[Diskussion] Abzug der BW Soldaten

Sollten wir unsere Soldaten abziehen?

  • Ja

    Stimmen: 35 54,7%
  • Nein!

    Stimmen: 29 45,3%

  • Anzahl der Umfrageteilnehmer
    64
Desperado schrieb:
Ein viel zu großer Teil der Bevölkerung Afghanistans ist ungebildet, kennt (westliche) Freiheit und Demokratie bestenfalls vom Hörensagen und hat diese nie wirklich gewollt. Sie wollen keinen Terror durch Islamisten, klar, aber sie wollen doch vor allem in der Tradition ihrer streng religiös dominierten Kultur leben. Die Gesetze der Scharia sind ihnen heilig, Demokratie ist und bleibt ein Fremdwort.
Da will ich dir widersprechen.

Mal abgesehen davon, das die "westliche Kultur" nun auch nicht gerade das gelbe vom Ei ist, so strebt der durchschnittliche Mensch doch nach möglichst viel individueller Freiheit. Hüben wie drüben. Um diese Freiheit jedoch zu bekommen, müsste von anderer Stelle Macht abgegeben werden. Dies wollen die Mächtigen dort jedoch nicht.

Vergleichende Beispiele findest du zuhauf in der Geschichtsschreibung Europas. Alleine was die katholische Kirche nicht alles unternommen hat um ihre Dominanz zu bewahren ist aus unserer heutigen Sicht unvorstellbar. Und dies alles im Namen eines Regelwerkes welches diese extremen Maßnahmen legitimiert. Nichts ist einfacher für einen Täter, wenn dieser sich auf krudes Recht oder eine höhere Macht berufen kann, welche diese Taten von ihm einfordert.

Zudem spielen in Afghanistan weitaus mehr Parteien mit, als es uns in den deutschen Medien berichtet wird. Der Artikel von Keuchhusten erwähnt durchaus schon einige, aber man darf da natürlich auch nicht den Einfluss diverser angrenzender Länder außer acht lassen.

Zudem sollten wir nicht vergessen, das unter Sahir Schah ...
welt.de schrieb:
Sahir Shah, der letzte Monarch der über 200 Jahre alten Paschtunen-Dynastie, stand für ein freies, modernes Afghanistan. Während seiner Amtszeit blühte das Land. Die Menschen waren gebildet, Wirtschaft und Künste entfalteten sich, wie nie zuvor, und in den Straßen von Kabul trugen die Frauen sogar Miniröcke.
Quelle

... es also durchaus bereits freiheitliches Denken und Handeln in Afghanistan gab. Genauso wie individuelle Freiheit, Emanzipation und Frauenwahlrecht.
Und dann kam 1978 der Absturz des Landes durch den Einmarsch der Sowjetunion. Diese mischten seit Jahren bereits indirekt in der Politik dort mit (wie fast überall sonst auch). Durch den kalten Krieg rief das dann nun leider die USA und in diesem Sinne vor allem den CIA auf den Plan.
Eines der Maßnahmen der CIA war:
Wikipedia schrieb:
Um den Widerstand gegen die sowjetische Besatzung in Afghanistan anzuspornen, hatten die USA unter anderem mehrere Millionen Dollar in gewaltverherrlichende Lehrbücher investiert. Mittels dieser Bücher, die mit Gewaltdarstellungen, islamistischen Lehren und aus dem Zusammenhang gerissenen Koranversen gefüllt waren, wurde den afghanischen Schulkindern die Lehre vom Dschihad nahegebracht. Diese Bücher wurden ebenfalls in Lagern für afghanische Flüchtlinge in Pakistan im Unterricht eingesetzt.
Dies lief im Rahmen der Operation Cyclone ab. Dort heißt es auch:
"Die Unterstützung der Mudschaheddin führte zu einer Stärkung des Islamismus in Afghanistan, was den Taliban den Weg ebnete."

Was ich selbst noch nicht wusste ist, das Operation Cyclone auch mit Billigung von Deutschland ausgeführt wurde: Kalter Krieg: Akten belegen westliche Hilfe für Islamisten in Afghanistan |*ZEIT ONLINE
Wir sind also sozusagen mit daran Schuld, das es diese Form von extremen Islamismus in Afghanistan überhaupt gibt.

