Diskussion Pietät oder Klimaschutz?

chmul

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Teammitglied
Wir hatten ja schon lange kein richtig polarisierendes Thema mehr, vielleicht schafft es ja dieses hier. :devil

In Taiwan gab's das schon mal, in Wien soll es nun auch gemacht werden. Die Nutzung der Abwärme eines Krematoriums.

Für die einen geht es darum, Energie zu sparen und das Klima zu schützen, indem die Wärme die im Krematorium entsteht und durch den Kamin entweicht, für die Unterstützung der Heizung des städtischen Bestattungsunternehmens zu nutzen.

Die anderen sind geschockt ob der Pietätlosigkeit (Pietät) dieses Plans, weil es nicht angehen könne, mit Leichen zu heizen.

Ich sehe das Problem nicht. Es geht ja hier nicht darum (Achtung Zartbesaitete, bitte nur mit einem Auge lesen) dass da einer im Keller steht und wie bei einer Dampflock Verstorbene in die Flammen schaufelt, damit es die Leute im Büro nicht frieren.

Tatsache ist, dass das Gebäude eine eigene Heizung hat, und dass lediglich Abwärme genutzt werden soll. Und ist auch nicht so, dass eine Leiche nur mit dem Streichholz angezündet, dann von alleine verbrennen und diese Abwärme verwendet würde. Es muss zunächst massiv Energie zugeführt werden und die Abwärme stammt nur aus einem geringen Teil aus der Verbrennung.

Auf diese Weise könnte die eingesetzte Energie wesentlich besser genutzt werden und am Ergebnis der Verbrennung ändert sich dadurch absolut nichts. Ich könnte problemlos damit leben (und wenn ich dereinst sterbe und verbrannt werden würde, wär's mir erst recht egal!).

Wie seht Ihr das?

Bestattungsunternehmen heizt mit Leichen - WEB.DE

Wirbel um Heizung in Bestattungszentrale: Wärme von Leichen "wird nicht verwendet" - news.at
 
Naja, hat für viele schon sehr was mit Pietät zu tun. Berührt die Frage nach dem Sinn des Lebens und was einmal bleibt, wenn einer nicht mehr ist.

Ist ja auch immer ein Aspekt, wenn allgemein die Organspende nach dem Tode wenig Begeisterung findet.

Ich würde das (Wärme ausnützen) jedenfalls wohl nicht unterstützen wollen. Man kann alles übertreiben.

Ich tu' das mal mit diesem Vergleich:

Dann bräuchte man evtl. auch bei Seebestattungen die Toten nicht erst zu verbrennen, sondern gleich der Natur - sozusagen ohne den Umweg der "Konvertierung" - zurückgeben, was von ihr stammt.

Staub zu Staub. Asche zu Asche. (Wie herum ist das eigentlich richtig? Ein Sinn hat sich mir daraus noch nie ergeben wollen.)

... oder halt gleich: Nochverwertbares zu Fischfutter.
 
Ich zweifle an der Sinnhaftigkeit - sowohl im Hinblick auf den Umweltschutz als auch auf die eingesparte Heizenergie - aber irgend jemand wird das schon ausgerechnet haben.

Um die gewünschte Polarität in das Thema zu bringen: Wenn sich damit tatsächlich eine signifikante Einergieeinsparung realisieren lässt, dann kann das eigentlich nur ein Problem für Leute sein, die sonst keine haben.

Die Leute, die sich da jetzt beschweren, können ja unmöglich direkt betroffen sein - es sei denn, sie haben für 2012 ihr eigenes Ableben oder das eines Verwandten geplant.
Und dann können Sie ja immer noch selbst entscheiden, ob sie der Welt noch ein letztes Mal ein wenig Wärme schenken wollen oder nicht.
 
Dann bräuchte man evtl. auch bei Seebestattungen die Toten nicht erst zu verbrennen..
Muss man ja auch nicht. Du kannst den/die/das Verblichene bei jedem Kapitän eines russischen Fischkutters abgeben, den Empfang quittieren lassen (wegen der Deutschen Bestattungspflicht) und den Korpus auf hoher See verklappen lassen. Das ist zwar noch pietätloser als den Angehörigen zu verheizen, aber absolut legitim.

Übrigens eine Lösung (das Verklappen), die ich in mein Testament verewigen werde. Denn pietätloser als jede Form der Entsorgung empfinde ich die dreiste Preispolitik der Friedhöfe. Ich würde mich im buchstäblich Grabe umdrehen, wenn ich meine Hinterbliebenen damit belästigen müsste.
 
