Es ist schon erstaunlich, wie schnell man in einer vermeintlich fortgeschrittenen und sozialen Gesellschaft ausgegrenzt wird. Nun ist es beileibe nicht so, als würde ich gemieden. Meine Kollegen im Büro sprechen ganz normal mit mir und Bekannte, die ich auf der Strasse sehe, machen keinen Bogen um mich. Dennoch habe ich ein paar sehr starke Gefühle wahrgenommen, als ich - wem auch immer - von meinem gerade zu Ende gegangenen Urlaub erzählt habe.
Tatsache ist nämlich, dass man sich auf den Urlaub freuen muss. Und es wird erwartet, dass man den Urlaub genießt. Und schließlich gehört es zum guten Ton, dass man nach seiner Rückkehr in höchsten Tönen vom Urlaub schwärmt. Das mag für ein Wochenende auf dem Campingplatz oder den Trip zum Weihnachtsmarkt in Hinwil nicht gelten, gilt aber umso mehr bei Urlauben in Florida, Städtereisen nach Barcelona oder einer Foto-Safari nach Afrika und Namibia. Eben Letzteres habe ich gerade hinter mich gebracht.
Betrachten wir das mal im Einzelnen, beginnend mit der Vorfreude. Eine ganz knifflige Sache für mich. Ich hin nicht so der Freuer. Und wenn, dann eher im zeitlich kurzen Bereich. So kann ich mich morgens im Büro durchaus auf das Abendessen in einem schönen Restaurant freuen. Oder am Mittwoch auf das Topspiel der Bundesliga am Wochenende. Außerdem bin ich nicht so der Urlauber. Das sehe ich so nach dem Motto "Kann man mal machen, muss aber nicht sein". Hier und dort mal ein Tag frei unter der Woche oder mal ein langes Wochenende, das reicht. Unter familiärem Druck ist auch mal eine Woche türkische Riviera drin.
Außerdem bin ich nicht so gerne mit anderen Menschen zusammen. Zumindest dann nicht, wenn ich mit ihnen interagieren muss. In einem überfüllten Urlaubsclub, muss ich das nicht. In einer Reisegruppe mit zehn anderen Personen, mit denen man über drei Wochen täglich zusammen ist, sieht das anders aus. Und nicht nur das, man unterliegt auch einem gewissen Gruppenzwang. Gar nicht meins. Das mag aus der Ferne noch nicht so schlimm klingen, aber besagte Gruppe besteht aus sehr musikalischen Schweizern. Ich sah mich also schon jeden Abend jodelnd am Lagerfeuer sitzen. Da fällt das mit der Vorfreude doch recht schwer.
Nicht nur von Außenstehenden (sondern auch von meinem Schatz) werden solche Einschränkungen einfach beiseite gewischt. Auch die Aussage, dass ich kein Grund habe, mich auf die Tiere zu freuen, weil mir Tiere erstens egal sind und ich zweitens schon aus Internet und Fernsehen weiß wie sie aussehen, wird nur mit Kopfschütteln quittiert. Vor mir liegt ein Urlaub, also habe ich mich gefälligst zu freuen.
Dass ich vor der Frage stand, ob ich meinen Sohn oder lieber meine Niere verkaufen soll, um den Urlaub zu finanzieren, wird natürlich als Übertreibung abgetan. Dass ich erst gemerkt habe, dass mein erster Koffer zu klein war, als ich ihn schon vollgepackt aber noch nicht alles verstaut hatte und ich erst gemerkt habe, dass das Schloss des zweiten Koffers defekt war, als ich schon alles darin verstaut hatte und ich meine Sachen nochmal in einen dritten Koffer umpacken musste, das will niemand hören. Dass unser Zubringerflug von Zürich nach Amsterdam Verspätung hatte und wir deshalb durch den halben Flughafen sprinten mussten, um den Flug nach Kapstadt noch zu erwischen, nur um dann eine Viertelstunde beim Boarding in der Schlange zu stehen, das interessiert niemanden. Halt die Klappe und freu Dich, Du fliegst in den Urlaub!
