem Programm Punkte, mit denen man nicht einverstanden ist, da muss man dann eben gewichten, was wichtiger ist.
Dabei kommt dann das raus, was man in der Politik abschätzig "das kleinere Übel" nennt. Den perfekten Partner gibt es ja auch nicht, aber niemand käme auf die Idee zu sagen, er hätte das kleinere Übel geheiratet .
Och, da kenn ich einige die das, nach zwei-drei Bier, offen eingestehen würden.
Und das Motto "Ich versuch halt das kleinere Übel zu wählen" ist mir persönlich schon recht oft untergekommen. Wie weit diese Einstellung tatsächlich verbreitet ist, kann ich nicht sagen, aber wenn dann Leute anfangen zu sagen: "Ich würd' statt des kleineren Übels gerne auch mal wieder was halbwegs annehmbares wählen." hab ich da persönlich schon Verständnis für. Unsere Politiker stellen sich immer wieder gerne als die allmächtigen Heilsbringer da. Mut zur Lücke wie bei den Piraten findet man selten. Das dann Menschen, mit einem vielleicht etwas schlichteren Gemüt, auch erwarten das die Parteien tatsächlich so allmächtig sind, darf man sich wundern, wenn diese Leute sich abwenden, sobald es sich zeigt, daß die Parteien es eben nicht sind.