Diverse Lustige Weihnachtsgeschichten für Euch zum Lesen und ausdrucken

RollerChris

R.I.P.
Der kleine Flori und der Nikolaus
Der kleine Flori war vom ersten Schultag an ein ganz schlimmer Schlamper. Dauernd ließ er irgend etwas im Schulzimmer liegen, die Mütze oder seine Handschuhe, die Fibel, das Rechenbuch, die Tafel, ein Heft oder das Federmäppchen. Ja, manchmal vergaß er sogar alles miteinander und lief mit leerem Schulranzen heim. Und es kam noch schlimmer: Eines Nachmittags nämlich, als Flori die vergessene Fibel holen wollte, lag sie nicht mehr auf seiner Bank; Flori suchte und suchte, aber die Fibel war wie weggeblasen. Am nächsten Tag konnte Flori das Rechenbuch nicht finden, am übernächsten Tag war die Tafel fort. Das war kurz vor dem Nikolaustag, und die Mutter meinte: „Ich glaube, diesmal bringt der Nikolaus höchstens eine Rute.
Aber das glaubte der kleine Flori auf keinen Fall. In den vergangenen Jahren war der heilige Nikolaus immer nett zu ihm gewesen, obwohl er schon damals herumgetrödelt und nie aufgeräumt hatte. Sicher würde der Nikolaus auch in diesem Jahr nichts von der Schlamperei gemerkt haben und wieder die guten Mandellebkuchen mitbringen, die Flori so gerne aß und die nur der Nikolaus hatte.
Ja, und dann kam er, der Nikolaus! Er pochte laut an der Tür und stapfte herein in seinem roten Mantel und mit der Bischofsmütze aus Gold. Auch einen vollen Sack hatte er dabei, an welcher Stelle wohl die Lebkuchen für ihn stecken mochten. Aber der Nikolaus machte gar keine Anstalten, Lebkuchen aus dem Sack zu holen. Er schaute den Flori mit gerunzelter Stirn an, so streng wie er noch nie ausgesehen hatte.
„Warst du auch brav, Flori?“
„Ja“, sagte Flori schnell, obwohl er natürlich genau wußte, daß das nicht ganz stimmte.
„So, so“, brummte der Nikolaus, „brav warst du? Und immer recht ordentlich? Und du hast nie etwas verschlampt oder vertrödelt?“
O weh! Jetzt sagte der kleine Flori gar nichts mehr. Ob der Nikolaus doch etwas wußte? Floris Herz fing laut zu klopfen an
„Was meinst du wohl, was ich dir mitgebracht habe?“ fragte der Nikolaus und griff nach seinem Sack.
„Ma-Ma-Mandellebkuchen“, stotterte Flori.
Aber der Nikolaus schüttelte seinen Kopf.
„Für Mandellebkuchen war im Sack kein Platz mehr“, sagte er, „weil ich doch so viele andere Dinge für dich einpacken mußte. Hier, dies zum Beispiel...“ Und was holte er aus dem Sack? Die Fibel!
„Und dies...“ Das Rechenbuch!
„Und das...“ „Und das...“ Die Tafel, Floris Pudelmütze, den linken Handschuh, die Bastelschere, drei Bleistifte, eine Schachtel Malkreide - eins nach dem anderen holte der Nikolaus hervor. Nur kein Paket Mandellebkuchen, nicht einmal ein einiges Stück!
„Also dann bis zum nächsten Jahr, kleiner Flori“, meinte der Nikolaus freundlich. „Und wenn ich dann nicht soviel Trödelkram für dich mitbringen muß, hab' ich auch sicher Platz für Lebkuchen.“
Und er stapfte wieder aus der Stube hinaus.
Ja, da stand er, der Flori, und hatte nichts, überhaupt nichts vom Nikolaus bekommen! Eigentlich ist das eine traurige Geschichte.
Aber zum Glück geht sie gut aus! Weil nämlich der heilige Nikolaus wirklich von Herzen gütig ist und weil sich der kleine Flori von diesem Tag an große Mühe gab und fast gar nichts mehr verschlampte, lag in der Woche vor Weihnachten auf einmal eine bunte Schachtel im Briefkasten. „An den kleinen Flori“ stand darauf.
Ihr könnt euch vielleicht schon denken, was sie enthielt! In der Schachtel waren die guten Mandellebkuchen, wie sie nur der Nikolaus hat!
 
