Wie sich meine Einstellung zum Thema Computertechnik an einem Tag für immer veränderte

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Wie sich meine Einstellung zum Thema Computertechnik an einem Tag für immer veränderte

ENIAC Computer im Nixdorf Museum Paderborn


Der deutsche Computer-Pionier Heinz Nixdorf wurde am 9. April 1925 geboren. Ein Besuch im Nixdorf Museum Paderborn hat mich vor gut zehn Jahren massiv beeindruckt und meinen Blick auf die Computertechnik nachhaltig verändert. Anlässlich des 100. Geburtstags von Heinz Nixdorf hole ich diesen Beitrag aus dem Archiv – weil er auch zehn Jahre später nichts an Aktualität eingebüßt hat.

Hier der Original-Beitrag vom August 2015:

Mein neues Smartphone nervt mich, es wird immer so unangenehm warm, wenn der Achtkern-Prozessor so richtig aufdreht. Auch die neue Grafikkarte stellt mich nicht zufrieden, ich kann den allerneusten 3D-Shooter in 4k nur mit 59 fps spielen, bei genauem Hinsehen kann man ein leichtes Ruckeln erkennen. Und dann noch der Ärger mit dem neuen Windows 10, das Upgrade klappte erst im dritten Versuch. Ach, mit dieser ganzen Technik hat man doch nichts als Schwierigkeiten!

Habt Ihr auch schon mal so oder so ähnlich gejammert? Ja, ich sage gejammert, weil es so lächerlich ist, wenn wir auf die Leute schauen, die wirklich gelernt haben, was Computerprobleme sind. Die würden unsere heutigen „Sorgen“ auf ein Brett nageln und es uns so lange auf den Kopf hauen, bis wir wieder ganz bei Trost sind.

Der Tag, der alles veränderte​


Der Tag, seit dem ich so denke, war der 6. Juni 2015, denn an diesem Tag besuchte ich zusammen mit meinen Kollegen vom DrWindows-Team das Nixdorf Computermuseum in Paderborn (von dem ich bis ein paar Tage zuvor nicht mal wusste, dass es überhaupt existiert, obwohl es das weltweit größte seiner Art ist). Hier lernte bzw. erlebte ich, was die erste Generation von Ingenieuren geleistet hat, damit wir das, was ich oben überspitzt beschrieben habe, als „Problem“ empfinden dürfen.

Jeder, der sich auch nur ein wenig mit Computern und deren Geschichte befasst hat, weiß, dass die ersten Computer groß wie Häuser waren und eigentlich nichts konnten. Das weiß man und sagt es so daher, ohne es wirklich auf sich wirken zu lassen. An diesem Tag im Museum aber hatten wir genau diese Chance, und wir hatten einen tollen Führer erwischt, der uns die Anfänge der Computerei sehr lebendig schildern konnte.

ENIAC – das waren noch echte Pioniere​


Sehr ausführlich beschäftigten wir uns mit dem ENIAC, einem amerikanischen Großrechner aus dem Jahre 1942. Der (oder die, das wird unterschiedlich beschrieben) ENIAC hatte eine überbaute Fläche von 170 Quadratmetern, wog 27 Tonnen und konnte weniger als der heutige 99 Cent Taschenrechner vom Grabbeltisch.

Es war unter anderem ein System aus über 17.000 Röhren, und wenn nur eine einzige davon ausfiel, lief die ganze Maschine nicht mehr. Das wäre vielleicht noch zu verschmerzen gewesen, aber oft lief der Rechner nur ein paar Sekunden bis zum Ausfall einer solchen Röhre, und einer kaputten Röhre sah man nicht an, dass sie kaputt ist. Darum lief das oft so, dass man drei Sekunden rechnete und dann mit einem Dutzend Technikern drei Tage nach dem defekten Teil suchte, bevor sich genau das gleiche Spiel wiederholte.

Modell des ENIAC Computers im Nixdorf-Museum in Paderborn

Ich stellte mir vor, ich wäre in diese Zeit hinein geboren worden und hätte mich dazu entschlossen, Computer-Pionier zu werden. Ich hätte dieses ENIAC-Dingens nach einer Woche kurz und klein getreten und hätte gesagt „vergiss es, das funktioniert doch nie!“
Diese Leute gab es damals auch, und hätte man sich von ihnen entmutigen lassen, dann würden wir vielleicht immer noch mit dem Abakus rechnen. Aber es gab eben auch die geduldigen, unentwegten Forscher, die sich wahrscheinlich in ihren kühnsten Träumen nicht vorstellen konnten, was im Jahr 2015 möglich sein wird. Sie glaubten jedoch daran, dass Computer unseren Alltag revolutionieren werden, und sie sollten Recht behalten. Die Hochachtung, die ich vor diesen Menschen habe, ist beinahe nicht mehr in Worte zu fassen.

Von 50 Quadratmetern auf 6 Quadratmillimeter​


In den 90ern bauten Studenten, die die gleiche Hochachtung empfanden, die ENIAC nach – auf einem Chip mit einer Fläche von einem Quadratzentimeter. Und das ist jetzt auch schon wieder über zwanzig Jahre her…

Nachbau des ENIAC Computers auf einem kleinen Chip

Es gibt viele weitere Exponate im Nixdorf Museum, die einem dabei helfen, den unfassbaren Fortschritt zu erkennen und zu begreifen. Wobei – das „Begreifen“ endete bei mir an dem Punkt, wo mir bewusst wurde, dass dieser Fortschritt nach wie vor im Gang ist und jeden Tag an Geschwindigkeit zulegt.

Die Faszination darüber ist uns angesichts dieser rasanten Entwicklung leider zu großen Teilen verloren gegangen. Wir lesen Berichte über die HoloLens, dass das Sichtfeld noch ein wenig klein ist, und denken „naja, vielleicht doch nichts so Besonderes…“ What the f*ck! Wo ist unser Respekt vor dem immer noch vorhandenen Pioniergeist geblieben, der uns immer wieder neue bahnbrechende Technologien beschert? Wir sollten nicht argwöhnisch prüfen, was da alles noch nicht funktioniert, sondern viel öfter sagen „Wow! Bedenke, was daraus werden kann!“ Und das bezieht sich jetzt natürlich nicht nur auf HoloLens, das war nur das erste Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit, welches mir dazu einfiel.

Wenn es euch schwer fällt, so zu denken, dann kann ich euch nur dringend dazu raten, mal in Paderborn vorbeizuschauen. Ich verspreche euch, ihr werdet die Technikwelt mit anderen Augen sehen. Und zwar nicht nur für einen Tag.

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