Und was ich auch noch nicht wusste, die Taliban rekrutieren sich größtenteils aus Paschtunen. Eine Volksgruppe dort, die sich über Afghanistan und Pakistan erstreckt. Überhaupt scheint Pakistan der Rückzugsort der Taliban zu sein. Was doppelt interessant ist, da Pakistan eigentlich der Bündnispartner der USA ist. ;)

Hier mal ein paar Links, aus denen man die Problematik herauslesen kann:

- https://www.stern.de/panorama/gesel...dition-gebietet-blinden-gehorsam-3532704.html
- https://www.stern.de/politik/auslan...n-frauen-in-afghanistan-haelt-an-3891544.html
- https://www.stern.de/fotografie/hansel-mieth-preis-reportage-ein-leben-in-kabul-3024308.html
- https://www.stern.de/panorama/gesellschaft/so-liebt-afghanistan-liebe--was-ist-das--3531154.html
- https://www.nzz.ch/international/as...an-die-rueckkehr-des-grossen-spiels-ld.137678
- https://www.nzz.ch/international/anschlag-in-kabul-die-unruhe-vor-dem-sturm-ld.149990
- https://www.nzz.ch/international/af...u-das-grosse-spiel-mit-den-taliban-ld.1085831
- Heiliger Krieg in Malakand: Angriff der Ur-Taliban - SPIEGEL ONLINE
- Afghanistan-Einsatz: Die drei Fehler des Westens |*ZEIT ONLINE
- Bundeszentrale für Politische Bildung, B 3-4, 2001

Grainger schrieb:
Die Taliban hatten übrigens den Anbau von Schlafmohn verboten und sind massiv dagegen vorgegangen (ihre Methoden waren natürlich weder demokratisch noch menschenrechtlich mit westlichen Weltanschauungen vereinbar) und hatten es geschafft, den Opiumexport fast auf Null zu reduzieren.
In einem der Links wird darauf eingegangen. Die haben das gemacht um den Marktpreis wieder nach oben zu treiben. Bevor sie dies gemacht hatten lag der Kilopreis (wenn ich es jetzt noch richtig weiß) bei 28$. Nach ihrer Aktion jedoch bei über 700$.

Grob kann man sagen, das in Afghanistan seit über 30 Jahren Krieg herrscht. Auch mit unserem Segen. Zwar bin ich ähnlich wie Grainger gegen einen Einsatz der Bundeswehr wo auch immer, aber das wir uns einfach vor unserer Verantwortung drücken weil da ein paar Soldaten sterben, finde ich auch nicht in Ordnung.
Das Problem sind auch nicht die Warlords, sondern eben die vielen verschiedenen Mächte die dort mitmischen. Zudem scheint die USA ihre Bündnispartner Pakistan und Saudi-Arabien nicht in den Griff zu bekommen. Zusätzlich spielen da inzwischen auch wieder die Russen, die Iraner und die Inder mit.

Einfach zu sagen, die Warlords sind Schuld ist falsch.
Einfach zu sagen, die wollen nach ihrer streng gläubigen Kultur leben ist ebenfalls falsch.

Beide Argumente treffen nur auf einen kleinen Teil der Bevölkerung zu. Wir nehmen das halt wahr weil diese besonders viel Lärm machen.
 
Die Taliban garantieren :ROFLMAO: Und was ist, wenn die Taliban wortbrüchig werden. Noch einmal wird sich die USA inkl. Nato-Anhängsel nicht dazu hinreißen lassen, dieses Land nach westlichem Bilde demokratisieren zu wollen und im Endeffekt nach Jahren enttäuscht abzuziehen, weil das in diesem Land nicht dauerhaft zu erreichen ist.
Wir kapitulieren, gut so. Nach Hause mit den Soldaten.
 
Ich vermute, kurz nach Abzug der US-/NATO-Truppen wird in Afghanistan alles wieder so sein, wie es zuvor war.
Dafür werden die Taliban schon sorgen.

Die Verteidigung der deutschen Sicherheit am Hindukusch ist also kläglich gescheitert, da hätte man das Ganze auch gleich bleiben lassen und ein paar Milliarden Euro einsparen können.
Ich bin mal gespannt, ob wir unseren militärtechnischen Schrott wieder für viel Geld nach Deutschland zurück transportieren, billiger wäre es vermutlich den Kram gleich vor Ort zu entsorgen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Tja, ich fürchte, da behält Grainger gerade aber sowas von recht.
Ich hoffe trotzdem, dass nicht alles umsonst war. Immerhin waren jetzt 20 Jahre relativ viele Bereiche des Landes vergleichsweise sicher.
 
Wenn man die Entwicklung dort so über die Jahrzehnte verfolgt, möchte man am liebsten die Uhr zurück auf Anfang der 1970er drehen.
Wenn man in meinen Augen seitens der USA nicht um jeden Preis den Kommunismus hätte dort bekämpfen wollen, hätte man dort heute bestimmt nicht solch ein Chaos ... und auch wir hätten unsere Ressourcen denkbar nachhaltiger (woanders) einsetzen können.
Jetzt kann man ja nur noch irgendeine Art der Schadensbegrenzung betreiben ... politisches Versagen mit Ansage inklusive ...
Leid tun mir immer die Menschen dort, als auch die, die in den letzten Jahren versucht haben "humanitäre Ziele" zu erreichen und nun ganz und gar nicht glorreich gescheitert sind.
 
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