Genesis
Dreißig Jahre ist eine lange Zeit! Und es fallen einem nur wenige Vergleiche zu anderen Bands ein, die diese Hürde bereits genommen haben und noch dazu über all die Jahre so erfolgreich geblieben sind wie Genesis.
Entstanden aus der Fusion der beiden Schülerbands Anon und The Garden Wall der konservativ-christlichen Charterhouse School in Godalming, versuchte man sich 1967 - zunächst noch ohne Namen - an Songs der Stones, Yardbirds oder auch Otis Redding, bevor die Musiker ihr Talent für Songwriting entdeckten. Jonathan King, Ex-Charterhouse-Schüler und seinerzeit erfolgreicher Künstler und Produzent nahm sich der jungen Formation an und produzierte mit ihnen einige Singles und die Debut-Platte From Genesis To Revelation, die noch sehr unter seinem Einfluß entstand. Von vielen als religiöses Werk mißverstanden, verschwand die Platte nach Veröffentlichung im März 1969 schnell in den Plattenläden unter der Rubrik "Religiöse Werke" und floppte.
Nach diesem Fehlschlag trennten sich die Wege von King und Genesis, und die Band machte sich erst einmal daran, an den noch offensichtlichen Defiziten bezüglich ihrer Professionalität zu arbeiten: Proben, Komponieren, Demoproduktionen und immer häufiger statt-findende Auftritte bestimmten die anderthalbjährige Phase bis zu ihrer nächsten Veröffentlichung Trespass. Dem Streß einer anstehenden Karriere nicht mehr gewachsen, trennte sich Gitarrist und Songwriter Anthony Phillips von der Band, und auch der nicht sehr innovative Drummer Mayhew mußte seinen Hut nehmen. Ex-Flaming Youth-Schlagzeuger Phil Collins stieß als neuer Mann hinzu, und man promotete das Album live zunächst als Quartett, und später wieder zu fünft mit dem Gitarristen Mick Barnard, der aber mit dem mittlerweile gestiegenen Niveau nicht mithalten konnte. Mit Ex-Quiet-World-Gitarrist Steve Hackett fand die Band nach langem Suchen die passende Ergänzung des Kollektivs und konnte sich nun dem nächsten Album widmen.
Nursery Cryme, im Herbst 1971 veröffentlicht, weist trotz neuer Bandmitglieder große Ähnlichkeiten mit dem Vorgängeralbum auf, und wurde von Charisma nur halbherzig promotet. Um so überraschender kam die Nachricht des Erfolgs des Albums aus dem italienischen und belgischen Ausland, was erste Auftritte außerhalb von England einbrachte. Mit gestärktem Selbstvertrauen fing die nun eingespielte Truppe schon während der Tour mit dem Schreiben von neuen Songs an. Und Peter Gabriels immer extremere Experimente mit Frisuren, Schminke, Masken und Kostümen verhalfen der Band auch mittlerweile zu größerer Beachtung durch die Presse.
Das 1972er Album Foxtrot - für viele ein Meilenstein - brachte etliche spätere Klassiker, wie beispielsweise Supper's Ready, hervor und war eine gute Basis für den Versuch, nun auch in Amerika Fuß zu fassen, was nach ersten Konzerten in den USA auch wunderbar funktionierte. Als Überbrückung bis zur nächsten Studioalbum-Veröffentlichung brachte man mit Live Anfang 1973 einen Livemitschnitt heraus, der Material seit Trespass berücksichtigte und somit auf die bisherigen, unbekannteren Alben aufmerksam machen sollte. Das wiederum verschaffte der Band Zeit, sich intensiv mit neuen Songs zu beschäftigen.
Endlich auch in der Heimat als feste Größe im Musikbuisness anerkannt, warf 1973 das neue Album Selling England By The Pound mit I Know What I Like sogar einen echten Single-Hit ab, und enthielt erneut einige wichtige Klassiker, wie zum Beispiel Firth Of Fifth. Es folgten ausgedehnte Tourneen in Europa, den USA und Kananda.
Die Arbeiten für das kommende Projekt gestalteten sich nicht einfach, da Frontmann Gabriel nach über fünf Jahren Genesis seine Fühler nach neuen Projekten ausstreckte, und er außerdem der erste war, der eine Familie gründete. Dennoch schaffte die Band es, ihren bisherigen Erfolgen noch eins draufzusetzen. Das Konzept-Doppelalbum The Lamb Lies Down On Broadway erblickte 1974 das Licht der Welt. Die 90 Minuten Musik erlaubten den Musikern viele Experimente, und das nicht nur zu den Aufnahmen, sondern auch bei der Umsetzung des Materials auf der Bühne. Bis auf die Zugaben wurden nur die neuen Songs gespielt, umrahmt von einer bis dato noch nie gesehenen Multimedia-Show. Die 1975er Tournee markierte außerdem den Aus-stieg von Peter Gabriel, der sich mittlerweile in der Erfolgsmaschinerie der Band nicht mehr wohl fühlte.