Das Weihnachtsgeschenk

Ihr ganzes Vermögen war 1 Dollar, 87 Cent, davon 60 Cent in Pennystücken. Alles mühsam zusammengekratzt und gespart. Und morgen war Weihnachten. Nichts blieb übrig, als sich auf die kleine, schäbige Couch zu werfen und zu heulen. Das tat Della denn auch, und es beweist uns, daß sich das Leben eigentlich aus Schluchzen, Seufzen und Lächeln zusammensetzt, wobei das Seufzen unbedingt vorherrscht. Inzwischen betrachten wir das Heim etwas näher. Es ist eine kleine möblierte Wohnung zu acht Dollar in der Woche. Sie sieht nicht gerade armselig aus, ist davon aber auch nicht allzuweit entfernt. Unten im Hausflur hängt ein Briefkasten, in den niemals Briefe geworfen werden; daneben steckt der Knopf einer elektrischen Klingel, der kaum jemand je einen Ton abschmeichelt. Weiter befindet sich dort auch eine Karte, die den Namen "Mr. James Dillingham Young" trägt. Dieses "Dillingham" war während einer Zeit vorübergehen den Wohlstandes ins Leben gerufen worden, als sein Besitzer dreißig Dollar in der Woche verdiente. Jetzt, da das Einkommen auf zwanzig Dollar zusammengeschrumpft ist, muten die Buchstaben von "Dillingham" etwas verschwommen an, als ob sie ernstlich beabsichtigten, sich zu einem bescheidenen anspruchslosen "D" zusammenzuziehen. Wenn aber Mr. J.D.Y. jeweils seine Etage erreichte, so wurde er "Jim" gerufen und von Frau J.D.Y., uns bereits als Della bekannt, zärtlich umarmt, womit das Buchstabenproblem unwichtig wurde. Somit ist alles in bester Ordnung.
Della hörte zu weinen auf und tröstete ihre Wangen mit der Puderquaste. Sie stand am Fenster und schaute bedrückt einer grauen Katze zu, die im grauen Hinterhof über einen grauen Zaun balancierte. Morgen war Weihnachten, und sie hatte nur das wenige Geld, um Jim ein Geschenk zu kaufen.
Im Zimmer hing zwischen den Fenstern ein Spiegel. Wie hingewirbelt stand Della plötzlich mit hell leuchtenden Augen vor ihm. Rasch löste sie ihr Haar und ließ es in seiner ganzen Länge fallen.
Im Besitze der J.D.Y.s gab es zwei Dinge, in die sie ihren ganzen Stolz setzten. Das eine war Jims goldene Uhr, die vor ihm seinem Vater und seinem Großvater gehört hatte. Das andere war Dellas Haar. Hätte in der Wohnung jenseits des Hofes die Königin von Saba gewohnt, Della hätte ihr Haar zum Trocknen aus dem Fenster gehängt, einzig und allein, um die Juwelen und Schmuckstücke ihrer Majestät wertlos erscheinen zu hassen. Und wäre König Salomon mit all seinen aufgestapelten Schätzen selbst Concierge des Hauses gewesen, Jim hätte jedesmal beim Vorbeigehen seine Uhr gezückt, um zu sehen, wie König Salomon sich vor Neid den Bart ausrupfte.
So fiel Dellas Haar wie ein goldener Wasserfall glänzend und sich kräuselnd an ihr herab. Es reichte ihr bis unter die Knie und formte beinahe einen Mantel. Mit nervösen Fingern steckte sie es rasch wieder auf. Einmal zögerte sie einen Augenblick. Zwei Tränen fielen auf den abgetragenen roten Teppich. Sie schlüpfte in die alte braune Jacke, setzte den alten braunen Hut uf und huschte, immer noch das glänzende Leuchten in den Augen, zur Tür hinaus, die Treppen hinunter und durch die Straße. Sie stand erst still, als sie bei einem Schild anlangte, auf dem zu lesen war: "Mme. Sofronie, An- und Verkauf von Haar aller Art." In einem Satz rannte Della ein Stockwerk hinauf; keuchend hielt sie an und faßte sich. Madame, groß, massig, zu weiß gepudert, sehr kühl, sah kaum aus, als wäre sie "Sofronie".
"Kaufen Sie mein Haar?" fragte Della. "Ich kaufe Haar", sagte Madame. "Nehmen Sie den Hut ab und zeigen Sie, was Sie haben." Herunter rieselte der braune Wasserfall. "20 Dollar", mit geübter Hand wog Madame die Masse.
"Geben Sie es, rasch", sagte Della. Oh, und die zwei folgenden Stunden vergingen wie auf rosigen Schwingen. Vergessen war die zermürbende Vorstellung der fehlenden Haare. Sie durchstöberte die Läden auf der Suche nach Jims Geschenk. Endlich fand sie es. Sicher war es für Jim und niemand anders gemacht. Nichts kam ihm gleich in keinem der Läden. Es war eine Platin-Uhrenkette, einfach und geschmackvoll in Form und Zeichnung. Sie war es sogar wert, die Uhr zu ketten. Sobald Della die Kette sah, wußte sie, daß sie Jim gehören mußte. Sie war wie er. Einundzwanzig Dollar nahmen sie ihr dafür ab, und mit den 87 Cent eilte sie heim. Mit dieser Kette au seiner Uhr durfte Jim in jeder Gesellschaft so eifrig, wie er wollte, nach der Zeit sehen. So schön die Uhr war, schaute er nämlich manchmal scheu darauf, weil das alte Lederband, das er an Stelle einer Kette benützte, so schäbig war.
Als Della zu Hause ankam, ließ ihr Taumel nach, und sie wurde etwas vernünftig. Sie holte ihre Brennschere heraus, zündete das Gas an und machte sich daran, die Verheerung, die Großmütigkeit zusammen mit Liebe angerichtet hatte, wieder gut zu machen, was immer eine Riesenarbeit ist, liebe Freunde - eine Mammutaufgabe.
Nach vierzig Minuten war ihr Kopf mit kleinen, nahe beisammenliegenden Löckchen bedeckt, die ihr ganz das Aussehen eines Lausbuben gaben. Lange schaute sie ihr Bild an, das der Spiegel zurückwarf, kritisch und sorgfältig. "Wenn Jim mich nicht tötet", sagte sie zu sich selbst, "bevor er mich ein zweites Mal anschaut, so wird er sagen, ich sehe aus wie ein Chormädchen von Coney Island. Aber was konnte ich tun - oh, was konnte ich tun mit i Dollar und 87 Cent?"
Um sieben Uhr war der Kaffee gemacht, und die heiße Bratpfanne stand hinten auf dem Ofen, bereit, die Koteletts aufzunehmen, die darin gebraten werden sollten.
Jim kam nie spät. Della nahm die Kette in die Hand und setzte sich auf den Tisch bei der Türe, durch die er immer hereinkam. Dann hörte sie entfernt seinen Schritt im ersten Stockwerk, und für einen Augenblick wurde sie ganz weiß. Sie hatte die Gewohnheit, im stillen kleine Gebete für die einfachsten Alltagsdinge zu sagen, und sie flüsterte vor sich hin: "Lieber Gott, mach, daß er denkt, ich sei immer noch hübsch."
Die Tür öffnete sich. Jim kam herein und schloß sie. Er war mager und hatte ein sehr ernstes Aussehen. Armer Kerl, erst zweiundzwanzig und schon mit einer Familie beladen. Er hätte dringend einen neuen Mantel gebraucht und hatte keine Handschuhe. - Jim blieb an der Tür stehen so unbeweglich wie ein Jagdhund, der eine Fährte wittert. Seine Augen waren auf Della gerichtet und hatten einen Ausdruck, den sie nicht deuten konnte und der sie erschreckte. Es war nicht Ärger. Della sprang vom Tisch herunter und lief auf ihn zu.
"Jim, Lieber", rief sie weinend, "schau mich nicht so an. Ich ließ mein Haar abschneiden und verkaufte es, weil ich es nicht ausgehalten hätte, ohne dir ein Geschenk zu Weihnachten zu geben. Es wird wieder nachwachsen. Du bist nicht böse, nicht wahr? Ich mußte es einfach tun. Mein Haar wächst unheimlich schnell. Sag >Fröhliche Weihnachten<, Jim, und laß uns glücklich sein. Du weißt ja gar nicht, welch schönes - wunderbar schönes Geschenk ich für dich habe."
"Dein Haar hast du abgeschnitten?" fragte Jim mühsam, als hätte er selbst mit der strengsten geistigen Arbeit diese offensichtliche Tatsache noch nicht erfaßt.
"Abgeschnitten und verkauft", sagte Della. "Verkauft ist es, sag' ich dir, verkauft und fort. Heute ist doch Heiliger Abend, du. Sei lieb, es ist doch für dich. Sei lieb, ich gab es ja für dich weg. Es kann ja sein, daß die Haare auf meinem Kopf gezählt waren", fuhr sie mit plötzlicher, ernsthafter Verliebtheit weiter, "aber niemand könnte je meine Liebe zu dir zählen. Soll ich jetzt die Koteletts auflegen, Jim?"
Nun schien Jim rasch aus seinem Trancezustand zu erwachen. Er nahm Della in seine Arme. Für zehn Sekunden wollen wir mit diskreter Genauigkeit irgendeinen belanglosen Gegenstand in entgegengesetzter Richtung eingehend betrachten. Acht Dollar in der Woche oder eine Million im Jahr - was ist der Unterschied? Ein Witzbold und ein Mathematiker würden uns beide eine falsche Antwort geben. Indessen zog Jim ein Päckchen aus seiner Manteltasche und warf es auf den Tisch.
"Du mußt dir über mich nichts Falsches vorstellen, Della", sagte er. "Ich glaube, da gäbe es kein Haarschneiden, Dauerwellen oder Waschen in der Welt, das mich dazu brächte, mein Frauchen weniger zu lieben. Aber wenn du das Paket da auspackst, wirst du sehen, warum ich mich zuerst eine Weile nicht erholen konnte."
Weiße Finger zogen an der Schnur, rissen am Papier. Ein begeisterter Freudenschrei. Und dann - o weh ein rascher, echt weiblicher Wechsel zu strömenden Tränen und lauten Klagen erforderte die Anwendung sämtlicher tröstender Kräfte und Einfälle des Herrn des Hauses. Denn da lagen sie, die Kämme - die Garnitur von Kämmen, seitlich und rückwärts einzustecken, die Della so ange im Schaufenster einer Hauptstraße bewundert hatte. Fabelhafte Kämme, echtes Schildpatt, mit echten Steinen besetzt - gerade in den Farbtönen, die in dem wundervoll verschwundenen Haar so schön gespielt hätten. Es waren teure Kämme. Sie wußte es. Mit ganzem Herzen hatte sie diese Wunder begehrt. Und jetzt gehörten sie ihr, aber die Zöpfe, die mit diesen begehrenswerten Schmuckstücken hätten geziert werden sollen, waren fort.
Trotzdem drückte sie sie an ihr Herz, und endlich konnte sie auch mit verschleierten Augen aufsehen und lächelnd sagen: "Mein Haar wächst ja so schnell, Jim!"
Und dann sprang Della auf wie eine kleine Katze, die sich gebrannt hat, indem sie immerzu "Oh, oh" rief. Jim hatte ja sein wunderschönes Geschenk noch nicht gesehen. Sie hielt es ihm auf der offenen Hand eifrig entgegen. Das wertvolle, matt glänzende Metall schien ihre heitere und feurige Seele widerzuspiegeln.
"Ist es nicht großartig - das einzig Wahre? Ich habe danach gejagt, bis ich es fand. Du wirst jetzt jeden Tag hundertmal sehen müssen, wieviel Uhr es ist. Gib mir deine Uhr, ich muß sehen, wie die Kette daran aussieht."
Anstatt zu gehorchen, machte es sich Jim auf der Couch bequem, legte die Hände hinter den Kopf und lächelte.
"Dell", sagte er, "wir wollen unsere Weihnachtsgeschenke noch für einige Zeit aufbewahren, sie sind zu schön, als daß wir sie jetzt gebrauchen könnten. Denke, ich habe die Uhr verkauft, um das Geld für deine Kämme zu erhalten. Und jetzt, glaub' ich, ist es das beste, du stellst die Koteletts auf"
 
