Die Schnelligkeit mit der Inhalte via Twitter (u.Ä.) Verbreitung finden, lässt sich NICHT vergleichen damit, wenn Du etwas im Bekanntenkreis erzählst.
Doch, sogar genau damit, wenn man "Schnelligkeit" ein klein wenig anders definiert und zwar als die Zeit wischen erfahren und weiter verbreiten:
Twitter: Ich lese etwas und retweete es, ohne es zu testen. Das bedeutet: Ich erzähle es an meine Bekannten und alle anderen zufälligen Mitleser weiter, sobald ich es lese.
Echtes Leben: Ich höre etwas und erzähle es meinem Bekannten und allen anderen zufälligen Mithörern, sobald ich sie treffe, also im Prinzip auch ohne Verzögerung. Ich mache mir ebenfalls keine Mühe das Gehörte zu überprüfen. (Früher nannte man so etwas Klatsch und Tratsch verbreiten - uups, das heißt ja heute noch genau so)
Ja, natürlich weiß ich, dass es sowohl früher Leute gegeben hat, die den Klatsch nicht ungeprüft verbreitet haben, als auch, dass es Leute gibt, die Twitter (und Facebook und die ganzen anderen Konsorten in der Richtung) für ernsthafte Sachen nutzen. Für mich ist Twitter und Co aber dennoch nach wie vor die arme Variante der alten Geocities Homepages mit angebautem Kontaktformular:
"Hallo, das bin ich und das ist mein Hund Schnuffi und ich muss hier ganz dringend schreiben, dass ich gerade gefurzt habe."
Twitter ist im Allgemeinen ein Meinungsverstärker für Vorurteile, da das Medium bewusst auf einen Mechanismus setzt, der Hinterfragen zu einer lästigen Angelegenheit macht, weil hinterfragen zu lange dauert und man Gefahr läuft, nicht mehr zu den Ersten (der Elite) zu gehören, die eine Nachricht am schnellsten weiter verbreiten.
So wird aus einem Witz ("Selbst ein Satz der Rücktrittserklärung wurde aus Star Treck geklaut"
) sehr schnell eine vermeintliche Tatsache ("Selbst ein Satz der Rücktrittserklärung wurde aus Star Treck geklaut"!), weil der Schreiber des Originals nicht damit gerechnet hat (oder es bewusst in Kauf genommen hat, wenn man Bösartigkeit unterstellt. Ich vermute aber eher Gedankenlosigkeit), dass das, was er geschrieben hat, nach einer gewissen Anzahl von retweets als Wahrheit betrachtet wird, getreu dem Motto:
"Wenn es so viele Leute twittern, muss es doch wahr sein ..."
"Der hat 5 Millionen Leute, die ihm folgen, also muss das wahr sein ..."
Die hinter der Nachrichtenverbreitung stehende Technik hat sich geändert, jedoch nicht die hinter den "Nachrichten" stehenden Personen, ihr psychologisches Verhalten und ihre Kritiklosigkeit - da sind wir noch ganz der Homo Erectus.