Ich KANN Urlaub genießen. Das habe ich schon mehrfach bewiesen. Morgens ausschlafen, dann gemütlich und reichhaltig frühstücken, so beginnt ein Genussurlaubstag. Später wahlweise an den Strand oder den Pool, ein kühles Getränk und ein gutes Buch. Mittagessen gefolgt vom Mittagsschlaf, danach wieder Strand/Pool, Getränk, Buch. Abends fein essen, an der Bar noch ein oder fünf Cocktails und dann ins Bett. Kein Programm, kein Ausflug, kein Fahren und wandern nur, wenn ich statt des Pools den Strand wähle, der zweihundert Meter weiter vom Zimmer entfernt ist. Aber hallo kann ich Urlaub genießen.
So war dieser Urlaub aber nicht, vielleicht vom feinen Abendessen und dem einen oder anderen Mittagssnack abgesehen. Wir sind meistens früher aufgestanden als ich das am Wochenende zu Hause tun würde. An einem Morgen wollte ich mir sogar mein Pausenbrötchen machen, weil wir so früh aufgestanden sind, dass ich dachte ich müsse zur Arbeit. Und das nur wegen des Sonnenaufgangs. Als wenn bei uns die Sonne nicht aufginge.
Man kann mir einiges nachsagen und durchaus auch negative Dinge, auch wenn die in der Regel nicht zutreffen, aber Ungeduld gehört nicht dazu. Zu Warten macht mir nichts aus. Ich bin das gewohnt. Den Großteil meines Lebens habe ich darauf gewartet, was wohl als nächstes passiert, ich warte am Bahnhof auf die Kinder, damit sie nicht mit dem Bus nach Hause fahren und die letzten 500 m zu Fuß zurücklegen müssen. Ich warte an der Türe, wenn mein Schatz vor zehn Minuten gesagt hat, dass wir jetzt gehen und ich warte im Supermarkt in der falschen Schlange.
Bei all diese Gelegenheiten kann ich mir aber die Zeit mit meinem Handy vertreiben, ein Buch lesen oder Leute beobachten und sie in Schubladen stecken. Sitzt man in einem afrikanischen Nationalpark im Dunkeln in einem Beobachtungsposten an einem Wasserloch geht das aber nicht. Mein Kindle hat zwar eine eingebaute Lampe, aber wegen des hellen Displays zöge ich unweigerlich entrüstete Blicke anderer Tierbeobachter auf mich. Ungefähr so als führe man mit einem fetten SUV durch eine Säuglingsstation. Selbiges gilt natürlich auch für das Handy.
Also stehe ich da – immerhin überlasse ich meinen Sitzplatz jemandem der Tiere sehen will – irgendwo in Afrika im Dunklen und warte. Ich weiß ja nicht, wie das bei anderen Menschen aussieht, aber von Genuss meiner Ferien kann ich hier beim besten Willen nicht sprechen.
Ich bin ja so mehr der stationäre Urlauber, wenn es mich schon mal aus meinem angestammten Umfeld reißt. Das heißt, dass ich zum Urlaubsort reise und dort dann meine Ferien verbringen will. Der vielzitierte Spruch «Der Weg ist das Ziel» hat in meinem Leben keine Bedeutung. Das Ziel ist das Ziel und da will ich möglichst schnell und komfortabel hin. 5000 km auf der Strasse, wobei Straße hier auch stellvertretend für Sand- oder Schotterpisten steht, lässt sich nicht mit meinen Vorstellungen unter einen Hut bringen. Schon gar nicht, wenn man dann auch noch einen Platten hat und bei 40° den Anderen beim Reifenwechsel zuschauen muss.
Nun ist es ja so, dass manche Menschen ein Tier noch nicht gesehen haben, wenn sie es nicht live gesehen haben. In freier Wildbahn. Ein Video auf YouTube zählt nicht. Man muss schon direkt dran sein, das Kitzeln der Gefahr spüren. Auch wenn man durch den Billig-Feldstecher das Tier in vier Kilometer Entfernung mehr ahnt als sieht. Aber wegen meines völligen Desinteresses an Tieren, brauchte ich solche Bemerkungen gar nicht erst anzubringen. Sie wären ohnehin ignoriert worden.