Der Christbaumständer

Beim Aufräumen des Dachbodens - ein paar Wochen vor Weihnachten -entdeckte ein Familienvater in einer Ecke einen ganz verstaubten, uralten Weihnachtsbaumständer. Es war ein besonderer Ständer mit einem Drehmechanismus und einer eingebauten Spielwalze. Beim vorsichtigen Drehen konnte man das Lied „O du fröhliche“ erkennen. Das musste der Christbaumständer sein, von dem Großmutter immer erzählte, wenn die Weihnachtszeit herankam. Das Ding sah zwar fürchterlich aus, doch da kam ihm ein wunderbarer Gedanke. Wie würde sich Großmutter freuen, wenn sie am Heiligabend vor dem Baum säße und dieser sich auf einmal wie in uralter Zeit zu drehen begänne und dazu „O du fröhliche“ spielte. Nicht nur Großmutter, die ganze Familie würde staunen.
Es gelang ihm, mit dem antiken Stück ungesehen in seinen Bastelraum zu verschwinden. Gut gereinigt, eine neue Feder, dann müsste der Mechanismus wieder funktionieren, überlegte er. Abends zog er sich jetzt geheimnisvoll in seinen Hobbyraum zurück, verriegelte die Tür und werkelte. Auf neugierige Fragen antwortete er immer nur „Weihnachtsüberraschung“. Kurz vor Weihnachten hatte er es geschafft. Wie neu sah der Ständer aus, nachdem er auch noch einen Anstrich erhalten hatte.
Jetzt aber gleich los und einen prächtigen Christbaum besorgen, dachte er. Mindestens zwei Meter sollte der messen. Mit einem wirklich schön gewachsenen Exemplar verschwand Vater dann in seinem Hobbyraum, wo er auch gleich einen Probelauf startete. Es funktionierte alles bestens. Würde Großmutter Augen machen!
Endlich war Heiligabend. „Den Baum schmücke ich alleine“, tönte Vater. So aufgeregt war er lange nicht mehr. Echte Kerzen hatte er besorgt, alles sollte stimmen. „Die werden Augen machen“, sagte er bei jeder Kugel, die er in den Baum hing. Vater hatte wirklich an alles gedacht. Der Stern von Bethlehem saß oben auf der Spitze, bunte Kugeln, Naschwerk und Wunderkerzen waren untergebracht, Engelhaar und Lametta dekorativ aufgehängt. Die Feier konnte beginnen.
Vater schleppte für Großmutter den großen Ohrensessel herbei. Feierlich wurde sie geholt und zu ihrem Ehrenplatz geleitet. Die Stühle hatte er in einem Halbkreis um den Tannenbaum gruppiert. Die Eltern setzten sich rechts und links von Großmutter, die Kinder nahmen außen Platz. Jetzt kam Vaters großer Auftritt. Bedächtig zündete er Kerze für Kerze an, dann noch die Wunderkerzen. „Und jetzt kommt die große Überraschung“, verkündete er, löste die Sperre am Ständer und nahm ganz schnell seinen Platz ein.
Langsam drehte sich der Weihnachtsbaum, hell spielte die Musikwalze „O du fröhliche“. War das eine Freude! Die Kinder klatschten vergnügt in die Hände. Oma hatte Tränen der Rührung in den Augen. Immer wieder sagte sie: „Wenn Großvater das noch erleben könnte, dass ich das noch erleben darf.“ Mutter war stumm vor Staunen.
Eine ganze Weile schaute die Familie beglückt und stumm auf den sich im Festgewand drehenden Weihnachtsbaum, als ein schnarrendes Geräusch sie jäh aus ihrer Versunkenheit riss. Ein Zittern durchlief den Baum, die bunten Kugeln klirrten wie Glöckchen. Der Baum fing an, sich wie verrückt zu drehen. Die Musikwalze hämmerte los. Es hörte sich an, als wollte „O du fröhliche“ sich selbst überholen. Mutter rief mit überschnappender Stimme: „So tu doch etwas!“ Vater saß wie versteinert, was den Baum nicht davon abhielt, seine Geschwindigkeit zu steigern. Er drehte sich so rasant, dass die Flammen hinter ihren Kerzen herwehten. Großmutter bekreuzigte sich und betete. Dann murmelte sie: „Wenn das Großvater noch erlebt hätte.“
Als Erstes löste sich der Stern von Bethlehem, sauste wie ein Komet durch das Zimmer, klatschte gegen den Türrahmen und fiel dann auf Felix, den Dackel, der dort ein Nickerchen hielt. Der arme Hund flitzte wie von der Tarantel gestochen aus dem Zimmer in die Küche, wo man von ihm nur noch die Nase und ein Auge um die Ecke schielen sah. Lametta und Engelhaar hatten sich erhoben und schwebten wie ein Kettenkarussell am Weihnachtsbaum. Vater gab das Kommando „Alles in Deckung!“ Ein Rauschgoldengel trudelte losgelöst durchs Zimmer, nicht wissend, was er mit seiner plötzlichen Freiheit anfangen sollte. Weihnachtskugeln, gefüllter Schokoladenschmuck und andere Anhängsel sausten wie Geschosse durch das Zimmer und platzten beim Aufschlagen auseinander.
Die Kinder hatten hinter Großmutters Sessel Schutz gefunden. Vater und Mutter lagen flach auf dem Bauch, den Kopf mit den Armen schützend. Mutter jammerte in den Teppich hinein: „Alles umsonst, die viele Arbeit, alles umsonst!“ Vater war das alles sehr peinlich. Oma saß immer noch auf ihrem Logenplatz, wie erstarrt, von oben bis unten mit Engelhaar und Lametta geschmückt. Ihr kam Großvater in den Sinn, als dieser 14-18 in den Ardennen in feindlichem Artilleriefeuer gelegen hatte. Genau so musste es gewesen sein. Als gefüllter Schokoladenbaumschmuck an ihrem Kopf explodierte, registrierte sie trocken „Kirschwasser“ und murmelte: „Wenn Großvater das noch erlebt hätte!“ Zu allem jaulte die Musikwalze im Schlupfakkord „O du fröhliche“, bis mit einem ächzenden Ton der Ständer seinen Geist aufgab.
Durch den plötzlichen Stopp neigte sich der Christbaum in Zeitlupe, fiel aufs kalte Buffet, die letzten Nadeln von sich gebend. Totenstille! Großmutter, geschmückt wie nach einer New Yorker Konfettiparade, erhob sich schweigend. Kopfschüttelnd begab sie sich, eine Lamettagirlande wie eine Schleppe tragend, auf ihr Zimmer. In der Tür stehend sagte sie: „Wie gut, dass Großvater das nicht erlebt hat!“
Mutter, völlig aufgelöst zu Vater: „Wenn ich mir diese Bescherung ansehe, dann ist deine große Überraschung wirklich gelungen.“ Andreas meinte: „Du, Papi, das war echt stark! Machen wir das jetzt Weihnachten immer so?“
 
DWB (Dienstweihnachtsbaum)-Verordnung für Beamte ...

Begriff
Ein Dienstweihnachtsbaum (DWB) ist ein Weihnachtsbaum natürlichen Ursprungs oder einem natürlichen Weihnachtsbaum nachgebildeter Weihnachtsbaum, der zur Weihnachtszeit in Diensträumen aufgestellt wird.

Aufstellen der Weihnachtsbäume
Ein Dienstweihnachtsbaum (DWB) darf nur von sachkundigen Personen nach Anweisung des unmittelbaren Vorgesetzten aufgestellt werden. Dieser hat darauf zu achten, dass

-
der DWB (Dienstweihnachtsbaum) mit seinem unteren der Spitze entgegengesetzten Ende in einen zur Aufnahme von Baumenden geeigneten Halter eingebracht und befestigt wird
-
der DWB in der Haltevorrichtung derart verkeilt wird, dass er senkrecht steht
-
im Umfallbereich des DWB keine zerbrechlichen oder durch umfallende DWB in ihrer Funktion zu beeinträchtigende Anlagen vorhanden sind



Behandeln der Beleuchtung
Der DWB ist mit weihnachtlichem Behang nach Maßgabe des Dienststellenleiters zu versehen. Weihnachtsbaumbeleuchtung, deren Flammenwirkung auf dem Verbrennen eines Brennstoffes mit Flammenwirkung beruht (sogenannte Kerzen), dürfen nur Verwendung finden, wenn

- die Bediensteten über die Gefahren von Feuersbrünsten hinreichend unterrichtet sind
- während der Brennzeit der Beleuchtungskörper ein in der Feuerbekämpfung unterwiesener Beamter mit Feuerlöscher bereitsteht.



Aufführen von Krippenspielen
In Dienststellen mit ausreichendem Personal können Krippenspiele unter Leitung eines erfahrenen Vorgesetzten zur Aufführung gelangen. In der Besetzung sind folgende in der Personalplanung vorzusehende Personen notwendig:

- Maria: möglichst weibliche Beamtin oder ähnliche Person
-
- Josef: älterer Beamter mit Bart
Kind: kleinwüchsiger Beamter oder Auszubildender
-
- Esel und Schafe: geeignete Beamte/Beamtin
Heilige Drei Könige: sehr religiöse Beamte.

Absingen von Weihnachtsliedern
Zum Absingen von Weihnachtsliedern stellen sich die Bediensteten unter Anleitung eines Vorgesetzten ganz zwanglos nach Dienstgraden geordnet um den DWB auf. Eventuell vorhandene Weihnachtsgeschenke können bei dieser Gelegenheit durch einen Vorgesetzten in Gestalt eines Weihnachtsmannes an die Untergebenen verteilt werden. Zwar ist bei einer solchen Gelegenheit das Besprechen unerledigter Verfügungen aus dem zu Ende gehenden Arbeitsjahr nicht unbedingt gefordert, jedoch scheint es angebracht, die allgemeine Anwesenheit des Dienstpersonals auch für Dienstgeschäfte zu nutzen.

Vorgenannte Richtlinien der Verordnung sind in geeigneter Weise im entsprechenden Zuständigkeitsbereich bekanntzugeben und einzuhalten.
 
