Diskussion Digital Afterlife

chmul

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Ich bin immer wieder beeindruckt von der Kreativität der Menschen. Vor allem wenn es darum geht Geld zu verdienen. Man mag zweifelnd ergänzen "oder es ihnen aus der Tasche zu ziehen", aber das ändert nichts daran, dass man erstmal auf sowas kommen muss.

Internetaffine Menschen, werden es eventuell schon gelesen haben, für mich war die Meldung auf tagesschau.de neu. Es geht um das Geschäft mit Daten von Verstorbenen. Auch hier ist - wie könnte es momentan anders sein - KI ein wesentlicher Faktor. Es gibt Firmen, die mittels ebendieser KI aus Daten eines Verstorbenen einen Avatar erschaffen, der den Verstorbenen sozusagen wiederbelebt.

Wenn ich als Opa dem Lebensende direkt ins Auge blicke, könnte mir vielleicht das Herz brechen, weil mein Enkel mich vermutlich sehr vermissen wird. Dann würde ich mich an ein solches Unternehmen wenden, würde mich filmen und befragen lassen und erhielte danach einen Avatar, den mein Enkel am Computer aufrufen könnte. Damit stünde ich dem Kind weiterhin als Vorleser oder Bespaßer zur Verfügung. Oder als Ratgeber.

Der Möglichkeiten sind da viele. Im Beitrag wird eine Mutter genannt, die keine Möglichkeit hatte sich von ihrem sterbenden Kind zu verabschieden und dies nun mit Hilfe des Avatars nachholen kann. Dann stirbt das virtuelle Kind und die Mutter findet einen Abschluss.

Was vielen als gute Idee einleuchtet, erzeugt bei anderen Angst vor Missbrauch und bei manchen Menschen Ideen, die diese Ängste wahrwerden lassen. Was wenn Omas Avatar feindlich übernommen wird und mir plötzlich sagt, sie hätte ihr Vermögen gerne ihrer unehelichen Tochter geschenkt, die sie gerade erst wiedergefunden hatte, nachdem sie sie in jungen Jahren zur Adoption freigegeben hat? Oder wenn Papas Avatar plötzlich aus dem Jenseits verkündet, dass er im Himmel sei und dort alle Engel in Credit Suisse Aktion investiert haben?

Es dürfte ebenso viele chändliche wie gute Ideen geben, diese Möglichkeiten zu nutzen. Gleichzeitig sieht man sich zwangsläufig einem Berg von Regeln und Gesetzen gegenüber, die unbestritten notwendig sind, um Missbrauch, Betrug und Hass zu verhindern oder zumindest zu erschweren. Wem gehört der Avatar, wer darf ihn "töten"? Wer kann zur Rechenschaft gezogen werden, wenn der Avatar plötzlich dazu aufruft das ganze ausländische Ungeziefer zu zerquetschen oder zumindest aus dem Land zu werfen?

 
Gleichzeitig sieht man sich zwangsläufig einem Berg von Regeln und Gesetzen gegenüber, die unbestritten notwendig sind, um Missbrauch, Betrug und Hass zu verhindern oder zumindest zu erschweren.​
Und selbst dann werden von Verbrechern noch genügend Schlupflöcher gefunden werden, um all diese kommenden neuen Gesetze zu umgehen.
Mir bereitet diese Entwicklung ziemliches Unbehagen.
 
Das muss wohl der Grund sein, warum ich meine Großeltern in unregelmäßigen aber nicht all zu seltenen Gelegenheiten auf dem Friedhof besuche. Manchmal gehe ich zuerst zum Opa, manchmal zuerst zur Oma aber ich gehe immer bei beiden vorbei. Dann frag ich so wie es so geht, erzähle eine kleine Geschichte von Früher, sag dem einen dass ich noch beim anderen vorbei schaue und verabschiede mich dann, bis zum nächsten Mal.
Die Gefahr ist recht gering, das ich da auf oben genannte Probleme stoße. :)
Und wenn ich die Beiden mal sehen möchte, habe ich im Flur eine kleine Bilderwand, da sind unter Anderen Beide drauf.

Ich konnte mich auch von meinem besten Freund nicht verabschieden. Der hin schneller an der Decke, als ich Tschüss sagen konnte. Aber ich denke häufig an Ihn und an alte Zeiten.
Allein der Gedanke, das der mich aus meinem Computer heraus vollquatscht ist widerlich. Es heißt ja nicht umsonst Ruhe in Frieden. Das bedeutet nicht, dass irgendetwas auf meinem Monitor herumhampelt.

Wahrscheinlich ist das wieder so ein Trend, den man einfach aushalten, aber nicht mitmachen muss. Und ich bin ziemlich oft dabei, wenn es um neue Technologien geht. Aber ich muss ja nicht jedes Mal mitmachen. Die Gefahr von Missbrauch besteht bei jeder Technologie, vor allem wenn diese neu ist. Aber dem seit 3 Jahren verstorbenen Opa die Story von den steigenden Aktienkursen abzukaufen muss man letztendlich auch wollen. Das hat ein bisschen was von X-Factor. Jonathan Frakes lässt grüßen. ;)
 
Nein, so etwas will ich nicht, weder als Hinterbliebener noch als Verblichener.
Rein juristisch könnte das gar nicht so eindeutig sein, denn Persönlichkeitsrechte enden mit dem Tod. Wenn jemand einen KI-Klon von einer verstorbenen Person erstellt, gibt es möglicherweise niemanden, der dagegen klagen kann.
Andererseits, wenn jemand aufrichtig glaubt, dass man auf diese Weise einem Verstorbenen angemessener gedenken kann, dann will ich das demjenigen auch nicht verbieten.
 
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