Dass die Killerspiele nur ein ganz nebensächliches Mosaiksteinchen für den Gewaltausbruch darstellen, keine Frage. Genau darauf von pol. Seite den Fokus zu richten ist im rundum pazifizierten, nur von Freunden umgebenen Deutschland, eine rein rhetorische Pflichtübung.
Immerhin sind die Ursprünge dieser Spiele in den Computer-'Drill and Kill'-Einheiten der Militärs zu suchen. Selbst die US-Army entblödet sich nicht, mit Gratis-Internetgames dieses Genres auf Rekrutierungssuche zu gehen.
Was mich eigentlich mehr stutzig werden lässt, ist die Selbstverständlichkeit, mit der der junge Sebastian seine Umwelt mal als Vollidioten mal als tumbe, seelenlose Kreaturen abqualifiziert, sein Leben als nicht mehr lebenswert ansieht und sein Selbstbild als unverstandenem, an der bösen Umwelt zerbrochenem Menschen narzisstisch pflegt.
Wenn ich mir seine Lebensgeschichte so ansehe, so schlimm ist das bei weitem nicht. Da kenn' ich aus meiner Berufspraxis ganz andere Fälle.
Er hatte einen liebevollen Umgang mit seinem Opa, die Eltern waren anerkannte Mitglieder der Gemeinschaft, nicht in Trennung lebend etwa, mit der Schule engagiert um sein Fortkommen bemüht, so engagiert wie eben eine Masseneinrichtung Schule sein kann (Beratungsgespräche mit Klassleiter, Beratungslehrer, Schulpsychologen).
Ich will es nicht mit meiner eigenen Biografie vergleichen, aber man liest in dem ganzen, auf den Tenor "Keine Chance" hinlaufenden Lebensbericht z.B. nichts von Schlägen im Elternhaus, frühen Verlusten von wichtigen Bezugspersonen, entmutigender Abweisung und Geringmachung im engeren Familienkreis usw..
Der Junge hatte ein Problem der Selbstdefinition und kam mit etlichen narzisstischen Kränkungen nicht zurande, die andere eher zur Selbstbehauptung und Durchsetzung antreiben. Es ist ein ganz persönliches Psychosyndrom, an dem die Umwelt keine Schuld trägt, imho. Selbst die geschilderten, für ihn durchaus befriedigend verlaufenen Internet-Chatkontakte haben seine Selbstachtungs- und Sebstbewusstseinsdefizite nicht kompensieren können und dass einem der beste Freund dann noch die Auserwählte ausspannt, mein Gott, sowas kommt doch Hunderte Mal vor in diesem unserem Lande.
Ich schreibe das nur so ausführlich hier, weil mir die in dem Text und auch von einigen hier transportierte innere Logik der Gewalttat nicht einleuchtet. Es gibt weiß Gott größere persönliche Kränkungen in der kritischen "magischen" Entwicklungsphase, die am Selbstwertgefühl kratzen.
Es gibt aber umgekehrt auch eine immer größere Zahl von jungen Menschen, die mit persönlichen Kränkungen schon milderen Umfangs nicht mehr zurecht kommen, kaum "Frustrationstoleranz" zeigen und alles an eigenem inneren Unwohlsein schuldprojektiv nach Außen ableiten.
Wenn schon ein 18-jähriger für sich und seine Umwelt als Lebensfazit "SAART" zieht, ja mein Gott, wieviele noch ungeahnte Möglichkeiten und Entwicklungschancen bieten sich da doch an in diesem Grobraster. Das ist doch kein Todesurteil, das man hoffnungslos mit 18 unterschreiben muss.
Sorry, ich kapier's nicht!
gruß schrotti