Analyse: Wo steht Microsofts Surface-Geschäft heute und in Zukunft?

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Analyse: Wo steht Microsofts Surface-Geschäft heute und in Zukunft?

Surface Lineup 2022


Seit rund zwei Jahren meldet Microsoft teils schwindelerregende Rückgänge bei seinen Surface-Umsätzen. Für einige Beobachter stellt sich inzwischen nicht einmal mehr die Frage ob, sondern lediglich wann Microsoft endgültig den Stecker zieht. Ich bin ein wenig in die Zahlen eingetaucht und habe mich dabei am Ende sogar selbst überrascht.

Weil es sich bei derartigen Artikeln und für das Fazit nicht unwichtig ist, ein wenig Historie: Im Jahr 2012 steigt Microsoft mit der Surface-Reihe erstmals selbst in den PC-Markt ein. Einige Hersteller sind sauer und fürchten die Konkurrenz aus Redmond, andere sehen es entspannt.

Der Start wird ein riesiges Fiasko: Weil man Unmengen an Surface RT Tablets vorproduziert hat und diese wie Blei in den Regalen liegen, müssen schließlich 900 Millionen Dollar Verlust in Form einer Sonderabschreibung ausgewiesen werden. Microsoft lässt sich nicht entmutigen, schiebt das Surface (RT) 2 nach, das ebenso floppt, dann ist Schluss mit dem ARM-Experiment. Das Surface Pro 1 und 2 sind nur unwesentlich erfolgreicher, mit dem Surface Pro 3 gelingt schließlich der Durchbruch. Microsofts Neuinterpretation eines 2in1-Convertibles liefert fortan die Blaupause für zahlreiche andere Hersteller.

Mit den Jahren wächst das Portfolio: Surface Book, Surface Laptop, kleine Ableger von Surface Pro und Laptop mit dem Zusatz “Go”, dazu noch das Surface Studio und Surface Hub. Auch an Audio-Hardware versucht man sich, Surface Headphones und Earbuds werden entwickelt.

Im Jahr 2019 kommt mit dem Surface Duo sogar ein Smartphone-Comeback, im selben Atemzug wird das Surface Neo mit Windows vorgestellt, aber schnell wieder begraben.

Im Geschäftsjahr 2022 ist die Marke umsatzmäßig auf dem Höhepunkt: 6,7 Milliarden US-Dollar Umsatz werden mit dem Surface-Geschäft eingefahren.

Der Glanz vergangener Tage ist zu diesem Zeitpunkt allerdings bereits verblasst. Mit Ausnahme des Surface Pro ist Microsoft kein wirklich großer Wurf mehr gelungen. Surface Book und Surface Laptop erreichen respektable Verkaufszahlen, prägenden Einfluss auf den PC-Markt hat aber nach dem Surface Pro nie wieder ein Gerät entfaltet. Dazu kam eine schon fast traditionelle technische Rückständigkeit der Geräte, der jahrelange Boykott von USB-C ist nur ein Beispiel dafür.

Im April 2021 brachte ich meine Enttäuschung in dem Artikel In Sorge um die Marke Surface zum Ausdruck.

Dass im Geschäftsjahr 2022 dennoch der bisherige Rekordumsatz erreicht wurde, war in der Hauptsache der Corona-Pandemie zu verdanken, die dem PC-Markt einen Boom bescherte. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Microsoft mit dem Surface weit weniger von diesem Boom profitierte und von dem darauffolgenden Abschwung umso härter erwischt wurde. Und jetzt, wo die Zeichen im PC-Markt so langsam wieder auf Konsolidierung und Erholung stehen, rauschen die Surface-Absätze weiter in den Keller.

