[Hinweis] Bastian Sick und ich

chmul

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Bastian Sick und ich

Die Vorgeschichte (kann übersprungen werden)

Mein Vater hatte kürzlich Geburtstag. Und so bedeutsam er das findet, so bedeutsam mag es Euch hier vorkommen. Aber wie so oft ist das Leben nicht so einfach. Wir (meine Schwester und ich) wollten ihm nämlich etwas schenken und hatten nach einigen Qualen auch ein vermeintlich perfektes Geschenk. 2 Karten für "Die große Bastian Sick Schau" in Freiburg. Ihr wisst schon, das ist der Typ, der "Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod" geschrieben hat und der für die Kolumne "Zwiebelfisch" auf Spiegel online zuständig ist. Was ein Glück, dass ein Freund von mir dort arbeitet, wo Bastian Sick auftreten sollte, der konnte mir nämlich die Karten besorgen. Alles einfach, alles problemlos, alles gut.

Allerdings blieb es nicht so, sonst könnte ich mir die Geschichte wirklich sparen. Nicht, dass ich Euch noch nie gelangweilt hätte, aber wenn die Geschichte an dieser Stelle zu Ende wäre, wäre wohl unbestritten ein Tiefpunkt erreicht. Nein, Weihnachten kam nämlich dazwischen. Das ist nämlich alljährlich Anlass für meinen Vater unsere Kunden zu besuchen und sie für das kommende Jahr gnädig zu stimmen. Und wie es der Zufall so wollte, lag ein Termin exakt auf dem Tag, an dessen Abend Bastian Sick über die Tücken der deutsche Sprache referieren wollte. Meine Vermutung, dass dieser Termin verschoben worden wäre, hätten wir Champions-League-Karten für die Allianz-Arena besorgt, sei nur am Rande erwähnt, Fakt war, dass ich zwei Karten hatte und nun schauen musste, was ich damit anstelle.

Da ich das Buch von Bastian Sick mit Freude gelesen habe, stand für mich fest, dass ich eine der Karten selbst nutzen würde und meine Schwester war erste Wahl als Begleitung, schließlich sollte sie ursprünglich die Hälfte des Geschenks bezahlen. Sie konnte aber nicht. FrauDoktor wäre wohl auch mitgekommen, obwohl sie immer in Frage stellt, ob mich noch jemand leiden kann, wo ich doch alle und jeden dauernd korrigieren müsse (als sei das mein Fehler) und diese Schau mich darin wohl noch bestärken würde, aber sie konnte nicht. Also habe ich einen meiner beiden Busenfreunde angerufen. Er konnte nicht. Der Andere (eben jener, der mir auch die Karten besorgt hatte) konnte auch nicht. Dessen Freund und in diesem Falle einer meiner Bekannten ist Deutschlehrer und wohnt ebenfalls in Freiburg. Na, also, wenn der nicht mitkommt, wer dann? Genau, wer dann. Er konnte nämlich auch nicht. Selbst auf dem Board wurde ich zunächst nicht fündig, weil Supernature ebenfalls nicht konnte.

Dann hatte ich noch eine Idee und legte für mich fest, dass ich eben alleine gehen würde, wenn das auch nicht klappen sollte. Ich rief bei t_matze an und wollte ihn fragen, ob er mich begleiten wolle, er wohnt nämlich auch in Freiburg. Aber nicht nur er, sondern auch seine Frau little_bird, die ich dann auch am Apparat hatte. "Hallo, ich wollte Deinen Mann fragen, ob er mich begleitet. Aber falls Du schon weißt, dass er übermorgen eh arbeiten muss, dann versuche ich erst gar nicht ihn an seiner Arbeitsstelle zu erreichen!" Darauf antwortete sie: "Ich weiß, dass er nichts vorhat, das ist nämlich unser einziger gemeinsamer Abend!". Ich wollte mich schon deprimiert verabschieden, aber es zeigte sich, dass die geplanten gemeinsamen Aktivitäten rechtzeitig beendet sein würden und er mich dann doch begleiten könnte. Ich rief ihn an, er rief mich zurück und sagte zu.
 
