[Neuigkeit] BGH-Urteil zur Forenhaftung

Supernature

Und jetzt?
Teammitglied
BGH-Urteil zur Forenhaftung

Lange hat man auf ein höchstrichterliches Urteil zum Thema Forenhaftung gewartet.
Nun liegt eines vor - aber schlauer macht es uns wohl nicht.

Lest am Besten erstmal die Meldung bei Golem dazu.

Erste Entscheidung: Hat der Forenbetreiber Kenntnis von einem rechtswidrigen Beitrag, dann haftet er auch dann mit, wenn er den Verfasser kennt.
Das leuchtet mir ein - einen rechtswidrigen Beitrag kann man nicht einfach stehen lassen und den Geschädigten nur auf den Autor verweisen, man muss den Beitrag dann auch löschen, ansonsten ist man dran - völlig ok.

Weiterer Tenor aus dem Urteil ist offenbar: Der Betreiber haftet erst mit Kenntnisnahme. Schön, auch das ist ja eigentlich schon per Gesetz geregelt.
Eine spannende Frage bleibt aber auch hier:
Ist die bloße Kenntnis des Beitrags entscheidend oder muss zusätzlich die Kenntnis über dessen Rechtswidrigkeit vorliegen? Bei wüsten Beleidigungen mag das noch leicht zu beurteilen sein, wie sieht das aber bei den so genannten Tatsachenbehauptungen aus? Dazu gibt es widersprüchliche Entscheidungen, die einer höchstrichterlichen Klarstellung bedürfen.
Das LG München urteilte im letzten Jahr, dem Betreiber sei nicht zuzumuten, nach Rechtsverstößen zu "fahnden" - dazu gehört nach meinem Verständnis auch, dass ich unmöglich nachprüfen kann, ob alles, was in meinem Forum geschrieben wird, auch der Wahrheit entspricht.

Andere Gerichte wiederum interpretieren die Frage anders und verbinden mit der direkten Haftung dann auch gleich umfassende Prüfungs- und Kontrollpflichten für den Betreiber, die in der Praxis unmöglich durchzusetzen sind.

Ich hoffe, es kommen noch ein paar mehr Infos zu diesem Urteil und ein paar klarstellende Sätze in der Begründung.
 
Das BGH hat sich nun klar geäußert und ich habe eine recht eindeutige Stellungnahme hierzu gefunden, die für mich ok ist.

Die Karlsruher Richter entschieden, dass der Betreiber eines Forums für darin eingestellte Beiträge ab dem Zeitpunkt haftet, zu dem er Kenntnis von dem Beitrag erhält. Einer vorrangigen Haftung des eigentlichen Verfassers, wie diese noch das OLG Düsseldorf angenommen hatte, erteilte der Bundesgerichtshof eine klare Absage.

Quelle
 
Ich finde sie nicht ok.....

Das heisst, ich kann ohne Weiteres mit absichtlich unrechten Äusserungen einen Forenbetreiber in Bedrängnis bringen? Eine arge Bedrängnis kann schon Probleme bringen, man braucht noch nicht mal eine (in diesem Sinne) strafbare Handlung (Duldung)...... oder?
 
Ungezogene schrieb:
Ich finde sie nicht ok.....

Das heisst, ich kann ohne Weiteres mit absichtlich unrechten Äusserungen einen Forenbetreiber in Bedrängnis bringen? Eine arge Bedrängnis kann schon Probleme bringen, man braucht noch nicht mal eine (in diesem Sinne) strafbare Handlung (Duldung)...... oder?

Wichtig ist die Kenntnisnahme! Wird der Betreiber darauf hingewiesen und unternimmt nichts, dann haftet er.
 
Das Problem hat Supi doch schon definiert:

Ist die bloße Kenntnis des Beitrags entscheidend oder muss zusätzlich die Kenntnis über dessen Rechtswidrigkeit vorliegen?

Letztlich ist der Forenbetreiber wieder der Buhmann ...
 
