[Information] Jean-Paul Sartre wäre am 21.06.2005 100 Jahre alt geworden

Gamma-Ray

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Jean-Paul Sartre wäre am 21.06.2005 100 Jahre alt geworden

"Moral ist Desinteresse, wenn sie abstrakt ist".

Der vor allem als Erzähler, Dramatiker, Essayist und Philosoph tätige Autor gilt als der wohl bedeutendste und repräsentativste französische Intellektuelle des 20. Jahrhunderts.

Gestorben ist er am 15. April 1980

Ich habe einen interessanten Artikel gefunden über ihn: Telepolis

Ein Leben als Gesamtkunstwerk: Jean-Paul Sartre, berühmt als Modephilosoph, verdammt als Meisterdenker, beneidet als Frauenheld und Lebenskünstler, erfand den Intellektuellen und begründete eine ganz eigenständige Variante des Existentialismus. Der Erbe der skeptischen Aufklärer bleibt in Erinnerung als Philosoph des Widerstands gegen jede Vereinahmung, als unerbittlicher Verteidiger der menschlichen Freiheit. Zugleich als höchst aktueller Denker: Heute stünde er in der ersten Reihe im Kampf gegen die Lager von Guantanamo.

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Ich vermisse solche Leute wie Jean-Paul Sartre in unserer heutigen Gesellschaft und es kommt mir der kalte Schauer über meinen Nacken, wenn ich lese, wie weit dieser Mann seiner Zeit voraus war.

Aus Wikipedia
Zur Philosophie Sartres

Hauptpunkt seiner früheren Thesen (allen voran in L'être et le néant, 1943) ist, dass der Mensch zur Freiheit verurteilt sei: er trifft in jeder seiner Handlungen eine Wahl, und sei es nur die (z.B. unter Folter), zu leben oder zu sterben. Äußerliche Zwänge aufgrund äußerer gesellschaftlicher, natürlicher oder göttlicher Direktiven leugnet Sartre - dies sind Konstruktionen, die dem Menschen die Verantwortung für das, was er tut, nicht abnehmen. Er sagt: "Die Hölle, das sind die anderen": die Erwartungen und Projektionen, die durch Mitmenschen an einen gerichtet werden, manipulieren dessen Handeln, wenn er ihnen gerecht zu werden versucht - aus Bequemlichkeit, weil er der Verantwortung ausweicht, sich selbst stets neu erfinden zu müssen. Am bündigsten formuliert er seine These mit dem Satz "Die Existenz geht dem Wesen voraus" ("L'existence précède l'essence") - einzig sein nacktes Dasein ist dem Menschen vorgegeben; was ihn am Ende ausmacht, muss er erfinden.

Dass diese Haltung angesichts der historischen Wirklichkeit (Krieg, Holocaust) abstrakt ist, erfährt Sartre am eigenen Leibe, als er einberufen wird. Aus dieser Erfahrung, die ihm nicht freiwillig widerfährt, modifiziert er seine Philosophie hin zu einer politischen, auf dem Prinzip des Engagements fundierten Stellung: die große Bedeutung des Bildes, das sich Mitmenschen von einem machen und dessen Handeln modifizieren, veranlasst ihn spätestens seit Le diable et le bon dieu (1951) und der Critique de la raison dialectique (1960) zur Einsicht, dass das Wesen des Menschen, die Realität seines Daseins und Tuns, nachhaltig gesellschaftlich geprägt ist.

Danke Jean-Paul Sartre, du bist einer derjenigen, die wirklich was bewegt haben in unserer Gesellschaft. :)
 
Den Schauer bekomme ich eher bei da Vinci oder Galileo (bez. ´Zeit voraus´)

Aber ok, es gibt auch was zum Thema:

Simone de Beauvoir stirbt am 14. April 1986 im Alter von achtundsiebzig Jahren - fast auf den Tag genau sechs Jahre nach Jean-Paul Sartre.
Ihr wichtigstes Werk war ihr Leben.

Gruss
Tim
 
Zur literarischen Schaffenshöhe und dem literarischen Impetus Sartres kann man sicher nichts Kritisches anmerken, beides ist über jeden Zweifel erhaben! Allerdings hat seine philosophische und moralische Botschaft, die im Kennwort 'Existenzialismus' gebündelt ist, starke, von zwei Weltkriegen geprägte zeitgeistige Komponenten, was Wunder!