Edle Tannen

Ein authentischer Fall von 1993

Der Mann schaute sich suchend in dem provisorisch hergerichteten Maschendrahtgeviert um, in dem Weihnachtsbäume verschiedenster Art und Größe lagen und lehnten. Fichten neben Silber- und Nordmannstannen, Edel- und Blautannen, sogar ein paar Kiefern waren darunter.
„Was kosten die denn so?“ fragte der Mann den Christbaumverkäufer, der Ohrenschützer trug und sich eine rotweiße Pudelmütze über den Kopf gestreift hatte.
„Kommt drauf an, was Sie haben wollen“, brummte der verdrossen und rieb sich seine blaugefrorenen Hände. „Fichten gibt's ab zehn Mark, Tannen ab 25, Edeltannen ab 40 Mark. Hängt aber von der Größe ab.“
Der andere Mann nickte und schaute interessiert zu den Edeltannen. „Ich habe schon an eine Edeltanne gedacht“, meinte er.
Das Gesicht des Christbaumverkäufers erhellte sich merklich in Erwartung eines anständigen Geschäftes. Der Absatz von teuren Bäumen war bisher eher schleppend gewesen.
Er schlug den Kragen seines grünen Drillkittels hoch, stelzte zu den Edeltannen, nahm eine mittelgroße vom Maschengeflecht und stellte sie hin, wobei er die Zweige zurechtrückte.
„Mmmh“, meinte der Mann, „hübsches Bäumchen. Wie teuer?“
„Sechzig“, sagte der Christbaumverkäufer.
Der Mann zuckte gleichmütig die Schultern. „Na schön. Den nehme ich.“
Während der Baumverkäufer die Edeltanne in einen grünen Plastiknetzstrumpf packte, holte der andere Mann seine Geldbörse heraus, öffnete sie und blätterte im Scheinfach.
„Hier“, meinte er dann, wobei er dem Christbaumverkäufer einen Schein reichte, „kleiner hab' ich's aber leider nicht. Können Sie darauf rausgeben?“
Der Christbaumverkäufer warf einen kurzen Blick auf den 500-Mark-Schein, den der Mann ihm hinhielt, und nickte. „Kein Problem“, sagte er.
Minuten später hatte der Mann mit der Tanne das Geviert verlassen, sie auf das Fahrrad gelegt, mit dem er gekommen war, und verschwand.
Herbert Driesel blieb mißtrauisch stehen, als der ihm entgegenkommende Mann, der ein Fahrrad mit einer Edeltanne darauf schob, ihn ansprach. „Haben Sie schon einen Weihnachtsbaum?“ fragte der Mann.
Driesel schüttelte verdutzt den Kopf. „Nein“, erwiderte er, „aber...“
„Wollen Sie den hier?“ fragte der Mann.
Bevor Driesel darauf antworten konnte, fügte der Mann hinzu: „Ich schenke ihn Ihnen.“
„Na, wenn das so ist“, meinte Driesel erfreut. „Den nehme ich gerne.“
„Fröhliche Weihnachten“, sagte der Mann und ließ die Edeltanne vom Fahrrad gleiten.
Driesel hob sie auf und bedankte sich bei dem großzügigen Spender. „Aber warum machen Sie das eigentlich?“
Der Mann grinste: „Ich bin der Weihnachtsmann.“
Driesel lachte. Bevor er noch etwas sagen oder fragen konnte, hatte der Mann sich auf sein Fahrrad geschwungen und war verschwunden.
„Das ist natürlich für Sie eine schöne Bescherung“, meinte Kommissar Sengdeil mitfühlend zu seinem Gegenüber.
Er deutete auf das Stück Papier, das vor ihm auf dem Schreibtisch lag, und schüttelte den Kopf.
„Bescherung ist gut gesagt“, erwiderte der Christbaumverkäufer im grünen Kittel wütend. „Eine Sch.... ist das sondergleichen!“ Seine Ohrenschützer und die rotweiße Pudelmütze hatte er abgenommen.
Der Mann starrte auf das Papier und biß sich auf die Unterlippe.
„Fünfhundert Mark zum Teufel, und dazu noch der Baum“, knirschte er dann bitter. „Und das nur wegen dieser dämlichen Kassiererin.“
„Tja, die hat nur ihre Pflicht getan“, meinte Sengdeil schulterzuckend. „Der dürfen Sie keinen Vorwurf machen., Herr Paulig. Ich kann Ihren Ärger ja gut verstehen, aber ich sag's Ihnen gerne noch einmal: Kassierer bei Sparkassen und Banken sind dazu verpflichtet, Falschgeld einzuziehen. Die würden sich sogar strafbar machen, wenn sie es nicht täten.“
Der Christbaumverkäufer namens Paulig nickte unwillig.
„Ist zwar kein Trost für Sie“, fuhr Sengdeil fort, „aber Sie sind nicht der einzige, der so geschädigt worden ist.“
„Versteh' ich nicht.“ Paulig schaute den Kriminalbeamten vom Falschgelddezernat verständnislos an.
„Allein in der letzten Woche sind achtzehn solcher Blüten aufgetaucht“, erklärte Sengdeil. Er konnte dabei ein Schmunzeln nicht ganz unterdrücken.
„Achtzehn?“ echote Paulig, um dann zu fragen, als er das Schmunzeln sah: „Was ist denn daran so komisch?“
„Mit allen achtzehn wurden Weihnachtsbäume gekauft, so wie bei Ihnen.“
Pauligs Unterkiefer sackte herunter. „Ist doch nicht möglich“, sagte er dann.
„Oh, doch. Das dürfen Sie mir glauben“, versicherte ihm der Kommissar. „Verstehen Sie jetzt, warum es sehr wichtig wäre, wenn Sie mir eine Beschreibung des Mannes geben könnten, Gesichtsform Haarfarbe, Augenfarbe, Größe, Kleidung und so weiter?“ Er schaute Paulig fragend an.
Der kratzte sich den Kopf. „Eigentlich habe ich ihn mir nicht so genau angesehen. Ein ganz durchschnittlicher Mann. Vielleicht einssiebzig groß, etwas untersetzt, aber nicht dick. Grauhaarig, würde ich sagen. Ja“, meinte er dann, „und er hatte ein rotlackiertes Fahrrad dabei.“
„Das ist nicht viel, aber besser als nichts“, erwiderte Sengdeil. „Es deckt sich übrigens mit dem, was Ihre Kollegen uns erzählt haben. Und sonst“, forschte er dann, „ist Ihnen vielleicht sonst irgendwas aufgefallen?“
Paulig überlegte sichtlich angestrengt. „Nee“, meinte er schließlich. „Was soll mir aufgefallen sein? Oder, warten Sie. Vielleicht war das ja ein Zufall... aber da kam ein Mann mit einer Edeltanne unterm Arm aus der Richtung, in der der Kerl verschwunden war. Ich erinnere mich deshalb daran, weil teure Bäume in diesem Jahr nicht gut laufen.“
Sengdeil grinste. „Paßt genau.“
„Was meinen Sie denn damit?“ wollte Paulig wissen.
„Der Bursche verschenkt die Bäume offensichtlich anschließend“, klärte ihn der Kommissar auf und lachte kurz. „Humor hat er ja. Das muß man ihm lassen. Tut mir leid für Sie, Herr Paulig, aber nochmals danke.“
Der Christbaumverkäufer erhob sich, nahm Ohrenschützer und Pudelmütze, warf einen letzten begehrlich-bekümmerten Blick auf den falschen Fünfhunderter, der auf dem Schreibtisch lag, und verließ das Büro.
Während der mächtige Farbkopierer falsche Fünfhunderter ausspuckte, zählte Schlotteck seine Beute. Säuberlich bündelte er seine Tageseinnahme an Wechselgeld auf dem kleinen Tisch in Hunderter, Fünfziger, Zwanziger und Zehner.
Bei einem Hunderter hielt er inne, befühlte ihn sorgfältiger als die anderen, hob ihn vor die UV-Lampe, betrachtete den Schein und grinste. „Nicht schlecht gemacht“, murmelte er halblaut, legte die Blüte aber beiseite.
Als Schlotteck mit dem Zählen fertig war, lagen 12.310 Mark vor ihm. In echten, gebrauchten Scheinen. „Macht zusammen“, er krauste kurz die Stirn, „34.320. Abzüglich Leasingkosten für den Kopierer“, wieder legte er die Stirn in Falten, „32.320 Märker.“ Er rieb sich die Hände.