Ich konstruiere mal ein Beispiel, das den Unterschied zwischen Beitragskenntnis und Kenntnis der Rechtswidrigkeit verdeutlicht. Wenn jemand mit Fäkalausdrücken um sich wirft, dann erkennt auch der Laie schnell, dass es sich hier um eine Beleidigung handelt. Bisher dachten wir immer, dies sei die große Gefahr - Leute, die sich nicht benehmen können und ihre Emotionen nicht kontrollieren.

Aber nehmen wir mal folgenden Fall, eine alltägliche Diskussion, wie sie jeder in irgendeinem Forum schon erlebt hat:

User A fragt: Brauche eine neue Grafikkarte, bei welchem zuverlässigen Händler bekomme ich sie günstig?

User B empfiehlt "Hempels kleinen Hardwareladen", weil er da immer kauft.

User C meldet sich zu Wort und meint, mit dem hätte er schon mal Schwierigkeiten gehabt, die Lieferung war unvollständig und die Erstattung des Kaufpreises hat acht Wochen gedauert.

Der Administrator des Forums mischt im weiteren Verlauf des Themas auch mit, zum Beispiel durch eine eigene Empfehlung.
Hardwarehändler Hempel lässt daraufhin den Forenbetreiber abmahnen, weil der Beitrag von User C geschäftsschädigend sei (womit er sogar Recht hätte, wenn es nicht den Tatsachen entspricht).
Der Betreiber kannte den Beitrag, konnte aber logischerweise nicht wissen, ob das wirklich so war. Muss er jede Tatsachenschilderung auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfen und haftet, wenn er es nicht tut?

Eigentlich gibt es nur einen Weg, dies zu vermeiden: Wer selbst ein Forum betreibt, hält sich so weit wie möglich davon fern und kümmert sich nicht darum, was dort geschrieben wird. Dann wird es aber nicht lange dauern, bis man ihn wegen Verletzung seiner allgemeinen Sorgfaltspflichten verknacken wird.

Mach es wie Du willst, Du bist immer der Depp :).
 
Ich weiss, dass es die Diskussion schonmal irgendwo gibt, aber man möge doch bitte in 1 1/2 Sätzen nochmal erklären, warum nicht der User verknackt wird, der vorsätzlich und offensichtlich Unrechtes schreibt? In Zeiten des Gläsernen Users sollte das doch kein Problem sein, eine IP irgendwoher zu extrahieren? .... oder etwa doch? Was spricht dagegen?
 
1. Geht es darum, daß eine Beleidigung o.ä. möglichst schnell aus dem Netz verschwindet (Informationen verbreiten sich im Netz nun doch etwas schneller als in traditionellen Medien - egal ob war oder unwahr

2. Kann ein User anhand der IP nicht zu 100% identifiziert werden

3. Müßte so dem "Geschädigten" ein schnellerer Weg zu den Userdaten ermöglicht werden. Das verstößt aber gegen den Datenschutz

Das sind nur drei Gründe, aber in meinen Augen auch die mit der größten Relevanz ...
 
Man kann auch verlangen, dass der Anscheisser im Notfall die Hosen runterlässt und alles belegt...inklusive Namen.
Das muss nicht öffentlich geschehen.
Wenn ich gegen Firma xy meckere aufgrund von Erfahrungen, dann kann ich das im Board in allgemeiner Form tun.
Wenn die Firma xy nun stänkern will, dann kann ich als Betreiber auf die vorliegenden schriftlichen Beläge verweisen und sagen ´na dann mal los, wenn ihr wollt´

Jeder kennt doch aus unzähligen Zeitschriften ´Name der Redaktion bekannt´

Gruss
Tim
 
Moin..

vielleicht brauchen wir einfach eine neue Art Foren. Dezentralisiert speichert jeder User seine Beiträge selbst auf einem eigenen Space. Foren "sammeln" diese Postings nur zusammen. Web 2.0 reverse quasi.

Bin längst am überlegen, sowas zu basteln ;)

LG
 
Es wäre interessant, den gesamten Urteilstext zu erfahren. Die Meldung bei Golem ist ein wenig kurz...

