Wadenschaden

chmul

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Ich weiß nicht, ob es Euch schon einmal aufgefallen ist, aber das Leben kann einem manchmal schon übel mitspielen. Mit Absicht, würde ich unterstellen, wäre ich nicht sicher, dass es einfach nur das zufällige Zusammentreffen unglücklicher Umstände ist. Es sind aber eben diese speziellen Tage, die in mir die Zweifel an meiner Zufallstheorie wecken, wenngleich ich beim besten Willen nicht nachvollziehen kann, weshalb das Leben etwas gegen mich haben sollte.

Natürlich hängt alles zusammen. Ich habe zum Beispiel Übergewicht. Es war zwar nie wirklich so ausgeprägt, dass ich ernsthafte gesundheitliche Folgen zu erwarten gehabt hätte, es hat aber gereicht, um mir den Atem zu nehmen, wenn ich mir im Sitzen die Schuhe binden wollte. Ernsthaft dagegen angegangen bin ich, seit ich mich Ende des vergangenen Jahres morgens einmal auf die Waage gestellt habe und erstmals in meinem Leben alle drei Stellen der Digitalanzeige zu sehen bekam. Ohne Komma!

Nach einigen Versuchen habe ich meine Ernährung so umgestellt, dass ich meine Kalorienzunahme reduziert habe, ohne abends beim gemeinsamen Abendessen mit der Familie allzu sehr auf "vernünftige" Ernährung achten zu müssen. Morgens verzichtete ich zum Beispiel auf das übliche üppig belegte und beschmierte Brötchen. Stattdessen gab ich ein paar Gramm Haferflocken in einen Fruchtjoghurt und hatte genug im Bauch, um bis zur Mittagspause durchzuhalten. Es hat nicht direkt mit dem Thema abnehmen zu tun, aber es wird später nochmals von Bedeutung sein, deshalb sei an dieser Stelle noch erwähnt, dass ich mein Frühstück im Büro zu mir nehme, weil ich die für das Essen benötigte Zeit lieber schlafend im Bett verbringe. Und nebenher ein paar Löffel Haferflockenjoghurt zu genießen stört im Büro glücklicherweise niemanden. Also gebe ich morgens immer ein Joghurt in einen kleinen Tupperwarebehälter und schütte die 25g Haferflocken dazu. Bis ich einige Minuten später im Büro bin haben die Haferflocken dann die richtige Konsistenz. Nicht zu trocken, nicht zu matschig. Aber ich schweife ab.

Aufgrund der harmlosen Umstellung meiner Ernährung konnte ich mein Übergewicht merklich reduzieren. Das kam mir auch deshalb entgegen, weil ich als Trainer einer Herren-Fußballmannschaft nicht mehr außer Atem geriet, wenn ich während einiger Übungen mehrfach kurz hintereinander in meine Trillerpfeife blasen musste. Solche Erfolge können einem aber auch leicht zu Kopfe steigen und deshalb glaubte ich kürzlich wieder soweit beweglich und fit zu sein, dass ich beim anfänglichen Trainingsspiel im Kleinfeld zumindest so lange aushelfen konnte, bis ein weiterer Spieler den Weg aus der Kabine auf den Platz gefunden hatte, um mich zu ersetzen und wieder zahlenmässige Ausgeglichenheit herrschte. Und man sollte es kaum glauben, ich hielt mehrere Minuten durch ohne danach auf künstliche Beatmung angewiesen gewesen zu sein.

Dass es vielleicht doch keine gute Idee war, gleich Vollgas zu geben nur weil ich ein paar Kilo abgenommen hatte, wurde mir an den folgenden Tagen vor Augen geführt. Und dabei rede ich nicht von Muskelkater (Muskellöwe oder – tiger wäre die zutreffendere Bezeichnung), sondern von einer Reizung der Archillessehne im Bereich des Fersenbeins. Verursacht vermutlich durch Überlastung. Ich humpelte also ein paar Tage durch die Gegend wobei ich mit dem beschädigten Fuß immer auf Zehenspitzen ging, um die Sehne weniger zu belasten. Dadurch wurde aber der Wadenmuskel wesentlich stärker belastet und es stellte sich ein Muskeltier ein, für das es noch gar keinen Namen gibt. Ich humpelte also weiter.

Und damit wären wir am Ende der Einleitung. Für jene unter meinen Lesern, die auch schon ein paar Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnis haben: Es ging darum, dass man manchmal den Eindruck haben könnte, es habe sich alles gegen einen verschworen.