Die anschließende erste Soloveröffentlichung eines weiteren Bandmitglieds, Hacketts LP Voyage Of The Acolyte, ließ für viele nur noch den Schluß zu, daß Genesis am Ende sind. Doch obwohl es so schien, dass die restlichen vier keinen geeigneten Ersatz für Peter Gabriel finden konnten, bewies der enorme Erfolg des 1976er A Trick Of The Tail-Albums, für das nun erstmalig (und notgedrungen) Phil Collins den zusätzlichen Part als Sänger übernahm, daß die Band die Krise und den damit verbundenen Druck, bestens bewältigt hatte. Die Leichtigkeit, die das Album mit Klassikern wie Los Endos ausstrahlte, bescherten Genesis viele neue Fans. Für eine anschließende Tour engagierte man den Schlagzeuger Bill Bruford, der bereits mit den Formationen Yes und King Crimson zu Ruhm gekommen war, um Phil Collins die Rolle des neuen Frontmanns zu ermöglichen.
Ende des gleichen Jahres kam bereits das nächste Album, Wind & Wuthering, welches sich qualitativ auf hohem Niveau bewegte, aber musikalisch nicht viel Neues bot. Es zeichnete sich der Trend ab, weniger Material als gemeinsame Gruppe zu "erjammen", sondern vielmehr Beiträge Einzelner zu verwenden. Die bis dato größte Welt-tournee für Genesis 1977 bedeutet auch gleichzeitig das Ende eines weiteren Kapitels in der Genesisgeschichte. Die Veröffentlichung eines Doppel-Livealbums in 1977 mit überwiegend Aufnahmen dieser Tour - übrigens nun mit Ex-Weather-Report-/Ex-Zappa-Drummer Chester Thompson - besiegeln den Ausstieg des Gitarristen Steve Hackett, der durch die Arbeit an seiner ersten Soloplatte auf den Geschmack gekommen und nun nicht mehr bereit war, sich auf Kompromisse mit den anderen Bandmitgliedern einzulassen. Der Albumtitel: Second's Out!
Das verbliebene, krisenerprobte Trio Banks/Collins/Rutherford ließ sich davon nicht unterkriegen und begann die Arbeit zum nächsten Studioalbum mit dem bezeichnenden Titel ...And Then There Were Three.... Bassist Rutherford, der bislang nur in wenigen Parts auch Rhythmusgitarre spielte, übernahm jetzt auch noch die Rolle des Lead-Gitarristen. Die Songs der LP waren nun fast ausschließlich Kompositionen der einzelnen Musiker, und was noch bemerkenswerter ist: sie fielen um einiges kürzer und kompakter aus, als alles, was Genesis bisher veröffentlichten, mit Ausnahme des Debut-Albums. Diese Veränderung in Richtung Massentauglichkeit, bescherte der Band einen weltweiten Hit im Jahre 1978: Follow You Follow Me. Man hatte also auch den Weggang von Hackett gut verkraftet. Die darauffolgende Tournee mit dem Live-Gitarristen Daryl Stuermer (Ex-Jean-Luc-Ponty-Band) führte die Truppe sogar in asiatische Länder. Die Shows wurden immer größer und die Tourneen immer ausgedehnter, was für Phil Collins zu massiven privaten Problemen führte. Er mußte sich entweder für Genesis oder seiner Familie entscheiden. Dieser Umstand veranlaßte die Band nach zehn Jahren Streß eine Auszeit zu nehmen.
Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit wurde 1980 auf dem Album Duke festgehalten. Die neu gesammelten Erfahrungen der einzelnen Bandmitglieder beeinflußten den Sound der Gruppe maßgeblich. Die Songs klangen frischer und waren einfacher strukturiert, als die Beiträge des Vorgängeralbums. Außerdem öffnete man sich wieder mehr dem gemeinsamen Komponieren. Trotz erneuter Single-Erfolge schaltete man in puncto Konzerte zwei Gänge zurück: Shows gab es diesesmal nur in Nordamerika und in einigen kleineren Theatern in Großbritannien.
Die nicht zuletzt durch Collins' Soloerfolg zur Megagruppe gewachsenen Genesis gingen wieder in bewährter Livebesetzung auf Tour und entschlossen sich, das mittlerweile stark veränderte Songrepertoire der Shows als dritte Live-Veröffentlichung auf den Markt zu bringen. Three Sides Live erschien 1982 als Doppel-LP und enthielt (außer in Großbritannien) zusätzlich einige Überbleibsel vergangener Studioaufnahmen. Erneute Konzerte dienten zur Promotion des Albums, und an Rutherfords Geburtstag am 2. Oktober 1982 fand die bis zum heutigen Tag einzige Live-Reunion der klassischen Besetzung mit Gabriel und Hackett statt. Den Rest des Jahres '82 verbrachten die drei mit neuen Soloarbeiten.