So wie das da steht, unterscheidet es sich nicht nenneswert von der Verantwortung, die z.B. eine Zeitung für Leserbeiträge hat, bis auf die Tatsache, dass bei einer Zeitung die Folgen direkter sind, wenn der verantwortliche Redakteur einen offensichtlich beleidigenden oder unwahren Beitrag drucken lässt, ohne direkt darauf hinzuweisen, dass der Abdruck unwahr oder beleidigend ist, bzw. ihn eindeutig als solchen im Rahmen eines Berichtes zu kommentieren - im Sinne: "Unwahr ist die Behauptung des Schreibers, dass er (Zitat) "Schwierigkeiten mit der Firma" habe, weil (...)" usw. - da der Redakteur vorher von dieser Veröffentlichung wusste.

Damit wollte ich sagen: Ab dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme eines relevanten Inhaltes ist der verantwortliche Redakteur (der Forumsbetreiber) IMHO für die Inhalte seiner Veröffentlichung zu einer Gegendarstellung verpflichtet bzw Haftbar, wenn er dies nicht tut. Eine einmal gedruckte Zeitung kann man ja schließlich auch nicht vernichten, und die Löschung eines Forumsbeitrages alleine reicht IMHO auch nicht aus, um den dort veröffentlichen Inhalt aus dem Internet zu entfernen.

(Ich z.B. habe einen Caching Proxy vorgeschaltet, der sich nicht um NOCACHE kümmert und eine sehr große HDD vollmüllen darf. Darin könnte theoretisch ein Forumsbeitrag weiterleben, bis die HDD den Geist aufgibt. Google z.B. cacht auch alle möglichen Seiten und andere Web-Dienstleister tuen das auch - und nicht alle achten auf die META-Tags - dort könnte ein entsprechender Beitrag auch ewig "leben".)

Dass diese Verpflichtung zur Gegendarstellung allerdings bei Webforen direkt mit Kosten (Abmahngebühren) verbunden sein kann, leuchtet mir nicht ein. Bei Zeitungen gibt es AFAIK schließlich auch nur die einstweilige Vefügung, gefälligst eine Gegendarstellung zu veröffentlichen und erst wenn sie dies nicht tuen, kostet es - was IMHO eine gute Lösung auch bei Webforen wäre. Wenn die bei einigen ihrer "Enten" den tatsächlich entstandenen Schaden bezahlen müssten, wären die längst alle pleite...

(Szenario: Eine überregionale Zeitung RST schreibt, dass laut Info von UVW (Zitat eines "Gurus") der internationale Konzern XYZ kurz vor dem Konkurs steht. Der Börsenkursx crasht auf Grund dieses Gerüchts (Broker sind IMHO sehr gerüchtsanfällige Zocker ;)). Milliardenschäden bei den Anlegern und der Firma, usw.. Solche Szenarien sollen schon im etwas kleineren Maßstab vorgekommen sein und die Zeitung hat eine Gegendarstellung und Entschuldigung geschrieben, aber nicht für den entstandenen Schaden gehaftet)
 
Bio-logisch schrieb:
Pressemitteilung Nr. 39/07 vom 27.3.2007Stellt sich nur die Frage, was die Juristen nun wieder so nebulös als "Kenntniserlangungen" bezeichnen...

Was soll an dem Begriff "Kenntniserlangungen" nebulös sein?

Wenn die Info zugegangen ist, dann muss der Forenbetreiber unzüglich (= ohne schuldhaftes zögern) reagieren. Für HEISe hat ich z.B. schon standardisierte Fax-Texte, in welche ich nur die URL und einen Screenshot einkopieren. Mit diesen Daten müssen die den Beitrag finden.
 
QuHno schrieb:
Eine einmal gedruckte Zeitung kann man ja schließlich auch nicht vernichten, und die Löschung eines Forumsbeitrages alleine reicht IMHO auch nicht aus, um den dort veröffentlichen Inhalt aus dem Internet zu entfernen.