Nach einem recht anstrengenden Wochenende, an dem es mir nicht möglich war, meiner Archillessehnenansatzreizung ein wenig Schonung zu gönnen, legte ich mich gestern Abend ins Bett und schlief recht schnell ein. Ich träumte. Vom Fußball. Und im Traum hatte ich einen Krampf. In der Wade. Und weil es ein Traum war, unternahm ich beim ersten Ziehen nichts und wollte mal sehen, was ein Wadenmuskel so macht, wenn man ihm seinen Willen lässt. Das war eine falsche Entscheidung, wie ich Sekundenbruchteile später bemerkte. Mein hinterlistiges Hirn hatte einen echten Krampf in meinen Traum eingebaut und es erforderte eine erhebliche Anstrengung meine Zehenspitzen hochzuziehen und den Krampf zu lösen. Verschärft wurde die Situation dadurch, dass es nur eine Stelle an meinem Körper gibt, wo ich recht gut entwickelte Muskeln habe. Meine Waden.

Natürlich bekam ich den Krampf nicht am ohnehin schon geplagten Bein und so muss ich wohl ein recht lustiges Bild abgegeben haben, als ich aus dem Bett stieg und auf beiden Beinen humpeln/hinken musste. Ich konnte mich zwar nicht selbst sehen, aber das schallende Gelächter meiner besseren Hälfte brachte es deutlich zum Ausdruck. Wie ich die zwei Treppen vom Schlafzimmer nach unten bewältigte und wie ich dabei ausgesehen haben mag, überlasse ich der Phantasie des Lesers.

Ich arbeite bei einer Firma, deren Gebäude man durch eine elektrisch betriebene Drehtüre betreten kann. Das klappt in der Regel auch sehr gut. Es sei denn, eben jene Drehtüre verweigert ihren Dienst genau an dem Tag, an dem ich beidfüssig humpelnd unterwegs bin. Ich verweise an dieser Stelle nochmals darauf, dass diese Geschichte nicht mit "Mein schönster Tag" überschrieben ist. Ich schleppte mich also die 50 Meter zum Nebeneingang, wodurch ich aber auf dem Weg in mein Büro ein zusätzliches Stockwerk überwinden musste.

Völlig entkräftet ließ ich mich in schließlich auf meinen Bürostuhl fallen und Griff nach meiner Tupperwaredose, um durch den Verzehr meines Frühstücks wieder zu Kräften zu kommen. Aber der Griff ging ins Leere. Offensichtlich war ich nach dem Aufstehen wegen der Schmerzen in beiden Beinen (bitte hört auf mich auszulachen) nicht ganz bei der Sache und habe nur mein Joghurt eingepackt. Ohne Haferflocken. Hier musste eine Verschwörung im Spiel sein, eine anderer Erklärung, wie zum Beispiel die offensichtlich lächerliche These mit der Verkettung unglücklicher Umstände, konnte es nicht geben.

Dann aber wurde es so richtig perfide. Perfide heißt so viel wie "gemein" oder, was hier noch besser passt, "hinterhältig". Mein Blick fiel nämlich auf eine kleine Dose saurer Gummiwürmer, die ich mir kürzlich in einem Moment der Schwäche an der Tankstelle gekauft und in einem Moment der Stärke nicht sofort vollständig gegessen hatte. Ich hatte sie am Freitag versehentlich auf meinem Schreibtisch am Fenster stehen lassen und jetzt waren sie meine Rettung für einen bis dahin beim besten Willen nicht sonderlich erfreulichen Montagmorgen. Ich bin ja tendenziell eher positiv eingestellt und vermag auch Schicksalsschläge mit Doppelwadenschaden ohne Haferflocken zu verarbeiten, wenn das Leben mir zur Entschädigung ein Zückerchen bietet. Oder einfach Zucker in Form von sauren Gummiwürmern.

Perfide. Das Wort klingt schon so fies. Das Wochenende war schön und heiß. Fast noch ein wenig heißer als schön. Sonne von morgens bis abends. 26/27° im Schatten. Aber mein Schreibtisch stand nicht im Schatten. Und die Dose mit den sauren Gummiwürmern stand auf dem Schreibtisch auch nicht im Schatten. Und die Isolierglasfenster verdienten ihren Namen nicht. Mein Silberstreif am Horizont hat sich in einen klebrigen Klumpen verwandelt, der sich nicht einmal mehr mit einem Cutter einigermaßen vernünftig in Stücke schneiden ließ.

Und der Montag hat noch nicht einmal richtig angefangen. :cry:
 

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Bei deinem besonderen Erlebnissen fiel mir ein Lied von Stefan Raab ein:
Wadde hadde dudde da?

Wenn du mal genau hinschauen willst, der Chemieklumpen lacht und das solltest du auch. :D
 
Zuletzt bearbeitet:
Hoffentlich geht's dem armen Wadenbeißer heute wieder besser.:)5


Ich hab da zufällig noch etwas in Sachen "Zufall".

Von Ernst Ferstl stammt das Zitat:
NICHTS IM UNSEREM LEBEN GESCHIEHT OHNE GRUND.
DER REST IST ZUFALL!
 
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