Die Aussage "mit Leichen heizen" trifft bei einem Krematorium ja nichtmal zu... Die Brennöfen sind so heiß, dass keine Flamme an sich vorhanden ist. Erst wenn ein (Holz-)Sarg eingeführt wird, entzündet sich etwas. Die Leiche verbrennt dabei natürlich auch, aber die Hitze wird nicht durch das Anzünden von menschlichen Überresten gewonnen.
Je nach Fetthaltigkeit kann ein Brennofen dann auch mal von seinen 900° auf mehr als 1000° erhitzt werden, wenn das eingelagerte Körperfett gasförmig wird.

Ich finde das eher Verschwendung der Hitze. Klar, manche Leute mögen denken, dass die menschlichen Überreste irgendwie was besonderes sind oder was weiß ich, was da gedacht wird. Aber die technischen Umbauten, um "Fernwärme" nutzbar zu machen, wären wohl doch sehr teuer. Da würde ich schon den Sinn hinterfragen! ;)

Wenn wirklich Kosten eingespart werden können, dann würde ich ein solches Unterfangen unterstützen.
 
Pietätlos? Was soll daran so pietätlos sein?

Die technische Seite sieht doch so aus: Verbrennungsofen, beheizt mit Gas (Strom). Da wird viel Energie zugeführt, um die Leiche zur Asche zerfallen zu lassen. 75% Wasser sind zu verdampfen, der schäbige Rest ist dann nur noch trockener Staub mit ein paar Krümelchen. Und all die Energie die dazu gebraucht wird, geht, zumindest bei uns, durch Filter und ab in die Luft. Tja und nun die Frage. In den Filtern fangen sich ja auch Reste. Reste von Mama, Papa, Oma, Opa, Enkel, Mörder Diebe, alles wunderbar gemischt. Und nu? Das ist Sondermüll, pietätlos hin oder her. Warum also nicht mit der Abwärme zusätzlich eine sowiso vorhandene Heizungsanlage unterstützen? Die paar Atome Oma die da noch in der Abluft enthalten sind sollen das Ganze dann pietätlos machen?

Der Normalfall ist doch, Leiche wird in's Krematorium gekarrt und nach 14 Tagen, oder 3 Wochen wird die Dose mit der Asche, egal wie, verbuddelt. Keine Sau weiß, wie inzwischen mit Oma umgegangen wird. Da ist die Nutzung der Verbrennungs-Abgase doch harmlos. Vermutlich ist schon mehr als einmal die Leiche oder Dose verwechselt worden und es wurde nie entdeckt. All die lieben Hinterbliebenen heulen sich freudig Erregt am falschen Onkel die Augen aus, in alle Ewigkeit, Amen. Mir fällt nähmlich nix ein, daß das, was auf Säuglingsstationen passieren kann, nicht auch in den Kühlkammern passieren soll, wo sowiso weniger Aufmerksamkeit herrscht, weil nicht mit "lebendem Material" umgegangen wird.
 
Wer damit ein Problem hat, gehört vermutlich eh zu denen, die ein Problem mit dem Tod und mit der Verbrennerei von Leichen haben. Also betrifft es die ja so oder so nicht.
 
Vermutlich ist schon mehr als einmal die Leiche oder Dose verwechselt worden und es wurde nie entdeckt.

Mal abgesehen, dass es den Hinterbliebenen fast egal sein kann, weil die Urne eh nur ein Symbol ist, das verbuddelt wird, kommt es in modernen Krematorien vermutlich nicht mehr vor. Zumindest das Krematorium hier umme Ecke hat einen computergesteuerten Ofen, bei dem man mit (wenn nicht absolut, dann wenigstens relativ) 100% Wahrscheinlichkeit sagen kann, dass die Überreste des Betroffenen auch in die dazugehörige Urne kommen.

Das einzige, was hier vielleicht pietätlos erscheinen kann, ist der Fakt, dass die Leichen vorm in-den-Ofen-fahren nochmals geöffnet werden (Obduktion durch den Amtsarzt), damit ein Verbrechen ausgeschlossen werden kann. Da ist das Verbrennen doch ein Klacks gegen...
 
Mich wundert sowieso, das in den Zeiten allgemeiner Rohstoffknappheit nicht schon längst auf den "Rohstoff Mensch" zurückgegriffen wird. Ich sag nur Soylent Green.....;)
 
Bei einer Organspende wird der Verstorbene auseinander genommen und zum Wohle eines anderen zum Teil weiterverwendet. Betrachtet man die Definition von Pietät, nämlich den Respekt und die Ehrfurcht gegenüber toten, dann ist eine Organspende vielleicht pietätloser als die Nutzung von überschüssiger Energie bei einer Leichenverbrennung. Es spielt ja eigentlich keine Rolle, ob ein Paar "Atome von Oma", wie Lolly so schön sagte, durch die Luft schwirren, sondern dass einfach Wärme erzeugt wird, die man in eine andere Energieform wie Elektrizität umwandeln kann.