Wobei selbst ich ein gewisses Verständnis aufbringe, wenn man Tiere sieht, die man sonst kaum zu Gesicht bekommt. Selbst im Zoo muss man ja nicht selten unverrichteter Dinge wieder abziehen, weil sich Herr Löwe oder Frau Antilope nicht zeigen wollen. Aber Wildpferde? Die sehen kaum anders aus als die Tiere, die der Bauer nebenan hat. Wieso man die anschauen muss erschließt sich mir nun gar nicht. Aber wir waren ja schließlich nicht zum Spaß da und so haben wir auf die Pferde gewartet. Die kamen auch gleich, gingen aber nicht vorbei zum Wasserloch, sondern blieben ein paar Meter vor uns stehen. Also standen wir da und schauten die Pferde an und die Pferde standen da und schauten uns an. Purer Urlaubsgenuss.
Ich bin aufgrund gesellschaftlicher Zwänge und nach Jahre langem Training gut in der Lage soziales Verhalten zu simulieren, zu echter Geselligkeit fehlt mir aber noch ein ganzes Stück. Und das wird mangels Interesse wohl auch nie zurückgelegt. Aber auch wenn es kaum auffällt, dass ich so bin wie ich bin, entziehe ich mich wenn möglich geselliger Rituale. Wenn ich zu einer Gruppe stoße, sage ich einfach «Hallo» in die Runde. Und wenn ich wieder gehe, sage ich ebenso der Allgemeinheit zugewendet «Tschüss». Wenn man in einer größeren Gruppe (hier: 11 + ich) beim Essen sitzt, wird es schwierig sich rauszuhalten. Zum Beispiel, wenn man sich zuprostet. Also hebe ich mein Glas, werfen ein zünftiges «Prost» in die Runde und gönne mir einen großen Schluck eiskalter Coke.
Zumindest theoretisch. Praktisch sitze ich da, hebe mein Glas im naiven Glauben, ich könne nach ein paar Anstoßern etwas trinken und muss dann erleben, wie die Gruppe ein «Prost»-Lied anstimmt. Also bin ich gezwungen mein Glas für eine Minute in die Luft zu halten, bevor ich endlich an meine Cola komme. Mein Arm wird lahm, meine Cola warm, aber ich soll meinen Urlaub genießen. Na danke. Aber immerhin ist mir das Jodeln erspart geblieben.
Aber glaube nur niemand, der Urlaub sei abgehakt, wenn man endlich wieder zu Hause ist. Noch Wochen später wird man gefragt wo man denn im Urlaub war. Und wenn ich dann ehrlich antworte, ernte ich nur Kopfschütteln und Unverständnis. Das sich nur noch steigert, wenn ich im Detail erzähle, was ich alles durchgemacht habe. Zumindest falls meine Leidensgeschichte nicht einfach ignoriert wird und ich aufgefordert werde zu beschreiben, wie dort ausgesehen hat, welche Tiere wir beobachtet haben, wie das Essen war und wie die Unterkünfte.
Aber damit nicht genug. Nein, es muss ja auch noch ein Fotobuch erstellt werden. Ein Fotobuch? Also ein Buch mit Bildern drin. Bilder von Südafrika und Namibia. Und von den Tieren, die wir dort gesehen haben. Das muss man sich mal reinziehen: Mein Einwand, dass ich ein Zebra auch bei Googles Bildersuche finde, zählt nicht als Argument, um auf die Reise zu verzichten, danach mache ich dann aber ein Buch, damit ich mir Bilder von den Tieren anschauen kann? Klar, klingt total logisch.
Aber hey, was geht mich das an? Macht Ihr nur Eurer Fotobuch. Dachte ich. Fälschlicherweise. Von uns sollten ja auch noch Fotos mit in das Buch. In das Buch, nicht in die Bibliothek. Deshalb mussten wir von unseren rund 2500 geschossenen Fotos um die 20 besonders schöne Bilder heraussuchen. Aber selbst wenn man die Fotos rausnimmt, bei denen ich versehentlich den Boden, meine Hand oder den Autositz fotografiert habe und auch die zahllosen Doubletten abzieht, blieben noch immer so viele Bilder, dass ich einen ganzen Abend mit meinem Schatz zusammen vor dem Monitor sitzen musste, um uns zumindest auf rund 70 Bilder zu einigen.