Schlotteck stand auf, trat an den Kopierer und nahm den Stapel bedruckten Papiers aus dem Ausgabeschacht. Er schaltete den Kopierer ab und setzte sich wieder an den Tisch, wo er zu einer Schere griff, um mit dem Ausschneiden zu beginnen. „Morgen, Kinder, wird's was geben, summte er dabei.
Um 14 Uhr vergewisserte Sengdeil sich nochmals. „Lametta, hier Weihnachtsblüte. Alles in Position?“ Er lauschte erwartungsvoll. „Lametta 1 in Position, Weihnachtsblüte“, kam es etwas rauschend aus dem Funkgerät. Aus dem Hintergrund war weihnachtliches Stimmgewirr zu hören.
Die nächste Meldung erfolgte sofort darauf: „Lametta 2 in Position, Weihnachtsblüte.“
So ging es weiter. Alles war bereit. Sieben Männer und zwei Frauen hatte Sengdeil postiert. Jetzt blieb nur zu warten und zu hoffen, daß der Bursche auch wirklich kam.
Sengdeil überlegte. In den letzten Tagen hatten sie den Weg des Fälschers fast komplett rekonstruieren können. Die Standplätze der Christbaumverkäufer, bei denen er seine Fünfhunderter-Blüten abgesetzt hatte, lagen zwar wahllos über die ganze Stadt verstreut, aber interessanterweise ergab der Weg des Gauners eine Spirale. Das jedenfalls zeigten die bunten Markierungsnadeln, die auf den Stadtplan gesteckt worden waren.
Der „Weihnachtsmann“, wie sie ihn nannten, hatte in den Außenbezirken angefangen und würde - wenn ihn nicht alles trog - heute, am 23. Dezember, zum großen Finale auf dem Christkindlmarkt auftauchen. 16 Uhr war die übliche Zeit seines Erscheinens gewesen. Zeit der beginnenden Dämmerung.
Die Falsifikate waren von durchschnittlicher Qualität, für geübtes Auge und geübte Hand sofort zu erkennen. Aber in der Weihnachtshektik achtete kaum jemand darauf.
„Hier Lametta 3, Weihnachtsblüte. Nichts Auffälliges“, kam es aus dem Handfunkgerät.
„Verstanden, Lametta 3.“
„Lametta 5, Weihnachtsblüte. Dito“, meldete sich Inga, die am Imbiß neben dem Rathausbrunnen stand.
„Wir warten“, erklärte Sengdeil. Er schaute Krause an, der ihm gegenüber an dem Fenstertisch saß. „Was wettest du, Rudi?“
„Fünfzig, daß er nicht kommt. So blöd wird der nicht sein, Werner“, erwiderte Rudi und legte einen Fünfziger auf den Tisch.
„Hundert, daß er kommt“, entgegnete Sengdeil zuversichtlich. Er holte einen Hunderter heraus.
Krause grinste. „Ich halte mit. Die Wette gilt.“ Er legte noch fünfzig dazu.
Gegen halb acht begannen die ersten Verkäufer, ihre Buden zu schließen. Das Treiben auf dem Markt ließ merklich nach. Keine Spur vom „Weihnachtsmann.“
„Und jetzt, Werner?“ Krause schaute seinen Chef erwartungsvoll an. „Laß uns abbrechen. Der kommt garantiert nicht!“
Kommissar Sengdeil nickte bedächtig, biß sich auf die Unterlippe und strich sich übers Haar. „Okay“, sagte er. „Blasen wir die Aktion ab. Sag denen draußen Bescheid.“
Er schob Krause den Hunderter rüber, der ihn an sich nahm und fast verlegen meinte: „Das tut mir echt leid, Werner.“
„Dir doch nicht, Rudi“, feixte Sengdeil. „Wir treffen uns in einer Stunde im Sprökenstadl.“
„Also feiern willst du trotzdem?“ Krause tat erstaunt.
„Sagen wir, wir begießen die Niederlage angemessen.“
Sengdeil erhob sich, nickte seinem Kollegen zu und verließ das Lokal. „Ich gehe rüber zu Inga.“
Halb erleichtert, halb frustriert seufzte Kriminalassistentin Inga Glowick, als die Mitteilung kam, daß der Einsatz beendet sei. Über sechs Stunden hatte sie in der Kälte gestanden und, wie ihre Kollegen gespannt darauf gewartet, daß der Mann kam.
Werner Sengdeil tat ihr leid. Und natürlich hätte der Erfolg ihnen allen gutgetan. Gerade heute, wo die Weihnachtsfeier anstand. Inga schaute auf die Uhr. Hoffentlich kam Werner schnell, der sie in seinem Wagen mitnehmen wollte. Sie warf einen Blick zu dem Lokal hinüber, von wo aus er mit Rudi den Einsatz geleitet hatte.
Die Eingangstür öffnete sich. Werner trat heraus und ging langsam auf sie zu. Seine Schultern waren gesenkt.
Inga wollte sich in Bewegung setzen, als es hinter ihr klingelte und eine Männerstimme sie fragte. „Verzeihen Sie, aber haben Sie schon einen Weihnachtsbaum?“
Die Kriminalassistentin glaubte ihren Ohren nicht zu trauen und drehte sich ungläubig um. Hinter ihr stand ein ausgemachter Weihnachtsmann mit wallendem Wattebart und Lockenperücke, rotem Mantel und einem Fahrrad.
Das Fahrrad war rot lackiert. Und darauf lag, säuberlich zusammengeschnürt, eine Edeltanne.
„Nein, aber...“, setzte Inga verdutzt an und überlegte fieberhaft.
„Wollen Sie den hier?“ fragte der Weihnachtsmann.
Bevor Inga darauf antworten konnte, fügte der Mann hinzu: „Ich schenke ihn Ihnen.“
„Na, wenn das so ist“, meinte Inga Glowick erfreut, „dann nehme ich ihn gerne.“
Sie griff in die linke Innentasche ihres Parka. „Aber Sie werden doch erlauben“, sagte sie, „daß ich Ihnen als Dank auch eine Freude mache.“
Der Weihnachtsmann stutzte überrascht. „Womit?“
„Damit“, sagte Inga und ließ die Handschellen um den Arm schnappen, mit dem er das Fahrrad führte. „Sie sind verhaftet.“
Der Weihnachtsmann versuchte instinktiv, sich loszureißen. Vergebens.
Sekunden später war Kommissar Sengdeil bei den beiden und nahm ihm Perücke und Bart ab. „Na, sieh einer an, wen haben wir denn da?“ sagte Sengdeil erfreut. „Den Weihnachtsmann!“ Und zu seiner Kollegin gewandt: „Fröhliche Weihnachten, Inga!“
„Fröhliche Weihnachten, Werner!“ sagte sie und lachte. „Aber mit der Feier wird's wohl heute nichts.“
„Wir kommen später nach“, versicherte Sengdeil. „Sag den anderen Bescheid, sie sollen ohne uns anfangen.“ Er durchblätterte das dünne Bündel nagelneuer Banknoten, das er in Schlottecks Weihnachtsmannmanteltasche gefunden hatte. Acht Fünfhunderter. Blüten natürlich.
Als Sengdeil und Inga Glowick kurz nach elf Uhr abends in das Lokal Sprökenstadl kamen, herrschte dort eine Bombenstimmung.
Rudi Krause schüttelte Sengdeil die Hand. „Glüchwunsch, Werner, du hast mal wieder den richtigen Riecher gehabt. Glück für dich, Pech für mich. Hier.“ Er reichte Sengdeil den Hunderter, den dieser ihm gegeben hatte. „Und hier.“ Er gab ihm die zwei Fünfziger.
„Moment mal“, sagte Sengdeil, stutzte und musterte überrascht den Hunderter.
„Was ist?“ wunderte sich Rudi.
„Sieh dir den mal genauer an“, meinte Kommissar Sengdeil trocken.
Rudi stutzte seinerseits, tastete, hielt ihn ins Licht und schüttelte dann den Kopf. „Das darf nicht wahr sein, und sowas passiert ausgerechnet uns!“ sagte er, als er sah, daß es eine Blüte war.
„Gib ihn nach den Feiertagen in der Asservatenkammer ab“, mahnte Sengdeil.
Rudi nickte und wollte sich wieder zu den anderen an den Tisch setzen.
„Moment mal, Rudi“, sagte Sengdeil und hielt die Hand auf. „Du bist mir noch einen Hunderter schuldig.“
„Schlitzohr“, knurrte Rudi.
Dann lachten beide.
 