Falsch! CHIP durfte z.B. "fast freiwillig" Beiträge schwärzen. Bei der c´t war dann ein vollständiges Heft "leider vergriffen", etc. Es darf keine Nachlieferung mehr ohne Schwärzung raus!


Dass diese Verpflichtung zur Gegendarstellung allerdings bei Webforen direkt mit Kosten (Abmahngebühren) verbunden sein kann, leuchtet mir nicht ein.

Wer behauptet die Kostenpflicht bei einem Gegendarstellungsbegehren?

Bei Zeitungen gibt es AFAIK schließlich auch nur die einstweilige Vefügung, gefälligst eine Gegendarstellung zu veröffentlichen

Die voll kostenpflichtig ist!

und erst wenn sie dies nicht tuen, kostet es - was

Ja - Ordnungsgeld oder Ordnungshaft. Mr. fastix ist u.a. wegen der Weigerung eine Gegendarstellung zu veröffentlichen vor einigen Wochen in die JVA Kassel in den "Urlaub" gegangen.

Ungezogene schrieb:
Ich finde sie nicht ok.....

Das heisst, ich kann ohne Weiteres mit absichtlich unrechten Äusserungen einen Forenbetreiber in Bedrängnis bringen?

Wieso? Der Forenbetreiber kann sich voll an dem betreffenden User schadlos halten. Für den Forenbetreiber würde es nur dann kritisch, wenn er berechtigen Löschungsaufforderungen nicht nachkommt.

Supernature schrieb:
Aber nehmen wir mal folgenden Fall, eine alltägliche Diskussion, wie sie jeder in irgendeinem Forum schon erlebt hat:

User A fragt: Brauche eine neue Grafikkarte, bei welchem zuverlässigen Händler bekomme ich sie günstig?

User B empfiehlt "Hempels kleinen Hardwareladen", weil er da immer kauft.

User C meldet sich zu Wort und meint, mit dem hätte er schon mal Schwierigkeiten gehabt, die Lieferung war unvollständig und die Erstattung des Kaufpreises hat acht Wochen gedauert.

Der Administrator des Forums mischt im weiteren Verlauf des Themas auch mit, zum Beispiel durch eine eigene Empfehlung.
Hardwarehändler Hempel lässt daraufhin den Forenbetreiber abmahnen, weil der Beitrag von User C geschäftsschädigend sei (womit er sogar Recht hätte, wenn es nicht den Tatsachen entspricht).
Der Betreiber kannte den Beitrag, konnte aber logischerweise nicht wissen, ob das wirklich so war. Muss er jede Tatsachenschilderung auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfen und haftet, wenn er es nicht tut?

Ich würde sagen, dass bei Tatsachenbehauptungen sich die Kenntnis auf die Aussage und den Wahrheitsgehalt beziehen muss.

Beleidigungen muss man einschätzen können. Offensichtliche oder allgemein bekannte Unwahrheiten auch. Ansonsten: Löschen erst ab Kenntnis von Aussage und Unwahrheit.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Ich würde sagen, dass bei Tatsachenbehauptungen sich die Kenntnis auf die Aussage und den Wahrheitsgehalt beziehen muss.

Das ist, glaube ich zumindest, das was sich alle wünschen. Allerdings habe ich bedenken, daß diese Ansicht nicht von allen Anwälten und Richtern geteilt wird...


ot:
Ich kann den freundlichen Gruß nicht mehr lesen
Versuchs mal mit dem Abschalten der Ignore-Funktion ...
 
Versuchs mal mit dem Abschalten der Ignore-Funktion ...

ot:
Ausserdem müsste ich diese Funktion einschalten, gute Idee!

Mag sein, aber das ist mir alles zu "schwammig"! Will sich da jemand einschmeicheln? Wie sagt das Volk: "Vor Gericht bekommst Du ein Urteil, aber Recht?"

Es sind zu viele Lücken in unserem Rechtssystem und diese versuchen (bekannte) auszufüllen!
 
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