Die große Bastian Sick Show

Bastian Sick schreibt für Spiegel Online Kolumnen, die sich mit der deutschen Sprache bzw. unseren Umgang mit ihr befassen. Da er sich dabei nicht der typisch trockenen Lehrbuchsprache bedient, sondern vermag dem Leser seine lehrreichen Hinweise in unterhaltsamer Weise nahe zu bringen, erfreuen sich seine Texte großer Beliebtheit. Einer so großen Beliebtheit, dass er die Kolumnen in mittlerweile schon drei Büchern zusammengefasst hat. Und weil das mit der Beliebtheit überhaupt kein Ende nehmen wollte, ging er mit seinen Texten auf Tour und lockerte sie durch ein paar Bilder und zusätzliche Kommentare auf.

t_matze und ich fanden uns im Freiburger Konzerthaus in einem sehr gemischten wieder. Männer und Frauen hielten sich ungefähr die Waage, ebenso jung und alt. Vertreter bestimmter klischeebehafteter Gruppen indes waren nicht anwesend oder gut getarnt. Zumindest sind mir weder Bildzeitungen, Mallorca-Prospekte, Badeschlappen noch Baggypants aufgefallen. Alles in allem also ein Publikum das man bei einer solchen Veranstaltung erwarten sollte, leider aber nicht das Publikum, das in besonderem Maße davon profitieren könnte.

Bastian Sick ist kein Entertainer. Es mag bösartig klingen, aber seine Art locker auf der Bühne zu stehen erinnerte mich an Anke Engelke bei der Parodie auf Rickys Popsofa. Sicks frei gesprochenen Kommentare sind zwar stellenweise heiter, klingen aber nicht nach freier Rede und enthalten einige Fehler und ähs. Und wenn sich einer keine Fehler erlauben darf, dann er. Das ist zwar ungerecht aber schließlich muss man bei ihm ja auch höhere Maßstäbe ansetzen. Während des Programms wechselt Sick zwischen einem Barhocker auf der linken Seite der Bühne, einem Schreibtisch auf der rechten Seite und einer freien Position in der Mitte der Bühne hin und her. Am witzigsten ist er allerdings am Schreibtisch, weil er dort vorliest und somit den gehobenen Ansprüchen in vollem Umfang gerecht wird.

Zwischen seinen Kolumnen zeigt er auf einer Leinwand Fotos von Verbrechen an der deutschen Sprache, deren Ahndung, übertragen auf herkömmliche Straftaten, sicherlich zur Feststellung der besonderen Schwere der Schuld geführt hätten, die die vorzeitige Entlassung aus der Haft verhindern. Da findet sich statt des bekannten Cordon Bleu der bislang unbekannte Gordon Blue, man sieht ein günstiges Angebot für haut strafende Lotion oder den Hinweis auf den Waschsalong um die Ecke. Ein besonderer Dorn im Auge Sicks ist der Apostroph, dessen missbräuchliche Verwendung in ihrer vollen Brutalität in Bildern dargestellt wurde und dem Publikum neben schallendem Gelächter auch mehrfach echte Schmerzensschreie entlockte. Sei es "Corina,s Fitness-Studio", "Zweite Ausfahrt recht's" oder "Armins's Bauernshof".

Natürlich gibt es inzwischen auch ein Spiel zum Thema und der arme Bastian Sick wurde von seinem Verlag dazu gezwungen es auch uns vorzustellen. Ein Frage-und-Antwortspiel, das er sogleich auch an uns ausprobierte. Mit teilweise erstaunlichem Ergebnis. Bei der einen oder anderen Frage tendierten wir nämlich mehrheitlich auf eine falsche Antwort. Eine der gestellten Fragen lautete in etwa so: Erscheint eine Zeitung die alle 14 Tage auf den Markt kommt 14-täglich oder 14-tägig? Na? Genau 14-täglich, 14-tägig bedeutete nämlich, sie würde nach 14 Tagen wieder eingezogen, weil die Endung -ig auf einen Zeitraum und -lich auf ein Intervall hinweist.

Bastian Sick ist kein Entertainer und ob er jemals einer wird, interessiert niemanden. Seine Texte sind sowohl unterhaltsam als auch lehrreich und deshalb hatte ich einen riesen Spaß an der Veranstaltung. Dem Applaus zufolge empfand das restliche Publikum ähnlich. Wer also Spaß an der deutschen Sprache und Gelegenheit hat, die große Bastian Sick Show anzusehen, dem sei sie wärmstens empfohlen.
 
Nachtrag

Nachdem t_matze und ich den Saal verlassen hatten und vor dem Konzerthaus standen, überlegten wir uns, ob wir uns eine halbe Stunde vor dem Kassenautomaten anstellen sollten (offensichtlich war jeder einzelne Besucher mit dem Auto da) oder doch lieber ein verspätetes (23:15) Abendessen im Schnellrestaurant gegenüber einnehmen sollten. Sagte ich Schnellrestaurant? Eine Fehleinschätzung, wie sich herausstellte. Und nicht die einzige, wie sich ebenfalls herausstellte. Es hatten sich nämlich nicht alle Besucher am Kassenautomat angestellt, ein Teil davon hatte nämlich die selbe Idee wie wir und standen dann eben in der Schlange vor der Kasse. Singular, wohlgemerkt, es war nämlich nur eine davon besetzt. Entsprechend langsam klappte das auch mit dem Fastfood.