Im atheistischen Bezugsrahmen seiner Botschaft kommt er wohl von Feuerbach her, der die Gottesgläubigkeit und Heilserwartung der Menschen nur als eine Projektion der eigenen, uns allen innewohnenden moralisch wertvollen Impulse unseres Handelns (Mitgefühl, Liebesfähigkeit, Solidarität...) in eine göttliche Sphäre gedeutet hatte, eben weil wir selber uns nicht trauen, das als unser ureigenes Selbst zu begreifen, wofür wir niemand Dank und Hinwendung schulden!

Indem er aber den Menschen zwar als soziales Wesen, aber auch gleichzeitig als partikulares, völlig autonom handelndes Individuum postuliert, dass niemand moralisch Rechenschaft schuldig ist, muss er zwangsläufig alle Vielschichtigkeit im Leben letztlich unter der Rubrik 'Sinnlosigkeit' eindampfen.

Da sein Existenzialismus die Menschen also nicht als holographische Splitter einer Entität begreift, deren Ursprung für uns unergründbar im Transzendenten oder besser Göttlichen liegt, überantwortet er uns letztlich der Aussichts- und Hoffnungslosigkeit, eben weil er keine irgendwie geartete Jenseitsperspektive zur Teleologie und Finalität unseres Seins anbietet!

Für meinen Teil ziehe ich jedenfalls andere Philosophien der Seinigen vor!

gruß schrotti :) :)
 
Hab' mir eben nochmal meinen Post oben durchgelesen und muss leider sagen, sry, hier oben in meinem Dachstübchen ;) isses sowas von knalleheiß wg. schlechter Isolation, da sind mir glatt einige formulierungstechnische Sicherungen durchgeknallt! :eek: :D

Aber was ich sagen wollte nochmal in Kürze:

Sartre ==> Atheist ==> Moral rein diesseits- und handlungsbezogen, konditioniert durch gesellschaftliche Erwartung ==> Sinnkrise der Existenz

gruß schrotti :) :)
 
@schrotti

Ich kann wie vermutlich andere hier auch, deinen philosophischen Interpretationen kaum folgen.

Philosophen werden ohnehin kaum verstanden und werden von ihren Kritikern meist unterschiedlich interpretiert.

Ich habe zum Glück mich nie so intensiv mit der Philosophie beschäftigt. Dennoch kann ich ihr hin und wieder auch mal was gutes abgewinnen, vor allem dann, wenn jemand etwas sehr deutlich sagt. Und das war eben die Definition von der Freiheit.

"Wie der Mensch für Sartre stets frei ist, diese Freiheit aber dennoch bewusst verwirklichen muss, so ist er auch stets in eine Situation engagiert, von der er sich lösen muss, um sich dann bewusst zu engagieren. Bewusst seine Freiheit verwirklichen, sich bewusst engagieren und authentisch (eigentlich) leben sind nur verschiedene Formeln für das, wozu Sartre mit seinem philosophischen, literarischen und politischen Werk seine Mitmenschen aufrufen wollte."

:)
 
@Ray (y)

Weshalb Sartre so stark verehrt wurde und noch wird leitet sich ja gerade aus seinem Status als Bohemien und Freigeist ab, der keine die individuelle Freiheit einschränkende Autoritäten duldete.

Dieser von ihm, wie Du schon zitiertest, eingeforderte unabdingbare Freiheitsanspruch ist zunächst einmal eine eitle Überhöhung der menschlichen Möglichkeiten = conditio humana, die aber der eigenen Eitelkeit schmeichelt!

Von anderen Flachdenkern in dieser Richtung hebt er sich aber dadurch ab, dass er die daraus resultierenden Pflichten nicht einfach wegdrückt, sondern im Gegenteil dazu auffordert, sich einzumischen, für seine Einsichten zu kämpfen und bewusst nach seiner inneren Überzeugung zu leben! Und vorgelebt hat er das ja auch!

"Moral ist Desinteresse, wenn sie abstrakt ist".

Deshalb wäre er auch in unseren Zeiten der kollektiven global-medialen Hirnwäsche im Softmodus nach den schlimmen Erfahrungen mit dem Faschismus und Kollektivismus durchaus der richtige Impulsgeber! Vieles von dem, was er anprangerte, wird uns heute nur etwas weichgespült z.B. als 'political correctness' untergejubelt!

Trotzdem ist die totale persönliche Freiheit für mich eine Fiktion, ich glaube an ein letztlich determiniertes, überpersönliches Weltprogramm mit uns als kleinen Rädchen drin. Wie gesagt, ich glaube daran! ;)

gruß schrotti :) :)
 
Also wenn wir hier jetzt schon mit Philosophie anfangen, ich finde mich am ehesten im Positivsmus wieder, das ist dem Standpunkt von Satre nicht allzu weit entfernt...
 
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