Mir fällt es zunehmend schwerer, an solchen Diskussionen teilzunehmen. Einerseits weil es mir sinnfrei scheint, auf die gebetsmühlenartig wiederholten Standardaussagen ebenso gebetsmühlenartig zu antworten. Andererseits weil es kaum mehr möglich ist, ohne Zynismus zu formulieren.
Nun gut, die Bundestagswahl steht vor der Türe und es könnte ja sein, dass wegen dieses Sonderforums manch einer hier mitliest, der sich bislang noch nicht mit dem Thema Politik befasst hat. Von daher kann ich vielleicht am Anfang nochmal die Gebetsmühle hervorholen und meine grundsätzliche Sicht der Dinge zum Thema Politik und Demokratie darlegen.
Aus meiner Sicht ist das Mindeste, was der wahlberechtigte Bürger tun muss, zur Wahl zu gehen und eine gültige Stimme abzugeben. Demokratie, also die Herrschaft des Volkes funktioniert nämlich nur, wenn das Volk auch mitmacht. Wer nicht mitmacht, nutzt seine Chancen nicht und darf sich dann auch nicht beklagen, dass alles schief geht.
Die Aussage, wonach die bestehenden Parteien (wobei damit meist die so genannten etablierten Parteien gemeint sind) ohnehin nicht wählbar seien, weil sie am Ende doch alle das Gleiche wollen, nämlich das eigene Überleben (gut bezahlt, versteht sich), kann nicht als Rechtfertigung gelten, die Stimme nicht abzugeben.
Wer nicht mit der Arbeit einer Partei zufrieden ist, kann ihr beitreten und damit über die Mitgliedsversammlungen Einfluss nehmen. Er kann sogar Ämter übernehmen und damit aktiv in die Parteiarbeit eingreifen. Die Aussage, wonach man in den etablierten Parteien keine Chance hat, so weit zu kommen, dass man wirklich etwas bewegen kann, weil neue Wege immer die Pfründe der Alteingesessenen Amtsträger gefährden, mag durchaus zutreffend sein. Aber als Rechtfertigung nicht an der Wahl teilzunehmen taugt sie nicht.
Wer keiner Partei zutraut, den richtigen Weg (dazu später mehr) einzuschlagen, der muss Gleichgesinnte um sich scharen und selbst eine Partei gründen. Hier kann er all die Fehler vermeiden, die bei den etablierten Parteien zu verkrusteten und unbeweglichen Strukturen geführt haben. Dabei ist es zunächst sogar noch nicht mal besonders wichtig, sämtliche politischen Themen vollständig zu besetzen. Die Grünen haben bewiesen, dass man auch mit Schwerpunktthemen Erfolg haben kann und sich dann auf andere Felder hinauswagt. Die Piratenpartei ist ein Beispiel dafür, wie schnell eine Anhängerschaft wachsen kann, wenn man das Internet nutzt und die richtigen Themen anspricht.
Nun muss man sich aber bei aller Theorie aber auch darüber im Klaren sein, dass alles, was über die bloße Abgabe eines Stimmzettel hinaus geht, vor allem eines bedeutet: Zusätzlichen Zeitaufwand, gegen Ende meiner Argumentationskette sogar richtig viel Zeitaufwand und eine Menge Arbeit. Das bedeutet, man muss auch etwas dafür tun, wenn man etwas bewegen will. Wobei "etwas" schon fast eine Verharmlosung ist und sich außerdem die Frage anschließt, was man denn davon hat.
Neben der tatsächlich gegebenen Möglichkeit der politischen Einflussnahme, erntet man vor allem Unverständnis, Missgunst, Unterstellungen und Kritik, die viel zu selten auch nur ansatzweise konstruktiver Natur ist. Der Politiker ist nämlich fast so etwas wie ein Schiedsrichter in den unteren Kreisligen der deutschen Fußballlandschaft. Er macht alles falsch oder zumindest nichts richtig. Und das nicht einmal zwangsläufig, weil er keine Ahnung von der Materie hat (und es ist nun mal so, dass ein Politiker nicht alles gleichermaßen gut können kann, er ist nämlich, was viele inzwischen anscheinend aus den Augen verloren haben, ein Mensch), sondern weil es schlichtweg unmöglich ist es jedem recht zu machen.
Dem Politiker werden außerdem wesentlich höhere Maßstäbe auferlegt, als die meisten für sich selbst akzeptieren würden. Vor allem auch mit der Begründung, dass sie schließlich auch sehr gut dafür bezahlt würden. Wobei gerne mal vergessen wird, dass in der Anfangsphase einer politischen Karriere Job und Politik nebeneinander her existieren müssen und später als Minister oder wichtiger Parteifunktionär die 40-Stunden-Woche utopisch ist. Es gibt sicher auch in diesem Bereich einige Ausnahmen, aber ich tippe mal, dass der Stundenlohn eines Politikers gar nicht mal so hoch ist. Wenn der Job des Politikers wirklich so einfach und überbezahlt wäre, weshalb schlagen denn so wenige diesen Karriereweg ein?
Wir haben sicher eine Menge Politiker in diesem Lande, dennoch sind es wesentlich weniger als es Wähler gibt. So lange "die Politiker" die Demokratie nicht abschaffen, ist es also mögliche "den Apparat" aufzumischen und neue Wege einzuschlagen.
Es mag unterschiedliche Ansichten ob der Notwendigkeit eines Kurswechsels geben, dass die Möglichkeit besteht, etwas zu tun ist unstrittig. Wer sie ungenutzt lässt, darf die Schuld danach nicht denjenigen in die Schuhe schieben, die etwas tun, auch wenn sie es schlecht machen. Nichts tun ist keine Option.