Wäre ich nur zu Hause geblieben. Ich müsste niemandem vom Urlaub erzählen, müsste nicht entscheiden, welches der 300 Springbock-Bilder ins Fotobuch soll und hätte nicht nur keinen Muskelkater im Arm, sondern auch noch beide Nieren.
Tatsache ist nämlich, dass man sich auf den Urlaub freuen muss. Und es wird erwartet, dass man den Urlaub genießt. Und schließlich gehört es zum guten Ton, dass man nach seiner Rückkehr in höchsten Tönen vom Urlaub schwärmt. Das mag für ein Wochenende auf dem Campingplatz oder den Trip zum Weihnachtsmarkt in Hinwil nicht gelten, gilt aber umso mehr bei Urlauben in Florida, Städtereisen nach Barcelona oder einer Foto-Safari nach Afrika und Namibia. Eben Letzteres habe ich gerade hinter mich gebracht.
Betrachten wir das mal im Einzelnen, beginnend mit der Vorfreude. Eine ganz knifflige Sache für mich. Ich hin nicht so der Freuer. Und wenn, dann eher im zeitlich kurzen Bereich. So kann ich mich morgens im Büro durchaus auf das Abendessen in einem schönen Restaurant freuen. Oder am Mittwoch auf das Topspiel der Bundesliga am Wochenende. Außerdem bin ich nicht so der Urlauber. Das sehe ich so nach dem Motto "Kann man mal machen, muss aber nicht sein". Hier und dort mal ein Tag frei unter der Woche oder mal ein langes Wochenende, das reicht. Unter familiärem Druck ist auch mal eine Woche türkische Riviera drin.
Außerdem bin ich nicht so gerne mit anderen Menschen zusammen. Zumindest dann nicht, wenn ich mit ihnen interagieren muss. In einem überfüllten Urlaubsclub, muss ich das nicht. In einer Reisegruppe mit zehn anderen Personen, mit denen man über drei Wochen täglich zusammen ist, sieht das anders aus. Und nicht nur das, man unterliegt auch einem gewissen Gruppenzwang. Gar nicht meins. Das mag aus der Ferne noch nicht so schlimm klingen, aber besagte Gruppe besteht aus sehr musikalischen Schweizern. Ich sah mich also schon jeden Abend jodelnd am Lagerfeuer sitzen. Da fällt das mit der Vorfreude doch recht schwer.
Nicht nur von Außenstehenden (sondern auch von meinem Schatz) werden solche Einschränkungen einfach beiseite gewischt. Auch die Aussage, dass ich kein Grund habe, mich auf die Tiere zu freuen, weil mir Tiere erstens egal sind und ich zweitens schon aus Internet und Fernsehen weiß wie sie aussehen, wird nur mit Kopfschütteln quittiert. Vor mir liegt ein Urlaub, also habe ich mich gefälligst zu freuen.
Dass ich vor der Frage stand, ob ich meinen Sohn oder lieber meine Niere verkaufen soll, um den Urlaub zu finanzieren, wird natürlich als Übertreibung abgetan. Dass ich erst gemerkt habe, dass mein erster Koffer zu klein war, als ich ihn schon vollgepackt aber noch nicht alles verstaut hatte und ich erst gemerkt habe, dass das Schloss des zweiten Koffers defekt war, als ich schon alles darin verstaut hatte und ich meine Sachen nochmal in einen dritten Koffer umpacken musste, das will niemand hören. Dass unser Zubringerflug von Zürich nach Amsterdam Verspätung hatte und wir deshalb durch den halben Flughafen sprinten mussten, um den Flug nach Kapstadt noch zu erwischen, nur um dann eine Viertelstunde beim Boarding in der Schlange zu stehen, das interessiert niemanden. Halt die Klappe und freu Dich, Du fliegst in den Urlaub!
Ich KANN Urlaub genießen. Das habe ich schon mehrfach bewiesen. Morgens ausschlafen, dann gemütlich und reichhaltig frühstücken, so beginnt ein Genussurlaubstag. Später wahlweise an den Strand oder den Pool, ein kühles Getränk und ein gutes Buch. Mittagessen gefolgt vom Mittagsschlaf, danach wieder Strand/Pool, Getränk, Buch. Abends fein essen, an der Bar noch ein oder fünf Cocktails und dann ins Bett. Kein Programm, kein Ausflug, kein Fahren und wandern nur, wenn ich statt des Pools den Strand wähle, der zweihundert Meter weiter vom Zimmer entfernt ist. Aber hallo kann ich Urlaub genießen.