Weihnachten im Weltall

„Wir empfangen sehr sonderbare Signale von diesem Planeten, Sir“, meldete der Beobachtungsoffizier. „Er scheint von intelligenten Lebewesen bewohnt zu sein. Aber das ist unmöglich, wenn unsere Messungen stimmen.“
„Die stimmen immer, wie Sie wissen“, entgegnete Commander Will Kirkshatt knapp. „Bewohnt, wie? Mmmh!“
„Und Signale?“ fuhr er nach kurzem Grübeln fort. Commander Will Kirkshatt wandte sich stirnrunzelnd an seinen Adjutanten Mc Bess. „Lassen Sie sofort Speck auf die Brücke kommen.“
„Bin schon da, Sir - Sir“, erklang triefend neben ihm die Stimme des schlappohrigen, fetten Lavianers.
Commander Kirkshatt musterte den aufgedunsenen Fleischklops und fragte sich zum tausendsten Male, warum man den gefräßigsten, wenn nicht gar einfältigsten Burschen der ganzen Sternenflotte ausgerechnet ihm als Letzten Offizier zugeordnet hatte.
Kirkshatt unterdrückte das Würgen, das ihn wie immer beim Anblick von Speck überkam.
„Was meinen Sie, Speck?“ Kirkshatt hüstelte, wobei er sich ein Schnupftuch vor die Nase preßte, um die Schweißausdünstungen des Außerirdischen nicht direkt aufnehmen zu müssen.
Der schlappohrige Lavianer hatte unterdes die empfangenen Meßdaten abgerufen und analysiert. „So etwas, Sir, ist mir auch noch nicht begegnet - begegnet“, meinte er schließlich, wobei er seine ohnehin winzigen Schweinsaugen noch enger zusammenkniff, soweit das überhaupt möglich war.
Geht dieses endlose Gelaber schon wieder los, dachte Kirkshatt, bevor er sich daran erinnerte, daß der Lavianer ja Gedanken lesen konnte.
Der hatte sie bereits gelesen. „Ich muß doch schon sehr bitten, wenn ich darf, Sir - Sir“, tadelte der Letzte fette Offizier ihn prompt.
„Nichts für ungut, Speck“, beschwichtigte Kirkshatt ihn. „Also?“
Speck wischte sich den Schweiß von seinem fetttriefenden Gesicht und schüttelte seinen massigen Schädel so heftig, daß seine Schlappohren flogen.
Einfach widerlich, wollte Commander Kirkshatt gedacht haben, besann sich diesmal aber noch rechtzeitig.
Speck räusperte sich, was so etwa einem Erstickungsanfall gleichkam. „Commander“, quoll es dann über seine wulstigen Lippen, „auf Heiw I herrschen nord- wie südpolare Verhältnisse - Verhältnisse. Die Durchschnittstemperatur liegt bei etwa 30 Grad minus - minus. Der Planet ist völlig vereist und von einer meterdicken Schneedecke zugedeckt - zugedeckt.“
Kirkshatt hatte Mühe, sich zu beherrschen. „Und weiter?“ fragte er.
„Die Vegetation an der Meßstelle besteht aus Heide und Tannen - Tannen“, fuhr Speck fort.
„Das weiß ich ja alles, aber ich weiß nicht, warum es so ist, wie es ist“, unterbrach der Commander des berühmten Raumschiffes Entenfang seinen Letzten Offizier. „Und was bedeuten diese Signale? Falls sie etwas zu bedeuten haben“, fügte er vorsichtshalber hinzu. „Konnten Sie sie überhaupt entziffern, Speck?“
Herablassend senkte sein Letzter Offizier daraufhin sein fettes linkes Lid auf unnachahmliche Art. „Sir“, erwiderte Speck. „Wir Lavianer können alles entziffern - entziffern.“
„Na schön“, meinte Kirkshatt ungehalten. „Also, was bedeutet das?“
Speck spitzte die Lippen, soweit man von Spitzen sprechen konnte. „LAL - LU - JEHA - A - JU - LEL - LAH - LAH“, buchstabierte er. „Aber was das bedeutet, weiß ich bedauerlicherweise nicht - nicht.“
„Interessant“, staunte Kirkshatt. „Vergessen wir, daß Sie die Bedeutung nicht wissen. Aber wiederholen Sie doch noch mal freundlicherweise, was Sie entziffert haben, Speck.“
Der wölbte wiederum die Lippen. „LAL - LU - JEHA - A - JU - LEL - LAH - LAH“, wiederholte er. „Sagt Ihnen das etwas, Sir - Sir?“ erkundigte er sich.
„Irgendwie kommt mir das bekannt vor“, sagte Kirkshatt ahnungsvoll sinnend. „Ich habe das schon mal irgendwo gehört. Allerdings - aber lassen wir das.“
„Dann, Sir - Sir“, seiberte Speck, „schlage ich vor, wir beamen einen Erkundungstrupp nach Heiw hinunter - hinunter.“
Kirkshatt entgegnete kurz: „Auf die Idee bin ich auch schon gekommen, Speck. Ich leite den Trupp persönlich. Aber Sie bleiben diesmal an Bord. Sie wissen wohl, warum!“
Der Letzte Offizier des Raumschiffes Entenfang wischte sich schuldbewußt den nächsten Schweißstrom vom Gesicht und nickte stumm. Bei der Landung auf Nerost I, im Sternbild des Hasen nämlich, waren die Bewohner bei seinem Anblick fluchtartig davon gehoppelt.
Minuten später stand Commander Kirkshatt frisch gebeamt in intergalaktischer Nordsüdpolarausrüstung mit drei Leuten seines Trupps auf einem gewaltigen Gletscher und musterte erstaunt, das Bild, das sich ihm zu Füßen bot.
Eine richtige kleine Stadt mit Häusern und Hütten aus Eis und Schnee - Iglus nicht ganz unähnlich - war dort errichtet. Dampf stieg aus den Schornsteinen.
„Sir“, meldete sich Datev, der lebende Datenfälscher, zu Worte, „nach meinen Berechnungen...“
„Ho-Ho!“ unterbrach ihn eine dröhnende außerirdische Stimme. „Ha-Ha!“
Und ehe der verblüffte Commander Kirkshatt, Datev und die zwei anderen Leute seines Trupps zu den Waffen greifen konnten, bimmelte es hinter ihnen heftig.
Kirkshatt drehte sich um und staunte. Der erste Bewohner von Heiw I, dem er begegnete, wirkte überhaupt nicht feindselig, ja, nicht einmal fremd oder gar außerirdisch.
Ganz im Gegenteil.
Gestalt, Gesicht und Kleidung des Heiwers - wenn es denn wirklich einer war - kamen ihm irgendwie sehr vertraut vor. Mehr noch: Etwas regte sich unbewußt wissend in ihm, wie vorhin, als Speck, der Letzte Offizier der Entenfang, ihm die Signale entziffert hatte.
Er mußte es wagen. „LAH - LU?“ versuchte Kirkshatt es ganz langsam.
„LAH-LU?“ wiederholte daraufhin stirnrunzelnd der weißbärtige, mit einem langen roten Mantel und schwarzen Stiefeln bekleidete Planetenbewohner und überlegte. Dabei bimmelte er wieder mit einer Glocke.
„JU - LEL?“ versuchte Kirkshatt es diesmal.
Der Weißbärtige mit den wallenden Locken bimmelte noch heftiger, schüttelte jedoch neuerlich den Kopf.
„Ju - LAH?“ Kirkshatt ging jetzt hoffnungsvoll aufs Ganze.
„JU - LAH?“ Ein breites Lächeln überzog das Gesicht des Bewohners von Heiw I. Er bimmelte ohrenbetäubend mit der Glocke, während er schrie: „JU - LAH? LU - JAH! LU - JAH!“
„HO-HO!“ brüllte Kirkshatt so laut, daß Datev ihn entsetzt anschaute.
„HO-HO!“ brüllte darauf der Weißbärtige mit dem lockigen Haar und bimmelte, daß sich unter dem Getöse mächtige Eiszapfen vom Gletscherrand lösten. Und dann schrie er mit Baßstimme: „HAL - LE - LU - JAH! HAL - LE - LU - JAH!“
„Ist alles in Ordnung, Commander, Sir?“ fragte Datev verstört.
„HALLELUJAH! JA! Alles in Ordnung, Datev!“ sprudelte es über Kirkshatts Lippen. „Wissen Sie, wo wir uns hier befinden?“
„Nein, Sir“, erwiderte der berühmteste Datenfälscher der Sternenflotte und Vorletzte Offizier der Entenfang eingeschüchtert.
„Heiw ist“ - Kirkshatt strahlte über das ganze Gesicht - der Heimatplanet des Weihnachtsmannes.“
„HALLELUJAH! HO-HO!“ brüllte der Weißbärtige daraufhin und bimmelte so stark, daß der Gletscher unter ihnen zu kalben begann. „Er hat es! Aber nun, mein Bester, laß uns mal endlich normal miteinander reden. Okay?“
Kirkshatt nickte vor Seligkeit stumm.
„Hast du 'nen anständigen Schluck dabei?“
„Ich laß uns was runterbeamen“, kam es über Kirkshatts Lippen. „Datev“, sagte der dann, „beamen Sie mit dem Rest der Truppe zurück. Ich komme später nach.“
Und so lief die Geschichte auch ab.
Bliebe der abschließende Eintrag im Logbuch der Entenfang nachzutragen:
„Mit dem Weihnachtsmann die ganze Nacht durchgesoffen, gesungen, Schlittenfahrten gemacht und Geschenke ausgepackt. Ich glaube, die Föderation hat einen Freund für immer gewonnen.“
PS: „Ich schmeiße Speck, den letzten Offizier, endgültig von Bord. Wegen Unfähigkeit. Das empfangene Signal lautete eindeutig HALLELUJAH!“
PPS: „Letzter Befehl widerrufen. Speck bleibt im Dienst. Schließlich ist es ja Weihnachten!“
 
