Für mächtigen Wirbel in der Internet-Welt sorgte vor einigen Tagen die Nachricht über die Novelle des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages, kurz JMStV, die zum Januar 2011 in Kraft treten soll. Angeblich muss jede deutsche Webseite ab Januar mit einer Alterskennzeichnung versehen werden Laute Unmutsäußerungen waren die Folge, unter Webseitenbetreibern brach teilweise Panik aus. Einige Webseiten kündigten an, ihren Betrieb einzustellen.
Was ist wirklich dran an den Meldungen – ist es wirklich so dramatisch, wie es geschrieben steht? Darüber sprach ich mit Rechtsanwalt Dr. Bahr aus Hamburg.
Frage: Dr. Bahr, zum Beginn des Jahres 2011 soll jede deutsche Webseite
eine Alterskennzeichnung tragen. Wie soll das technisch funktionieren?
Dr. Bahr: Es ist nicht mehr als ein Gerücht, dass jede deutsche Webseite
eine Alterskennzeichnung tragen muss. Das ist einfach grundlegend falsch.
Der neue JMStV verlangt dies gerade NICHT.
Es muss NICHT jede Webseite eine Alterskennzeichnung tragen.
Zutreffend ist vielmehr, dass der JMStV ausschließlich für solche Seiten gilt,
die "entwicklungsbeeinträchtigende Angebote" für Kinder und Jugendliche
haben. Das sind klassischerweise Seiten mit gewalttätigen oder
pornographischen Inhalten.
Das "herkömmliche" Blog oder das "normale" Internet-Forum fallen somit
nicht unter diesen Begriff. Für sie gilt der JMStV nicht und somit auch keine
Kennzeichnungspflicht.
Es ist also nichts weiter als juristischer Nonsens, dass ab Januar jede
Webseite eine Alterskennzeichnung benötigt oder gar einen
Jugendschutzbeauftragten.
Frage: Sind denn "entwicklungsbeeinträchtigende Angebote" tatsächlich
nur Themen mit Gewalt oder Pornographie?
Dr. Bahr: Nein, beides sind nur Beispiele. Selbstverständlich können auch
andere Themen entwicklungsbeeinträchtigend sein. Wenn z.B. in einem
Artikel Alkohol oder Bulimie verherrlicht wird, kann dies genauso gut die
gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen.
Der Gesetzgeber hat sich hier bewusst für einen offenen Tatbestand
entschieden. Die gesetzliche Formulierung lautet in § 5 Abs.1 JMStV:
Frage: An welchen Kriterien mache ich überhaupt fest, ob meine Seite ab
6, 12, 16 oder 18 Jahren zugänglich sein soll?
Dr. Bahr: Leider lässt das Gesetz hier den betroffenen Webseiten-Betreiber
vollkommen allein. Klare, verständliche und wirklich nachvollziehbare
Kriterien gibt es nicht.
Ebenso fehlt es an jedem praktikablem Vorschlag, wo und wie denn nun die
Alterskennzeichnung auf der Webseite platziert werden soll.
Die gesetzlichen Neuerungen sind - um es mit klaren und deutlichen Worten
zu sagen - nicht nur inhaltlich, sondern auch juristisch dilletantisch.
Eine absolute Grausamkeit und Unverschämtheit von Seiten des Gesetzgebers.
Frage: Muss ich als Betreiber eines Forums oder Blogs künftig aktiv nach
möglicherweise jugendgefährdenden Inhalten in Beiträgen und
Kommentaren suchen?
Dr. Bahr:Ein klares Nein. Daher ist auch die Reaktion von VZlog.de nicht nachvollziehbar.
(Anm: Die Seite hat ihre Schließung angekündigt)
Es gibt zwar eine Extra-Norm im neuen JMStV für Inhalte mit
"user generated content". Diese Verpflichtung trifft aber auch nur wiederum
Betreiber mit "entwicklungsbeeinträchtigenden Angeboten".
Frage: Was empfehlen Sie also?
Dr. Bahr: Ruhe bewahren und nicht diesen neuen Jura-Hoax glauben.
Für "normale" Webseiten-Betreiber ändert sich durch den JMStV rein gar nichts.
Dr. Martin Bahr arbeitet als Rechtsanwalt in Hamburg und ist unter anderem
auf das Recht der neuen Medien spezialisiert.