Nach dem Essen musste ich ja auch noch die 80 km nach Hause fahren und kam somit erst gegen 1:00 nachts an. Geistesgegenwärtig schaute ich auf den Stundenplan meines Sohnes und stellte fest, dass er erst um 8:40 Schule hatte. In der ersten Stunde stand zwar "Mathe Stütz", aber ich wusste, dass er dort nicht hinmusste, schließlich war seine schlechteste Note in Mathe bisher eine 2 (ein Ergebnis das mir nur äußerst selten vergönnt war). Außerdem wusste ich, dass meine Frau am nächsten Tag frei hatte. Bei mir kommt es beim Arbeitsbeginn nicht auf die Minute an, also stellte ich den Wecker großzügig von 6:25 auf 7:10.

Wenige Stunden später klingelte der Wecker wie erwartet. Warum auch immer fragte ich dennoch meine Frau: "rahkshi hat erst zur Zweiten, oder?" "Nee, 7:50, er macht den 1x1-Führerschein (was immer das auch sein mag), wieso?" Weil ich den Wecker auf später gestellt habe, weil ich so spät heimkam und Du doch heute frei hast." " Aber ich hab doch eine Schulung und muss um 8:00 bei der Arbeit sein!"

Wäre meine Frau wie ich, hätte mich dieser kleine Faux-pas nicht weiter gestört. Aber erstens ist sie ein Morgenmuffel und zweitens braucht sie morgens nicht nur ihre Zeit im Bad sondern auch unbedingt ihren Kaffee. Dazu kommt noch die Zeit, die sie benötigt um unseren Sohn fertig zu machen und ihm ein Vesper einzupacken. Zieht man diese Zeiten von 8:00 ab und rechnet man dann auch noch die Fahrtzeit ab, dann ergibt sich eine Soll-Weckzeit von 6:25. Um die Katastrophe in Grenzen zu halten, weckte ich unseren Sohn, legte ihm Klamotten hin, bereitete sein Vesper zu, machte einen Kaffee und ein Brot für meine Frau, verhinderte, dass mein Sohn mit seiner chronisch guten Laune das Bad betreten konnte, bevor meine Frau es wieder verlassen hatte und verließ dann mit den beiden und leicht erhöhter Körpertemperatur um 7:48 die Wohnung.

Später am Vormittag erfuhr ich dann noch, dass mein Freiburger Busenfreund zwar gesagt hatte, er müsse am Tag der Veranstaltung arbeiten. Aber ausnahmsweise tagsüber und nicht wie von mir vermutet am Abend. Also hätte er mich begleiten und mir einen großen Teil der Begleitungssuche ersparen können.

Es war ein hoher Preis den ich für die große Bastian Sick Schau zu zahlen hatte, aber es hat sich gelohnt :)
 
Vielen Dank für den Bericht - wie es der Zufall so will, habe ich mir nämlich gestern gerade ein Ticket für Bastian Sick hier in Lüneburg (im "Vamos") bestellt und werde am 13.12. mit ein paar Freunden hingehen (y)
 
Viel Spaß dabei! Wenn Du daran denkst, könntest Du Dir bitte etwas notieren. Auf einem der Bilder wollte jemand auf einer Hinweistafel "Schweinsmedaillon" schreiben und hat eine haarsträubende Buchstabenkombination gewählt. Mir fällt's aber nicht mehr ein und ich würd's doch so gern weiter erzählen. :)
 
chmul schrieb:
Die große Bastian Sick Show
Natürlich gibt es inzwischen auch ein Spiel zum Thema und der arme Bastian Sick wurde von seinem Verlag dazu gezwungen es auch uns vorzustellen. Ein Frage-und-Antwortspiel, das er sogleich auch an uns ausprobierte. Mit teilweise erstaunlichem Ergebnis.

Ich "liebe" diesen Sick :) und Zwiebeln und Fische!!!

-und bin vor kurzem bei einem Besuch der "Spielemesse" in Essen genau über dieses erwähnte Spiel gestolpert

- habe es käuflich erworben

- und ich kann es jedem empfehlen, der auf vergnügliche Weise mit Freunden, Familie und Artverwandten seinen Wissensstand im Bezug zur deutschen Sprache und der vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten erkunden möchte
 
KOENICH schrieb:
Vielen Dank für den Bericht - wie es der Zufall so will, habe ich mir nämlich gestern gerade ein Ticket für Bastian Sick hier in Lüneburg (im "Vamos") bestellt und werde am 13.12. mit ein paar Freunden hingehen (y)

Ja und? Wie fandest Du es?
 
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