Was wir uns schenken werden

Die beste Lektüre vor dem Weihnachts-schopping
Damit Klarheit herrscht: Geld spielt bei uns keine Rolle, solange wir noch Kredit haben. Die Frage ist, was wir einander zu den vielen Festtagen des Jahres schenken sollen. Wir beginnen immer schon Monate vorher an Schlaflosigkeit zu leiden. Der Plunderkasten > Zur weiteren Verwendung < kommt ja für uns selbst nicht in Betracht. Es ist ein fürchterliches Problem.
Vor drei Jahren, zum Beispiel, schenkte mir meine Frau eine komplette Fechtausrüstung und bekam von mir eine zauberhafte Stehlampe. Ich fechte nicht.
Vor zwei Jahren verfiel meine Frau auf eine Scheibtischgarnitur aus carraischem Marmor - samt Briefbeschwerer, Brieföffner, Briefhalter und Briefmappe, während ich sie mit einer zauberhaften Stehlampe überraschte. Ich schreibe keine Briefe.
Vorheriges Jahr erreichte die Krise ihren Höhepunkt, als ich meine Frau mit einer zauberhaften Stehlampe bedachte und sie mich mit einer persischen Wasserpfeife. Ich rauche nicht.
Heuer trieb uns die Suche nach passenden Geschenken beinahe in den Wahnsinn. Was sollten wir einander noch kaufen? Gute Freunde informierten mich, daß sie meine Frau in lebhaftem Gespräch mit einem Grundstücksmakler gesehen hätten. Wir haben ein gemeinsames Bankkonto, für das meine Frau auch allein zeichnungsberechtigt ist. Erbleichend nahm ich sie zur Seite: > Liebling, das muß aufhören. Geschenke sollen Freude machen, aber keine Qual. Deshalb werden wir uns nie mehr den Kopf darüber zerbrechen, was wir einander schenken sollen. Ich sehe keinen ZUsammenhang zwischen einem Feiertag und einem schottischen Kilt, den ich außerdem niemals tragen würde. Wir müssen vernünftig sein, wie es sich für Menschen unseres Intelligenzniveaus geziemt. Laß uns jetzt ein für allemal schwören, daß wir einander keine Geschenke mehr machen werden!
Meine Frau fiel mir um den Hals und näßte ihn mit den Tränen der Dankbarkeit. Auch sie hatte an eine solche Lösung gedacht und hatte nur nicht gewagt, sie vorzuschlagen. Jetzt war das Problem für alle Zeiten gelöst. Am nächsten Tag fiel mir ein, daß ich meiner Frau zum bevorstehenden Fest doch etwas kaufen müßte. Als erstes dachte ich an eine zauberhafte Stehlampe, kam aber wieder davon ab, weil unsere Wohnung durch elf zauberhafte Stehlampen nun schon hinlänglich beleuchtet ist. Außer zauberhaftten Stehlampen wüßte ich für meine Frau nicht Passendes oder höchstens ein Brillantdiadem - das einzige, was ich noch fehlt. Einem Zeitungsinserat entnahm ich die derzeit gängigen Preise und ließ auch diesen Gedanken wieder fallen. Zehn Tage vor dem festlichen Datum ertappte ich meine Frau, wie sie ein enormes Paket in unsere Wohnung schleppte. Ich zwang sie, es auf der Stelle zu öffnen. Es enthielt pulverisierte Milch.Ich öffnete jede Dose und untersuchte den Inhalt mit Hilfe eines Siebes auf Manschettenknöpfe, Krawattennadeln und ähnliche Fremdkörper. Ich fand nichts. Trotzdem eilte ich am nächsten Morgen, von unguten Ahnungen erfüllt, zur Bank. Tatsächlich: Meine Frau hatte 260 Pfund von unserem Konte abgehoben, auf dem jetzt nur noch 80 Aguroth verblieben, die ich sofort abhob. Heißer Zorn überkam mich. Ganz wie Du willst, fluchte ich in mich hinein. Dann kaufe ich dir also einen Astraschanpelz, der uns ruinieren wird. Dann beginne ich jetzt, Schulden zu machen, zu trinken und Kokain zu schnupfen. Ganz wie due willst. Gerade als ich nach Hause kam, schlich sich meine Frau, abermals mit einem riesigen Paket, durch die Hintertür ein. Ich stürzte auf sie zu, entwand ihr das Paket und riß es auf - natürlich. Herrenhemden. Eine Schere ergreifen und die Hemden zu Konfetti zerschneiden war eins. > Da - da! < stieß ich keuchend hervor. > Ich werde dich lehren, feierliche Schwüre zu brechen! < Meine Frau, die soeben meine Hemden aus der Wäscherei geholt hatte, versuchte einzulenken. > Wir sind erwachsene Menschen von hohem Intelligenzniveau <, behauptete sie. > Wir müssen Vertrauen zueinander haben. Sonst ist es mit underem Eheleben vorbei. < Ich brachte die Rede auf die abgehobenen 260 Pfund. Mit denen hätte sie ihre Schulden beim Friseur bezahlt, sagte sie. Einigermaßen betreten brach ich das Gespräch ab. Wie schändlich von mir, meine kleine Fau, die beste Ehefrau von allen, so völlig grundlos zu verdächtigen.
Das Leben kehrte wieder in seine normalen Bahnen zurück. Im Schuhgeschäft sagte man mir, daß man die gewünschten Schlagenschuhe für meine Frau ohne Kenntnis der Fußmaße nicht anfertigen könne, und ich sollte ein Paar alte Schuhe als Muster mitbringen. Als ich mich mit dem Musterpaar unterm Arm aus dem Hautor drückte, sprang meine Frau, die dort auf der Lauer lag, mich hinterrücks an. Eine erregte Szene folgte. > Du charakterloses Monstrum! < sagte meine Frau. > zuerst wirfst du mir vor, daß ich mich nicht an unsere Abmachung halte, und dann brichst du sie selber! Wahrscheinlich würdest du mir auch noch Vorwürfe machen, weil ich dir nichts geschenkt habe ...< So konnte es nicht weitergehen. Wir erneuerten unseren Eid. Im hellen Schein der elf zauberhaften Stehlampenschworen wir uns, bestimmt und endgültig keine Geschenke zu kaufen.
Zum ersten Mal seit Monaten zog Ruhe in meine Seele ein. - Am Nächsten Morgen folgte ich meiner Frau heimlich auf ihrem Weg nach Jaffa und wa sehr erleichtert, als ich sie ein Spezialgeschäft für Damenstrümpfe betreten sah. Fröhlich pfeifend kehrte ich nach Hause zurück. Das Fest stand bevor und es würde keine Überraschung geben. Endlich! Auf dem Heimweg machte ich einen kurzen Besuch bei einem befreundeten Antiquitätenhändler und kaufte eine kleine chinesische Vase aus der Ming-Periode. Das Schicksal wollte es anders. Warum müssen die Autobusfahrer auch immer so unvermittelt stoppen. Ich versuchte die Scherben zusammenzuleimen, aber das klappte nicht recht. Um so besser. Wenigstens kann ich meine Frau keines Vertragsbruches zeihen.
Meine Frau empfing mich im Speisezimmer festlich gekleidet und mit glückstrahlendem Gesicht. Auf dem großen Speisezimmertisch sah ich, geschmackvoll arrangiert, einen neuen elektrischen Rasierapparat, drei Kugelschreiber, ein Schreibmaschinenfutteral aus Ziegenleder, eine Schachtel Skiwachs, einen Kanarienvogel komplett mit Käfig, eine Brieftasche, eine zauberhafte Stehlampe, einen Radiergummi und ein Koffergrammophon (das sie bei dem alten Strumpfhändler in Jaffa am Basar unterderhand gekauft hatte). Ich stand wie gelähmt und brachte kein Wort hervor.
Meine Frau starrte mich ungläubig an. Sie konnte es nicht fassen, daß ich mit leeren Händen gekommen war. Dann brach sie in konvulsivisches Schluchzen aus: > Also so einer bist du. So behandelst du mich. Einmal in der Zeit könntest du mir eine kleine Freude machen - aber das fällt dir ja gar nicht ein. Pfui, pfui, pfui. Geh mir aus den Augen. Ich will dich nie wieder sehen ... <
Erst als sie geendet hatte, griff ich in die Tasche und zog die goldene Armbanduhr mit den Saphiren hervor. Kleiner dummer Liebling.
 
Wie die drei Waisen aus dem Morgenlande es allen Schwierigkeiten zum Trotze doch noch rechtzeitig bis zum Stall in Bethlehem schafften