So war dieser Urlaub aber nicht, vielleicht vom feinen Abendessen und dem einen oder anderen Mittagssnack abgesehen. Wir sind meistens früher aufgestanden als ich das am Wochenende zu Hause tun würde. An einem Morgen wollte ich mir sogar mein Pausenbrötchen machen, weil wir so früh aufgestanden sind, dass ich dachte ich müsse zur Arbeit. Und das nur wegen des Sonnenaufgangs. Als wenn bei uns die Sonne nicht aufginge.
Man kann mir einiges nachsagen und durchaus auch negative Dinge, auch wenn die in der Regel nicht zutreffen, aber Ungeduld gehört nicht dazu. Zu Warten macht mir nichts aus. Ich bin das gewohnt. Den Großteil meines Lebens habe ich darauf gewartet, was wohl als nächstes passiert, ich warte am Bahnhof auf die Kinder, damit sie nicht mit dem Bus nach Hause fahren und die letzten 500 m zu Fuß zurücklegen müssen. Ich warte an der Türe, wenn mein Schatz vor zehn Minuten gesagt hat, dass wir jetzt gehen und ich warte im Supermarkt in der falschen Schlange.
Bei all diese Gelegenheiten kann ich mir aber die Zeit mit meinem Handy vertreiben, ein Buch lesen oder Leute beobachten und sie in Schubladen stecken. Sitzt man in einem afrikanischen Nationalpark im Dunkeln in einem Beobachtungsposten an einem Wasserloch geht das aber nicht. Mein Kindle hat zwar eine eingebaute Lampe, aber wegen des hellen Displays zöge ich unweigerlich entrüstete Blicke anderer Tierbeobachter auf mich. Ungefähr so als führe man mit einem fetten SUV durch eine Säuglingsstation. Selbiges gilt natürlich auch für das Handy.
Also stehe ich da – immerhin überlasse ich meinen Sitzplatz jemandem der Tiere sehen will – irgendwo in Afrika im Dunklen und warte. Ich weiß ja nicht, wie das bei anderen Menschen aussieht, aber von Genuss meiner Ferien kann ich hier beim besten Willen nicht sprechen.
Ich bin ja so mehr der stationäre Urlauber, wenn es mich schon mal aus meinem angestammten Umfeld reißt. Das heißt, dass ich zum Urlaubsort reise und dort dann meine Ferien verbringen will. Der vielzitierte Spruch «Der Weg ist das Ziel» hat in meinem Leben keine Bedeutung. Das Ziel ist das Ziel und da will ich möglichst schnell und komfortabel hin. 5000 km auf der Strasse, wobei Straße hier auch stellvertretend für Sand- oder Schotterpisten steht, lässt sich nicht mit meinen Vorstellungen unter einen Hut bringen. Schon gar nicht, wenn man dann auch noch einen Platten hat und bei 40° den Anderen beim Reifenwechsel zuschauen muss.
Nun ist es ja so, dass manche Menschen ein Tier noch nicht gesehen haben, wenn sie es nicht live gesehen haben. In freier Wildbahn. Ein Video auf YouTube zählt nicht. Man muss schon direkt dran sein, das Kitzeln der Gefahr spüren. Auch wenn man durch den Billig-Feldstecher das Tier in vier Kilometer Entfernung mehr ahnt als sieht. Aber wegen meines völligen Desinteresses an Tieren, brauchte ich solche Bemerkungen gar nicht erst anzubringen. Sie wären ohnehin ignoriert worden.