Weitere Infos zur Person erhalten Sie hier:
Rechtsanwalt Dr. Martin Bahr - Kanzlei Dr. Bahr
Was ist wirklich dran an den Meldungen – ist es wirklich so dramatisch, wie es geschrieben steht? Darüber sprach ich mit Rechtsanwalt Dr. Bahr aus Hamburg.
Frage: Dr. Bahr, zum Beginn des Jahres 2011 soll jede deutsche Webseite
eine Alterskennzeichnung tragen. Wie soll das technisch funktionieren?
Dr. Bahr: Es ist nicht mehr als ein Gerücht, dass jede deutsche Webseite
eine Alterskennzeichnung tragen muss. Das ist einfach grundlegend falsch.
Der neue JMStV verlangt dies gerade NICHT.
Es muss NICHT jede Webseite eine Alterskennzeichnung tragen.
Zutreffend ist vielmehr, dass der JMStV ausschließlich für solche Seiten gilt,
die "entwicklungsbeeinträchtigende Angebote" für Kinder und Jugendliche
haben. Das sind klassischerweise Seiten mit gewalttätigen oder
pornographischen Inhalten.
Das "herkömmliche" Blog oder das "normale" Internet-Forum fallen somit
nicht unter diesen Begriff. Für sie gilt der JMStV nicht und somit auch keine
Kennzeichnungspflicht.
Es ist also nichts weiter als juristischer Nonsens, dass ab Januar jede
Webseite eine Alterskennzeichnung benötigt oder gar einen
Jugendschutzbeauftragten.
Frage: Sind denn "entwicklungsbeeinträchtigende Angebote" tatsächlich
nur Themen mit Gewalt oder Pornographie?
Dr. Bahr: Nein, beides sind nur Beispiele. Selbstverständlich können auch
andere Themen entwicklungsbeeinträchtigend sein. Wenn z.B. in einem
Artikel Alkohol oder Bulimie verherrlicht wird, kann dies genauso gut die
gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen.
Der Gesetzgeber hat sich hier bewusst für einen offenen Tatbestand
entschieden. Die gesetzliche Formulierung lautet in § 5 Abs.1 JMStV:
"Angebote, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder
Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer
eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit
zu beeinträchtigen"
Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer
eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit
zu beeinträchtigen"
Frage: An welchen Kriterien mache ich überhaupt fest, ob meine Seite ab
6, 12, 16 oder 18 Jahren zugänglich sein soll?
Dr. Bahr: Leider lässt das Gesetz hier den betroffenen Webseiten-Betreiber
vollkommen allein. Klare, verständliche und wirklich nachvollziehbare
Kriterien gibt es nicht.
Ebenso fehlt es an jedem praktikablem Vorschlag, wo und wie denn nun die
Alterskennzeichnung auf der Webseite platziert werden soll.
Die gesetzlichen Neuerungen sind - um es mit klaren und deutlichen Worten
zu sagen - nicht nur inhaltlich, sondern auch juristisch dilletantisch.
Eine absolute Grausamkeit und Unverschämtheit von Seiten des Gesetzgebers.
Frage: Muss ich als Betreiber eines Forums oder Blogs künftig aktiv nach
möglicherweise jugendgefährdenden Inhalten in Beiträgen und
Kommentaren suchen?
Dr. Bahr:Ein klares Nein. Daher ist auch die Reaktion von VZlog.de nicht nachvollziehbar.
(Anm: Die Seite hat ihre Schließung angekündigt)
Es gibt zwar eine Extra-Norm im neuen JMStV für Inhalte mit
"user generated content". Diese Verpflichtung trifft aber auch nur wiederum
Betreiber mit "entwicklungsbeeinträchtigenden Angeboten".
Frage: Was empfehlen Sie also?
Dr. Bahr: Ruhe bewahren und nicht diesen neuen Jura-Hoax glauben.
Für "normale" Webseiten-Betreiber ändert sich durch den JMStV rein gar nichts.
Dr. Martin Bahr arbeitet als Rechtsanwalt in Hamburg und ist unter anderem
auf das Recht der neuen Medien spezialisiert.
Weitere Infos zur Person erhalten Sie hier:
Rechtsanwalt Dr. Martin Bahr - Kanzlei Dr. Bahr
Zuletzt bearbeitet: