Ich bin ja kein Aber!

chmul

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Wenn man etwas erzählen will und dabei unterstreichen möchte, dass der fragliche Umstand nicht dem Üblichen entspricht – meist zur eigenen Überraschung – dann nutzt man häufig eine kurze Einleitung, die den üblichen Status beschreibt, um ihn dann durch einen zweiten Satzteil, eingeleitet mir «aber» zu negieren.

«Ich kann den FC Bayern ja nicht leiden, aber wie sich die Mannschaft gestern in der Champions League präsentiert hat, ist aller Ehren wert.»

Das ist ein klassisches Beispiel für das erwähnte Stilmittel. In jüngerer Zeit wird auf diese Weise aber immer häufiger versucht, die tatsächliche Gesinnung zu verbergen bzw. zu relativieren. Das geht dann in etwa so:

«Ich bin ja kein Nazi, aber die Ausländer sind an allem schuld, was in meinem Leben falsch läuft.» Oder auch: «Ich bin ja schon für Impfungen, aber das, was da momentan abläuft ist organisierter Massenmord.»

Heute ist es für jeden noch so minderbemittelten Menschen ein Einfaches, sich in der Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen. Deshalb hat sich vor allem die zweite Variante im Internet fast so schnell ausgebreitet wie die aktuelle Covid-Variante in China.

In vielen Fällen sollten die Betreffenden besser so formulieren: «Eigentlich will ich unbedingt auf mich aufmerksam machen, aber ich halte wohl besser mal die Fresse.»

Es ist allerdings auch möglich, einen ähnlichen Aufbau zu wählen, ohne den ersten Teil der Aussage zu negieren.

Ich bin ja eh kein Tierfreund, aber seit heute Morgen weiß ich auch wieder warum.

Und damit kommen wir zum eigentlichen Thema dieser Ausführungen. Es begab sich nämlich heute Morgen, dass sich die Welt einmal mehr gegen mich verschworen hat. Freitags arbeite ich im Home Office, was zur Folge hat, dass ich nicht zusammen mit meinem Schatz aufstehe, sondern eine halbe Stunde länger schlafen kann.

Korrektur: Könnte! Ich könnte länger schlafen, wenn ich keine Tiere in meiner Nähe hätte. Nun bin ich mir der Tatsache bewusst, welch negativen Einfluss Tiere auf mein Leben haben können und deshalb habe ich keine Haustiere. Das hilft allerdings wenig, da meine Freundin zwei Katzen und einen Hund hat, die – und das ist das Problem – im selben Haus wohnen. Meiner Ansicht nach wäre es für alle besser, sie würde eine oder mehrere Tierpatenschaften übernehmen und dafür auf eigene Tiere zu verzichten. Aber obwohl ich in der Regel meinen Standpunkt und die unbestreitbaren Vorteile desselben durchaus eindrucksvoll darzulegen vermag, konnte ich mich mit diesem Vorschlag noch nicht durchsetzen.

Der ältere Kater und der Hund haben auch ihre Nachteile, aber die sind wenigsten ruhig. Die geben in der Regel nur einen Ton von sich, wenn man versehentlich drauftritt, weil sie sich wieder einmal unbemerkt genau dorthin gelegt haben, wo man sie nicht erwartet. Der zweite Kater darf allerdings ohne Zweifel als tierischer Terrorist bezeichnet werden. Vielleicht hat er einfach nur den Eindruck, dass er die Stille der beiden anderen Tiere ausgleichen muss, in mir macht sich aber eher der Eindruck breit, er will schlicht und einfach meine Nerven strapazieren.

Dabei muss ich allerdings zugeben, dass er nicht immer laut ist. Nur wenn er der Ansicht ist, es wäre endlich wieder mal Zeit ihm Futter zu geben. Das ist bedauerlicherweise fast den ganzen Tag der Fall. Ich bin nicht sicher, ob ich es schon einmal geschrieben habe, aber ich würde zu gerne mal einen Test machen. Der Kater wird nämlich auch dann hysterisch, wenn er den Napf gerade eben leer gemacht hat und ein anderer Mensch (= potentieller Futterbereitsteller) taucht auf. Deshalb würde ich gerne mal die Badewanne mit zehn Kilogramm Katzenfutter füllen, den Kater reinsetzen und dann beobachten, ob er irgendwann aufhören würde zu fressen. Überraschenderweise wurde auch dieser Vorschlag mit knapper Mehrheit von 1:1 Stimmen abgelehnt.