Wobei selbst ich ein gewisses Verständnis aufbringe, wenn man Tiere sieht, die man sonst kaum zu Gesicht bekommt. Selbst im Zoo muss man ja nicht selten unverrichteter Dinge wieder abziehen, weil sich Herr Löwe oder Frau Antilope nicht zeigen wollen. Aber Wildpferde? Die sehen kaum anders aus als die Tiere, die der Bauer nebenan hat. Wieso man die anschauen muss erschließt sich mir nun gar nicht. Aber wir waren ja schließlich nicht zum Spaß da und so haben wir auf die Pferde gewartet. Die kamen auch gleich, gingen aber nicht vorbei zum Wasserloch, sondern blieben ein paar Meter vor uns stehen. Also standen wir da und schauten die Pferde an und die Pferde standen da und schauten uns an. Purer Urlaubsgenuss.
Ich bin aufgrund gesellschaftlicher Zwänge und nach Jahre langem Training gut in der Lage soziales Verhalten zu simulieren, zu echter Geselligkeit fehlt mir aber noch ein ganzes Stück. Und das wird mangels Interesse wohl auch nie zurückgelegt. Aber auch wenn es kaum auffällt, dass ich so bin wie ich bin, entziehe ich mich wenn möglich geselliger Rituale. Wenn ich zu einer Gruppe stoße, sage ich einfach «Hallo» in die Runde. Und wenn ich wieder gehe, sage ich ebenso der Allgemeinheit zugewendet «Tschüss». Wenn man in einer größeren Gruppe (hier: 11 + ich) beim Essen sitzt, wird es schwierig sich rauszuhalten. Zum Beispiel, wenn man sich zuprostet. Also hebe ich mein Glas, werfen ein zünftiges «Prost» in die Runde und gönne mir einen großen Schluck eiskalter Coke.
Zumindest theoretisch. Praktisch sitze ich da, hebe mein Glas im naiven Glauben, ich könne nach ein paar Anstoßern etwas trinken und muss dann erleben, wie die Gruppe ein «Prost»-Lied anstimmt. Also bin ich gezwungen mein Glas für eine Minute in die Luft zu halten, bevor ich endlich an meine Cola komme. Mein Arm wird lahm, meine Cola warm, aber ich soll meinen Urlaub genießen. Na danke. Aber immerhin ist mir das Jodeln erspart geblieben.
Aber glaube nur niemand, der Urlaub sei abgehakt, wenn man endlich wieder zu Hause ist. Noch Wochen später wird man gefragt wo man denn im Urlaub war. Und wenn ich dann ehrlich antworte, ernte ich nur Kopfschütteln und Unverständnis. Das sich nur noch steigert, wenn ich im Detail erzähle, was ich alles durchgemacht habe. Zumindest falls meine Leidensgeschichte nicht einfach ignoriert wird und ich aufgefordert werde zu beschreiben, wie dort ausgesehen hat, welche Tiere wir beobachtet haben, wie das Essen war und wie die Unterkünfte.
Aber damit nicht genug. Nein, es muss ja auch noch ein Fotobuch erstellt werden. Ein Fotobuch? Also ein Buch mit Bildern drin. Bilder von Südafrika und Namibia. Und von den Tieren, die wir dort gesehen haben. Das muss man sich mal reinziehen: Mein Einwand, dass ich ein Zebra auch bei Googles Bildersuche finde, zählt nicht als Argument, um auf die Reise zu verzichten, danach mache ich dann aber ein Buch, damit ich mir Bilder von den Tieren anschauen kann? Klar, klingt total logisch.
Aber hey, was geht mich das an? Macht Ihr nur Eurer Fotobuch. Dachte ich. Fälschlicherweise. Von uns sollten ja auch noch Fotos mit in das Buch. In das Buch, nicht in die Bibliothek. Deshalb mussten wir von unseren rund 2500 geschossenen Fotos um die 20 besonders schöne Bilder heraussuchen. Aber selbst wenn man die Fotos rausnimmt, bei denen ich versehentlich den Boden, meine Hand oder den Autositz fotografiert habe und auch die zahllosen Doubletten abzieht, blieben noch immer so viele Bilder, dass ich einen ganzen Abend mit meinem Schatz zusammen vor dem Monitor sitzen musste, um uns zumindest auf rund 70 Bilder zu einigen.
Wäre ich nur zu Hause geblieben. Ich müsste niemandem vom Urlaub erzählen, müsste nicht entscheiden, welches der 300 Springbock-Bilder ins Fotobuch soll und hätte nicht nur keinen Muskelkater im Arm, sondern auch noch beide Nieren.