Zu den Gründen dafür zählt sicherlich, dass das Vertrauen in die Marke Surface derzeit erschüttert ist. Panos Panay hat Microsoft im vergangenen Jahr verlassen, durch den Personalabbau in Redmond sind die Surface-Teams deutlich geschrumpft. Microsoft möchte sich künftig bei den Surface-Geräten auf weniger Geräte konzentrieren, die dafür eine höhere Marge versprechen. Das klingt einerseits nach einem vernünftigen Plan, andererseits verbreiten solche Nachrichten nun mal keine Aufbruchstimmung.

Spannend könnte das Surface-Jahr 2024 dennoch werden, denn voraussichtlich wird Microsoft in diesem Jahr neue Surface-Modelle mit ARM-Chip vorstellen. Die Ankunft des Snapdragon X Elite könnte nicht nur die letzte Chance für Windows on ARM sein, sondern auch für das Surface zur Schicksalsfrage werden.

Kommen wir aber mal zu der Frage, wo die Marke Surface in nackten Zahlen steht. Das ist gar nicht so einfach, denn seit Mitte 2016 nennt Microsoft keine Umsätze mehr, es werden stattdessen prozentuale Veränderungen im Vergleich zum jeweiligen Vorjahreszeitraum angegeben. Das allerdings auch nicht immer, und so kommt am Ende immer nur eine Schätzung heraus. Ich habe tagelang offizielle und glaubwürdige inoffizielle Quellen abgegrast, um die Zahlen der vergangenen Jahre zu analysieren.

Im Finanzjahr 2023 (Juli 2022 bis Juni 2023) dürfte der Umsatz mit den Surface-Geräten bei etwa 4,7 Milliarden US-Dollar gelegen haben, also rund zwei Milliarden und damit 30 Prozent unter dem Rekordwert von 2022.

Im laufenden Geschäftsjahr hat Microsoft ein Minus von 22 Prozent in Q1 (Juni-September 2023) und neun Prozent in Q2 (Oktober-Dezember 2023) gemeldet. Das dritte und vierte Quartal des Geschäftsjahres sind traditionell jene mit dem geringsten Umsatz, am Ende werden die Surface-Umsätze daher voraussichtlich auf deutlich unter vier Milliarden Dollar im Geschäftsjahr 2024 absinken.

Wie eingangs erwähnt, habe ich mich mit dem Resultat der Berechnungen selbst überrascht. Nicht, weil die Umsätze so massiv gesunken sind, sondern weil immer noch “so viel übrig” ist. Aufgrund der in jedem Quartal immer wieder aufs Neue gemeldeten Umsatzeinbrüche ging ich davon aus, dass es wesentlich schlechter aussieht.

Mit einem Umsatz von etwa vier Milliarden US-Dollar – so meine Berechnung ungefähr stimmt – leistet das Surface in der Tat einen beinahe vernachlässigbaren Beitrag zu Microsofts Einnahmen, die im Fiskaljahr 2024 wieder weit über 200 Milliarden Dollar liegen werden. Gleichzeitig entspricht diese Summe aber in etwa dem halben Jahresumsatz von Acer, und das ist im direkten Vergleich dann wieder alles andere als wenig.

Entscheidend ist allerdings, was vom Umsatz letztlich als Profit in der Kasse bleibt. Diese Zahl kennen wir nicht, aber es ist definitiv zu wenig, denn sonst hätte Microsoft nicht das Personal reduziert und die Konzentration auf hochpreisige Modelle verkündet. Für Experimente – also eigentlich das, wofür die Marke einst überhaupt erst ins Leben gerufen wurde, besteht kein Spielraum mehr. Das dürfte sicherlich auch einer der Gründe gewesen sein, die Panos Panay zum Abgang bewegt haben.

So richtig spannend könnte es allerdings noch einmal werden, sollte Microsoft sich entschließen, nicht nur für seine Cloud-Server künftig hauseigene CPUs zu entwickeln, sondern auch für seine Surface-Geräte. Dann würde auch der Profit zumindest vorübergehend keine so wichtige Rolle spielen. Ansonsten jedoch schwebt über der Marke ständig das Damoklesschwert der Einstellung.

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