Text Wie man mit der neuen Grippe richtig umgeht

AlterKnacker

Household Manager
Teammitglied
Wie man die Schweinegrippe richtig nutzt

In letzter Zeit bin ich durch zu viel Arbeit wenig in die Berge gekommen
und grübelte schon lange, wie ich das ändern könnte. Da schickte mir
der Himmel die Rettung: Am Wochenende begannen die Medien in
theatralischer Form über den "Schweinegrippe"-Schwachsinn zu berichten,
und ich beschloss, das sofort zu meinen Gunsten zu nutzen.

Montag, 27. 10., 8h30: Ich komme ins Büro, mein erster Weg führt mich zum
Kaffeeautomaten, wo sich bereits die zwei größten Tratschen der Firma
über die aktuelle Weltlage unterhalten. Ich grüße freundlich, und
erzähle von der gestrigen Rückkehr meines Neffen aus Mexiko (ich habe
zwar keinen Neffen, aber das macht ja nichts) und seinen wunderbaren
Urlaubsfotos. Nach überschwänglicher Beschreibung diverser Bauwerke von
Mexiko City und abschließendem Austausch diverser Artigkeiten verlasse
ich das Kaffeekämmerchen wieder.

Montag, 27. 10., 9h05: Ich kann mithören, wie ein entfernter Sitznachbar,
nach einem Besuch des Kaffeekammerls, in der Apotheke 2kg Tamiflu
bestellt.

Montag 27. 10., 11h30: Alle Kollegen im Grossraumbüro dürften sich
mittlerweile mit Tamiflu eingedeckt haben. Einer, der keines mehr
bekam, da ausverkauft, stand kurz vor der Selbstentleibung und war mir
dankbar für den Tipp, dass Traubenzucker ähnliche Schutzwirkung
aufweise. Kurz darauf sah ich ihn mit einer Einkaufstasche voll
Dextro-Energen erleichtert ins Büro zurück kehren.

Montag 27. 10., 12h30: Ich fragte, ob mich jemand zum Mittagessen
begleiten wolle, aber niemand hatte Zeit. Deswegen ging ich allein.

Montag 27. 10., 14h30: Ich wurde wegen einer dienstlichen Beiläufigkeit
zum Chef gerufen, die nach 5 Minuten erledigt war. Danach fragte er
mich eine halbe Stunde nach den Bildern von Mexiko City aus, und ich
versprach, morgen welche mit zu bringen. Als ich wegen seiner Zigarette
ein paar mal husten musste, fragte er mich besorgt nach meiner
Befindlichkeit und der meines Neffen, und ich dankte ihm artig dafür.

Montag 27. 10., 16h: Ich verlasse das Büro, nachdem ich beiläufig erwähnt
habe, dass ich Kopfschmerzen hätte und mich nicht besonders gut fühle.
Morgen werde ich zum Grossangriff übergehen.

Dienstag 28. 10., 7h30: Ich bin als erster im Büro, und habe eine Zwiebel
und etwas geriebenen schwarzen Pfeffer mit. Ich schneide die Zwiebel
auf, und reibe mir mit der Schnittfläche das Gesicht unterhalb der Augen
ein.

Dienstag 28. 10., 8h: Meine ersten Opfer - äähh, Kollegen - betreten das
Büro. Ich habe etwas Pfeffer auf meine Weste geschüttelt und erwarte sie
im Kaffeekammerl. Ich begrüsse sie, nachdem ich vorher auf meine
gepfefferte Brust geschlagen habe, als ob sie mir eng geworden wäre, mit
einem Niesanfall und tränenden Augen. Nachdem sie den morgendlichen
Handschlag verweigert haben, erzähle ich ihnen, dass mein Neffe gestern
abend leichtes Fieber bekommen hätte.

Dienstag 28. 10., 11h: Wie ich aus verlässlicher Quelle erfahre, haben
alle 3 Apotheken in der näheren Büro-Umgebung kein Tamiflu mehr.

Dienstag 28. 10., 11h30h: Ich höre ein Streitgespräch des
Dextro-Energen-Kollegen mit einem anderen, der ihm den Vogel zeigt.

Dienstag 28. 10., 12h30: Da mich wieder niemand zum Mittagessen begleiten
möchte, gehe ich zum Mexikaner und bestelle mir dort einen extra
scharfen karibischen Wurzeltopf.

Dienstag 28. 10., 13h30: Ich schmiere mir mit der übriggebliebenen
Zwiebelhälfte vom Morgen wieder das Gesicht auf dem WC ein, und betrete
als Folge des Wurzeltopfes röchelnd und mit hochrotem Gesicht das Büro.
Aufgrund frischen Pfeffers in meiner Weste muss ich auch ein paarmal
niesen. Wankend erreiche ich meinen Schreibtisch, gleichzeitig mit dem
Büro-Ersthelfer, der eine Atemschutzmaske vor seinem Gesicht hat. Ich
bedeute ihm aber, dass alles in Ordnung ist, und er zieht sich
erleichtert mit dem Defibrillator wieder zurück.

Dienstag 28. 10., 13h45: Ich erzähle meinem Sitznachbarn, unterbrochen
von Hustenanfällen, dass ich mittags telefonisch gehört hätte, dass mein
Neffe ins Spital eingeliefert worden sei.

Dienstag 28. 10., 14h30: Mein Chef ruft an, und bevor er noch etwas sagen
kann, frage ich ihn, ob er die Bilder von Mexiko City sehen will. Er
freut sich, dass ich nichts vergessen habe, und ist ein paar Sekunden
still. Dann sagt er, dass er leider heute keine Zeit hat - ich solle
aber bei seiner Sekretärin vorbei schauen, da liege eine wichtige
Information für mich.

Dienstag 28. 10., 14h 45: Ich schleppe mich zur Chefsekretärin. Irgendwie
schaut sie komisch aus mit der Atemschutzmaske vorm Gesicht. Sie
eröffnet mir, dass mir der Chef eine Woche frei gibt, wenn ich sofort
einen Arzt aufsuche. Und ich möge es nicht wagen, vor Dienstag nächster
Woche auch nur anzurufen. Ich rebelliere, und verweise auf die viele
Arbeit, die noch wartet. Sie sagt, das sei alles geklärt, ich hätte
eine Woche frei, und tschüss.

Dienstag 28. 10., 15h00: Ich verlasse das Büro, nicht ohne vorher auf dem
WC mir ordentlich das Gesicht zu waschen und die Weste auszubeuteln.
Auf der Stiege treffe ich jemand aus der Salzburger Geschäftsstelle,
der mich fragt, ob ich etwas von dem schweren Schweinegrippefall hier
wüsste. Nein, sage ich, und lausche interessiert seiner Erzählung: Er
sei als Ersatz für einen Grippösen hierher abkommandiert worden,
derjenige liege im Spital und ringe mit dem Tod, und zwei seiner
Familienmitglieder seien bereits verstorben. Gestern sei er aber noch
arbeiten gewesen, unverantwortlich so was! Ich stimme ihm völlig zu,
und bin froh, nun eine Woche daheim bleiben zu dürfen, ich will mich ja
mit nix anstecken. Ich werde die überraschende freie Woche intensiv zum
Bergsteigen nutzen, da ist die Luft noch sauber und wird nicht von
grippösen Schweinen beeinträchtigt!

 
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