Damit man Problem etwas besser nachvollziehen kann, muss ich versuchen zu beschreiben, wie der Kater klingt. Das ist nämlich kein nettes «Miau», sondern klingt eher wie ein gehässiges «Wääh». Dabei verhält sich das Tier ähnlich wie ein Metallsuchgerät, dass immer lauter und schneller piept, je näher man dem Schatz kommt. Wenn man also in die Küche geht, das Katzenfutter in den Napf gibt und den Napf auf den Boden stellt, begleitet der Kater diesen Vorgang ungefähr so:

Wäääääh (ich habe ja so einen furchtbaren Hunger)

Wäääh … wäääh (mach ein bisschen schneller, das kann doch nicht so lange dauern)

Wääh, wääh, wääh (mir bleibt nicht mehr viel Zeit, bevor ich aus Futtermangel sterbe)

Wäh, wäh, wäh, wäh, wäh, wäh, wäh (nun stell schon hin das Zeug).

Steht man morgens auf, kommt er einem entgegen, um die Dringlichkeit der Angelegenheit zu unterstreichen, denn der Kater hat dann ja schon seit mehreren Stunden nichts mehr gefressen. Dabei wird dieses Wääh immer lauter und die Abstände dazwischen immer kürzer.

Kleiner Szenenwechsel. Wir leben auf dem Land oder zumindest in einer ländlichen Gegend. Das bedeutet, dass einige unserer Nachbarn Landwirte sind und Nutztiere halten. Das kann man hin und wieder mit der Nase ganz deutlich wahrnehmen. Es gibt auch einige Pferdehalter, was man unter anderem auch dadurch feststellen kann, dass man nicht nur auf den umliegenden Wiesen, sondern auch auf den Wegen dazwischen immer mal wieder in einen Haufen treten kann.

Pferde, Kühe, Schweine, alles kein Problem. Aber irgendwo in unserer Ecke, muss es zwei Tierbesitzer geben, die Federvieh halten. Und bei beiden gibt es mindestens einen Hahn. Diese Hähne haben wohl den Eindruck, dass sie jeden Morgen aufs Neue klären müssen, wer von ihnen am lautesten krähen kann.

Ich habe eine ganze Weile versucht, das Krähen der beiden vom Hör- ins Lesbare zu übertragen, bin aber gescheitert. Ein einfaches Kikeriki ist es aber definitiv nicht. Wer schon mal einen normalen Hahn krähen gehört hat, möge sich das normale Krähen, wie das normale Miauen der Katzen vorstellen. Und das, was die beiden da allmorgendlich abziehen, wie das Wäh, Wäh, Wäh, Wäh unseres Katers.

Ich bin ja eigentlich meist tiefenentspannt und ruhig, aber …

… wenn ich morgens eine halbe Stunde länger schlafen könnte, das aber durch eine Terrorkatze und den Schwanzvergleich zweier Hähne torpediert wird, dann … dann …

… kann es durchaus sein, dass ich mich hinsetze und eine Geschichte schreibe.

Zwar gäbe es noch eine andere Variante, mein kochendes Blut wieder auf Normaltemperatur zu bringen, aber einmal ganz abgesehen von den strafrechtlichen Folgen, käme ich auch bei meinem Schatz nicht damit durch.

Schlaf wird eh überbewertet.​
 
Ein zusätzliches Danke noch an das Katzen- und Federvieh, die eine solche Anekdote erst ermöglicht haben. 👍

Man leidet ja völlig mit. 🥴 Welch ein Leben unter den tierischen Tyrannen und der wenig verständnisvollen Lebensabschnittspartnerin, die einem die eigene Lebensplanung (den verdienten Schlaf) ständig zu nichte machen. 😳😱🥳😂

Ich werde dich in mein nächstes Gebet des Bedauerns einschließen.
Obwohl ich ja tierlieb bin, ABER Tiere müssen sich auch mal an die Bedürfnisse der Mitbewohner anpassen.
 
Einer unserer Nachbarn hält sich ein paar Hühner.
Nicht (nur) zum Eier legen, sondern das sind irgendwelche seltenen exotischen Prachthühner.
Die stören auch nicht.

Vor einiger Zeit kam er aber auf die Idee seine Hühner mit einem Hahn zu beglücken.
Und dieser Hahn hat jeden Morgen bei Sonnenaufgang (was im Sommer sehr früh ist) wirklich lautstark und mindestens 20-30 Minuten lang die Sonne begrüßt.

Die Nachbarschaft hat ihn dann höflich darauf aufmerksam gemacht das gerade Grillsaison ist und so ein Hähnchen ziemlich lecker wäre.
Er hat den Wink verstanden und am nächsten Tag waren seine Hühner wieder ohne Hahn.
 
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