Erst 1986 fand man die Muse für eine erneute Zusammenarbeit. Das Ergebnis war das sehr poplastige Invisible Touch-Album, das dann auch dementsprechend viele Hitsingles in die Charts katapultierte. Eine Riesen-Tournee von Ende 1986 bis in den Sommer 1987 beglückte die Fans in allen Teilen der Erde. Nach diesen Strapazen des Dauererfolgs mit und in dieser Band, ließ das Kollektiv Banks/ Collins/Rutherford sehr viel Zeit vergehen, ehe sie das nächste Album in Angriff nahmen. Das schürte natürlich viele Gerüchte bezüglich der Auflösung der Band. Aber auch wenn die Arbeit an eigenen Projekten der drei immer mehr Raum einnahm, behielten sie Genesis im Auge.
Nach vier Jahren war es dann wieder soweit. 1991 war die Band und die Welt reif für ein neues Genesis-Werk. Die Musiker fanden auch wieder mehr Gefallen an etwas ausgefeilteren Arrangements, was viele vom letzten Album enttäuschte Fans zu Genesis zurückbrachte. Wie schon automatisch stürmte das Album We Can't Dance und die dazugehörigen Singleauskopplungen die Hitparaden. Es schien, als konnten Genesis machen was sie wollten. Für die 1992 anstehende Welttournee reichten nur größte Hallen und Stadien aus, um der Nachfrage gerecht zu werden. Die sich inzwischen zahlreich ange-sammelten Welthits wurden rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft auf der Live-Compilation The Way We Walk - The Shorts auf den Markt gebracht, gefolgt Anfang 1993 von einer Zusammenstellung der langen Stücke der modernen Genesis, dem Gegenstück The Way We Walk - The Longs. Jeder wußte, daß man nach dieser unbeschreiblichen Erfolgsphase der Band in den kommenden Jahren erst einmal auf Genesis werde verzichten müssen.
Und dann irgendwann platzte die Bombe: "Collins verläßt Genesis!" Für viele keine Überraschung, denn es war einfach keine Zeit mehr übrig, zwischen all den überaus erfolgreichen Soloaktivitäten des Genesis-Frontmanns. Doch wer in diesem Schritt den Todesstoß für das Genesis-Projekt sah, machte die Rechnung ohne die Herren Banks und Rutherford, die trotz Solowegen nach wie vor die Lust am gemeinsamen Musizieren verspürten. Und sie wußten, daß eine Krise immer die Chance eines Neu-anfangs mit sich bringt.
Ein neuer Sänger mußte gefunden werden. Und in dem noch jungen und recht unbekannten Ex-Stiltskin Frontmann Ray Wilson hatten sie die für sich perfekte Wahl getroffen. Er konnte das neue, wieder etwas düstere Material, das schon fast komplett von Banks und Rutherford komponiert war, optimal verkörpern - frischer Wind im Hause Genesis. Natürlich rechnete keiner bei dem 1997er Album Calling All Stations mit einem Erfolg, wie bei den Vorgängeralben mit einem Superstar wie Phil Collins, dennoch war die Band etwas überrascht über das schlechte Abschneiden der Platte in den Staaten, woraufhin man sämtliche dort geplanten Konzerte absagte. In Europa hingegen wurde das neue Genesis-Line-up von einem Großteil der Fans akzeptiert. Die Tour durch mittelgroße Hallen mit geringerem technischem Aufwand als bisher, war dem aktuellen Status der Band angemessen. Im Gepäck hatte man jetzt auch neue Mitstreiter, die die Rollen eines Chester Thompsons und Daryl Stuermers übernehmen sollten. Nir Z. - ein noch ziemlich unbeschriebenes Blatt - an den Drums, die er gemeinsam mit Nick D'Virgilio schon bereits für das Album bediente, und der auch noch relativ unbe-kannte Anthony Drennan an Bass und Gitarre.
Diskographie:
1969 - From Genesis To Revelation
1970 - Trespass
1971 - Nursery Cryme
1972 - Foxtrott
1973 - Live
1973 - Selling England By The Pound
1974 - The Lamb Lies Down On Broadway
1976 - A Trick Of The Tail
1976 - Wind And Wuthering
1977 - Second Out
1978 - And Then There Were Three
1980 - Duke
1981 - Abacab
1982 - Three Sides Live
1983 - Genesis
1986 - Invisible Touch
1991 - I Can't Dance
1992 - The Way We Walk Vol. 1 - The Shorts
1993 - The Way We Walk Vol. 2 - The Longs
1997 - Calling All Stations
1998 - Genesis Archives 1967 - 75
1999 - Turn It On Again - The Hits
2000 - Genesis Archives Vol. 2
Autor: Steffen Gerlach
http://www.genesis-fanclub.de/04kuenstler/genesis/biografie/bio.html