Ergo: Finde ich überhaupt nicht pietätlos. Ich möchte nur, dass ich später die Asche des Verstorbenen verbuddeln und ehren kann und was beim Prozess Toter=>Asche passiert ist mir dabei nicht von Bedeutung.
 
Mich wundert sowieso, das in den Zeiten allgemeiner Rohstoffknappheit nicht schon längst auf den "Rohstoff Mensch" zurückgegriffen wird. Ich sag nur Soylent Green.....;)

gibt es doch schon... dieser YouTube - Tribute to Reggie gute Mann hat seinen Körper nach dem Tod seiner Firma zur Verfügung gestellt um daraus Kerzen zu machen.

Das ganze stammt aus der sehr genialen Doku über die AKtivisten der "Yes-Men" und ist natürlich nicht ganz ernst gemeint. Mehr darüber The Yes Men

Doku gibts umsonst im Netz, ansehen!
 
Mit Pietät habe ich es ohnehin nicht so sehr, ich bin da sehr sachlich.

Auch den weitverbreitete Brauch, über Verstorbene nichts schlechtes zu sagen, pflege ich nicht. Wenn jemand zu Lebzeiten ein Drecksack war, dann sage ich das auch noch nach seinem Tod.

Wie man später mal mit meinen sterblichen Überresten umgehen wird, ist mir vollkommen egal. Sehr viel wichtiger ist es mir, wie man mich zu Lebzeiten behandelt.

Vom betriebswirtschaftlichen Standpunkt betrachte ich Fernwärmeversorgung mittels Krematorien auch für sinnlos. Um das wirtschaftlich sinnvoll zu betreiben, müsste man jede andere Bestattungsform verbieten und zentrale Krematorien betreiben, die dann von der Auslastung her auch 24-stündigen Betrieb benötigen.

Dann könnte sich das Ganze evtl. regional rechnen.
 
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Ich dachte auch nicht an Fernwärme, das rentiert sich nicht mit dem bischen Abwärme. Rohre verbuddeln, Pflege, Wärmetauscher in Gebäuden und was noch alles so dranhängt.

Ich habe da mehr das Krematoriums selbst plus Nebengebäuden im Blick, die ja sowiso eine Heizung haben müssen. Vorwärmung der Öfen, ein Wärmetauscher der die heisse Abluft zur Wärmerückgewinnung für Heizung + Warmwasser nutzt, rechnet sich jedoch bei den Kosten für die Energieträger heutzutage bestimmt. Der Mensch selbst ist als "Brennmaterial" ein Flop, zuviel Wasser in Kopf :D und Körper. Da muß sowiso mehr Energie reingesteckt werden, als nutzbar rauskommen kann und das selbst bei ausgefeiltester Technik. Aber es würde wenigstens nicht alle Wärme verschwendet, die auf jeden Fall zugeführt werden muß.

Ich kann mir aber schon vorstellen, daß Gottesgläubige mit der Prozedur ihre Schwierigkeiten haben, so sie bei den lieben Verblichenen überhaupt an verkokeln denken. Aus ihrer Sicht währe das am jüngsten Tag ein fürchterliches Puzzle, all den Qualm dem richtigen Knochengerüst zuzuordnen. Das sollte man halt auch bedenken, wenn diese Technik eingeführt werden sollte. Für Gläubige währe diese Prozedur wahrlich pietätlos.
 
Szia
Nun meine Antwort zu dem, wenigstens werde ich was + nach dem ableben tun. Ich unterstütze diese idee den wie gesagt der Körper brennt nicht von alleine. Habe eine sehr instrukive Seit gefunden Leichenverbrennung [1] - Zeno.org
Da ist alles was für ein Aufwand gebraucht (verbraucht) wird um einen toten Körper zu verbrennen.
Gyuri :)
 
:D Na ja, bald 100 Jahre später geht das garantiert etwas eleganter, da braucht man keine kleine Kokerei, um das nötige Verbrennungsgas zu erzeugen, das kommt heutzutage aus der Leitung, so wie der Strom aus der Dose. 2-3 Stunden für eine Leiche plus eine Stunde "Nachbehandlung"? Da währe alleine für eine Großstadt wie Berlin ein komplettes Stadtvirtel an Öfen nötig.
 
Hängt wohl auch vom Volumen des Leichnams ab.

Das Krematorium in Mannheim hat vor nicht allzu langer Zeit eine Brennofentür auf XXL-Maße umrüsten lassen, weil besonders schwergewichtige Klienten einfach nicht mehr durch die herkömmlichen Ofentüren passten.

Mag sich makaber anhören, ist aber so.
 
Wüßte auch nicht, was daran verwerflich sein soll - die Wärme fällt doch sowieso an, also warum vergeuden? Unser Bäcker heizt sein Büro mit der Abwärme seiner Backöfen. Ist das selbe Prinzip. Wer das schlimm findet, hat aber mal echt keine anderen Probleme...
 
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