Die fetten Kamele jaulten gequält auf, und der Galoppometer zitterte bedenklich um die 60-Meile-Marke. Quietschend gingen die hellbraunen Trampeltiere in die Steilkurve der Wüstenpiste.
„Balthasar“, mahnte Kaspar, der auf dem zweiten Kamel saß, zum x-ten Male den Vorreiter, „gib mehr Stoff. Wir schaffen's sonst nie! Das wird ein Riesenreinfall!“
Balthasar grinste müde und preßte den Treibschenkel fester in die Weichen seines Reittieres. „Hast wohl schiß, Alter, was?“
„Mann“, erwiderte Kaspar, „das hat doch nix mit Schiß zu tun. Ist nur 'ne Überlebensfrage. Ich möchte gern in die biblische Weihnachtsgeschichte eingehen. Er ist jetzt ganz dicht vor uns. Siehst du ihn?“
Er deutete auf den blendend blauen zuckenden Stern, der groß jenseits des Grenzübergangs zu sehen war.
„Seh' ich doch locker ohne Pupille“, erklärte Balthasar und gab seinem Kamel so heftig die Peitsche, daß dieses mitten im Galopp einen ungetümen Satz macht, der Balthasar fast aus den Höckern gehauen hätte.
Melchior, der Schlußmann der kleinen Karawane, sagte gar nichts, obwohl er genauso wie Kaspar dachte, sondern keuchte nur schwer. Der lange Ritt nahm ihn körperlich mit.
Nur wenige Stadien vor ihnen und etwa 120 Klafter tiefer leuchteten zahlreiche Lichter in der Dunkelheit. Vor einer knappen halben Stunde bereits hatten sie die beiden Schilder mit den Hinweisen „Noch 15 Meilen bis Bethlehem“ und „Zum Toten Meer rechts einordnen“ passiert.
Unumstößliche Tatsache war, daß die Zeit drängte. Den Vorhersagen und ihren eigenen, gemeinhin recht zuverlässigen Berechnungen nach, mußte es jeden Augenblick passieren. Ein Indiz dafür war, daß der blendend blaue Stern intensiver zuckte und pulste, gerade so, als litte er unter himmlischen Wehen und sei kurz vorm Kreißen.
Unvermittelt sahen sich die drei Weisen, die interessanterweise auch noch Waisen waren - was sinnigerweise nicht überliefert wurde -, nach dem Überreiten einer Wanderdüne mit einem Meer lodernder Fackeln konfrontiert, die drei gewaltigen, gesenkte Schlagbäume, eine ebensolche Anzahl von Wachhäuschen sowie eine daneben befindliche Wachstation erleuchteten.
„Willkommen in der Zählstadt Bethlehem, Kreis Judäa!“ stand da in lateinischen und hebräischen Buchstaben auf einem Schild. Und auf einem anderen: „Achtung! Noch zwei Stadien bis zur Grenze! Ausweispapyri bereithalten!“
Der Andrang der Menschenmassen an Schlagbäumen und Wachstation war unglaublich. Ein akustischen Gewölk von Geschrei, Gewieher, Gejaule, Gesumm und Gebrumm empfing die drei herangaloppierenden Weisen.
Ohne Vorankündigung zügelte Balthasar sein Kamel. In letzter Sekunde nur konnten Kaspar und Melchior ein Aufreiten verhindern, indem sie seitlich auswichen.
Die beiden fluchten unschön und schauten ihren Vorreiter vorwurfsvoll fragend an.
„Da kommen wir doch nie durch! Machen wir lieber kehrt!“ meinte Balthasar resignierend, was überhaupt nicht zu seiner Art paßte.
„Wieso?“ wollte Melchior wissen.
„Na, sieh dir doch mal die Warteschlange an!“ Balthasar deutete auf den rechten Schlagbaum, neben dem das Schild „Morgenländer hier einreiten!“ stand, und die davor befindliche Schlange. „Bis wir abgefertigt sind, ist alles vorbei!“
„Oh, ja“, meinte Melchior betrübt und senkte zerknirscht sein turbangekröntes Haupt. „Das hätten wir natürlich vorhersehen müssen.“
„Ich hab's vorhergesehen“, erklärte Kaspar beschwichtigend, „und deshalb Vorsorge getroffen. Laßt mich nur machen.“
Er griff in eine seiner Satteltaschen und entnahm ihr drei große Umhängeschilder, auf denen in Hebräisch und Lateinisch „VIP“ geschrieben stand. Zwei davon reichte er seinen Begleitern. „Hängt sie euch um.“
Balthasar und Melchior wechselten einen erstaunten Blick, befolgten aber Kaspars Anweisungen, der sich nunmehr an die Spitze der kleinen Karawane setzte und auf besagten Schlagbaum zutrabte.
Im Vorbeireiten sahen die drei, daß die Warteschlange an dem mit „Römer hier einreiten“ beschilderten Durchlaß am kürzesten, die an dem mit „Judäer hier einreiten“ markierten am längsten war.
Die Massen wichen zunächst mürrisch und erbost, dann aber ehrfurchtsvoll beiseite, als sie erkannten, was auf den Schildern der drei Weisen stand, die an ihnen vorbeidrängten.
„Heil, Augustus! Halt!“ brüllte der römische Legionär neben dem Schlagbaum und hob drohend seinen Speer. „Vordrängeln gibt's nicht! Stellt Euch an, wie alle anderen auch!“
Kaspar deutete mit gewichtiger Miene auf sein „VIP“ Schild. „Heil, Augustus! Könnt Ihr nicht lesen, guter Mann?“ fragte er.
„Natürlich“, erwiderte der Angesprochene gekränkt, doch zugleich sichtlich beeindruckt. „Das muß ich wohl übersehen haben. Verzeiht.“
„Schon gut, schon gut“. Kaspar winkte ab. „Dürfen wir passieren?“
„Die Formalitäten müßt Ihr schon über Euch ergehen lassen, edle VIP-Herren“, erwiderte der Legionär nunmehr freundlicherer Miene. „Habt Ihr die Papyri zur Hand? Welches ist der zweck Eures Besuches? Seid Ihr beruflich oder als Touristen hier? Habt Ihr anmeldepflichtige Waren bei Euch?“ Er schaute die drei Weisen fragend an.
Die reichten ihm zunächst ihre Ausweispapyri.
„Ah“, meinte der Legionär, nachdem er einen kurzen Blich darauf geworfen hatte, „interessant. Bei Euch allen ist die Berufsbezeichnung „Weiser aus dem Morgenlande“ eingetragen“. Er musterte die drei plötzlich unterwürfig. „Seid Ihr etwa diese berühmten Wahrsager...?“ Er beendete den Satz nicht, sondern geriet ins Sinnen.
„Aber gewiß doch, guter Mann“, sagte Balthasar ungeduldig. „Es steht ja da. Nun laßt uns endlich passieren. Wir sind in Eile!“
Der Legionär reichte ihnen langsam die Papyri zurück und stützte sich auf seinen Speer „Ihr wißt gewiß, edle Herren“, meinte er dann. „daß - VIP hin, VIP her - hier Rom das Sagen hat. Ich muß also auf der Einhaltung der Einreiseformalitäten bestehen.“
„Na schön“, erklärte Kaspar. „Zweck unseres Besuches ist die Anbetung eines Kindes mit gleichzeitiger Übergabe von Geschenken. Woraus sich wohl von selbst ergibt, daß wir aus beruflichen Gründen hier sind. Und anmeldepflichtige Waren haben wir nicht. Genügt das als Auskunft?“
„Geschenke?“ Der Legionär runzelte die Stirn. „Und doch keine anmeldepflichtigen Waren? Hmm!“ Er lehnte seinen Speer ans Wachhäuschen, nahm den Helm ab und kratzte sich ebenso verunsichert wie verlegen den Schädel.
„Wenn Ihr's genau wissen wollt“, meldete sich ungehalten Balthasar, der wieder ganz der alte war, zu Worte, „wir führen nur die üblichen zollfreien Mengen von Weihrauch, Myrrhe und Gold mit. Überzeugt Euch doch selbst, wenn Ihr uns nicht glaubt! Macht schon, denn sonst werden wir bei Eurem Vorgesetzten eine Beschwerde einreichen, die Euch ein halbes Jahr Galeere einbringen kann, wie Ihr Euch wohl denken könnt“.
Der Legionär verneigte sich und griff zur Kurbel des Schlagbaums um diesen hochzudrehen.
„Verzeiht, verzeiht, edle Herren! Natürlich dürft Ihr passieren!“ rief er. „Ich dachte nur, daß Ihr, da Ihr so weise seid, einem bescheiden besoldeten Legionär einen heißen Tip geben könntet“; fügte er hinzu und sah die drei Weisen fast flehentlich bittend an, die ihre Kamele zu treiben begannen.
„Was für ein Tip?“ fragte Melchior, der sich wieder ans Ende der kleinen Karawane gesetzt hatte, in einem aufwallenden Gefühl von Mitleid für den römischen Besatzer.
„Ich wüßte gern die Lottozahlen der Weihnachtsausspielung“, sagte der Legionär. „Wenn ich sechs Richtige hätte, könnte ich endlich in Pension gehen. Am Tag vor Heiligabend ist Annahmeschluß“.
Melchior hielt sein Kamel an. „Wenn's weiter nichts ist.“ Er schaute zu dem blendend blauen zuckenden Stern hinüber, der jetzt über einem abbruchreifen Stall verweilte, und schloß kurz die Augen. „Die sechs Gewinnzahlen für Euch zum Mitschreiben“, meinte Melchior dann gönnerhaft und fuhr fort: „Sieben, acht, neun, zehn, zwölf, vierundzwanzig. Und die Zusatzzahl ist Null.“
„Ich danke Euch, edler Herr“, jauchzte der Legionär, der die Zahlen eifrig notiert hatte, überschwenglich, dieweil Melchior seinem Kamel die Sporen gab. „Das werde ich Euch nie vergessen!“
„Melchior!!!“ brüllten Kaspar und Balthasar, die schon weitergeritten waren, unisono, „Nun komm endlich!“
„Ich komme ja schon“, rief Melchior ihnen zu.“ Und an den Legionär gewandt sagte der im Angalopp: „Dankt mir lieber nicht, guter Mann. Annahmeschluß war nämlich gestern. Heute ist Heiligabend!“
 
Superweihnachtswünsche!!!

Weihnachtswünsche

Ich wünsch mir eine kluge Oma, die alles weiß, was ich auch frag. Ich wünsch mir eine Zauberlampe, mit der mach ich die Nacht zum Tag.

Ich wünsch mir ein Spezialfahrrad, mit dem ich rückwärts fahren kann. Ich wünsch mir ein Bett mit Flügeln und mit Propeller hintendran.

Ich wünsch mir eine Wunschmaschine, die mir was schenkt an jedem Tag. Ich wünsch mir einen großen Bruder, der immer mit mir spielen mag.

Ich wünsche mir, dass wirklich niemand Mir irgendwas verbieten kann.
Ich wünsche mir eine Badewanne, größer als ein Ozean.
 
@RollerChris

Sehr tolle lustiges Weihnachtsgeschichten. Weiß nicht, wie ich Dir danken soll. Habt ihr bitte noch welche?

LG
Olga
 
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