[Hinweis] Keine Zeit für Testphase

Gamma-Ray

Moderator
Teammitglied
Keine Zeit für Testphase

Bei Mammut-IT Anwendung zu Arbeitslosengeld II blieb keine Zeit für Testphase

Ihr habt das sicher auch mitbekommen, dass dieses staatliche IT-Großprojekte zu einem vorprogrammierten Flop führte, aber ohne Risiko für die Wirtschaft :devil

Staatliche IT-Großprojekte sind oft von vornherein zum Scheitern verurteilt. Zeitpläne, auf Wahlen abgestimmt sind, führen zu unsinnigen Vorgaben der Auftraggeber und unrealistischen Zusagen der beteiligten Firmen. Die Zeche zahlt dann der Steuerzahler, schreibt das Computermagazin c't (aktuelle Ausgabe). So zeigt das Beispiel LKW-Maut, die Privatisierung bisher staatlicher Aufgaben. Bei dem "Public Private Partnership" tritt der Staat Funktionen, die bisher dem Bundesamt für Güterverkehr übertragen waren, an private Unternehmen ab. Diese finanzieren mit Hilfe der staatlichen Einnahmen ihre Investitionen in eine neue Technik.

Die Komplexität der überdimensionalen Projekte wird in der Regel von allen Beteiligten zuerst unterschätzt, besonders deswegen, weil die beteiligten Firmen daran verdienen, selbst wenn die Pläne scheitern.

Gleiches gilt für die Zusammenlegung der Sozial- und Arbeitslosenhilfe. Hier soll nun die größte E-Government-Anwendung Europas entstehen: Von bis zu 40.000 Arbeitsplätzen aus sollen Verwaltungsmitarbeiter gleichzeitig mit einer webbasierten Lösung in einer Datenbank arbeiten können und für über 3,2 Millionen Langzeitarbeitslose das neue Arbeitslosengeld berechnen. Dabei hat der Gesetzgeber erst im Juli festgelegt, wie das Arbeitslosengeld II bemessen werden soll. Daher bleibt für eine Testphase des mit 15 Millionen Euro angesetzten Systems keine Zeit mehr.

Auch beim nächsten staatlichen Megaprojekt, der ab dem 1. Januar 2006 geplanten elektronischen Gesundheitskarte, ist das Scheitern quasi schon programmiert. Mit geschätzten Investitionskosten von über 1,6 Milliarden Euro und erwarteten 12 Milliarden Transaktionen pro Jahr ist die geplante Infrastruktur das momentan größte IT-Projekt der Welt. Die Verbände der zukünftigen professionellen Anwender - Krankenkassen, Ärzte, Krankenhausträger und Apotheker - konnten sich aber bisher nicht einmal darauf einigen, ob medizinische Daten und Rezepte auf der Karte selbst oder auf zentralen Servern abgelegt werden sollen.
 
Nicht nur aus diesem Grund komme ich immer mehr zu der Überzeugung, dass wir eine längere Legislaturperiode brauchen. Viele Zukunftsthemen sind in vier Jahren einfach nicht vernünftig lösbar.
 
Eigentlich hätte ich hier mal wieder das allgemeine dumpfe Loshacken gegen "den Staat" erwartet. Aber vermutlich spüren die meisten von uns inzwischen, dass die von Gamma dargestellten Fälle ein Ergebnis unserer Sparforderungen an "den Staat" sind.

Einige von Euch werden schon alleine durch meine Wortwahl an die Decke gehen. Es klingt halt alles sehr nach Klassenkampf-Propaganda.
Ist es aber nicht.
Worte wie "Kapitalismus", "Unternehmer", "Kapital" usw., die auch als Schimpfworte benutzt werden, oder weil der ach so tote Karl Marx (übrigens ein in der Wissenschaft durchaus anerkannter Ökonom) sie benutzte, haben auch eine inhaltliche Bedeutung. Und auf die sollten sich die Tucholsky´schen Übelnehmer konzentrieren. Ich hab keine Lust, mich in jedem Posting mit den Berufsbeleidigten auseinanderzusetzen, die ihr persönliches Wohlbefinden von falsch verstandenen Wörtern (PISA läßt grüßen!) abhängig und mich dafür verantwortlich machen.

Also:
Wie Gamma richtig dargestellt hat, entstehen die Verwerfungen bei der Rückgabe von Kompetenzen. Aber nicht nur im IT-Bereich, wo "Staat" sowieso einfach zu lahmarschig ist. Das liegt aber nicht an den "faulen" Beamten, sondern an der Gesamtstruktur. Wieviele kleine und kleinste Gesetze sind zu beachten, wieviele Fehler möglichst vorausschauend zu umgehen? Der Staat kann nie mehr als die Summe seiner Glieder leisten. Und die meisten von uns haben ja schon Probleme bei einzelnen Sätzen aus Gesetzestexten.

Weitere Beispiele wären die Bundesbahn bzw. BahnAG (flächenweite Versorgung der Bevölkerung mit Transport vor allem zum/vom Arbeitsplatz) sowie die Energieversorgung (Bereitstellung von Ressourcen), aber auch die Telekom-Privatisierung (Bereitstellung von Kommunikationsmitteln). Alle diese Bereiche haben gemeinsam, dass sie zu den (ehemaligen) Staatsaufgaben gehören. Einen Staat bildet Mensch, um genau solche Aufgaben zu meistern, ohne dass der einzelne dadurch über Gebühr belastet wird. Höchstens über Gebühren.
Allerdings muss dann auch der Hauptbelastungsträger die Verantwortung zugesprochen bekommen, was auch eventuelle Gewinne beinhaltet. Bei der Rückübertragung dieser Geschäftsbereiche an die Gesellschaft stehen natürlich die bisher damit beauftragten Firmen durch Kompetenz und Erfahrung an vorderster Stelle. Nun ist Mensch aber so geartet, dass er zwar gerne die Annehmlichkeiten - sprich Gewinne - aus solch einem Projekt in Kauf nimmt, die unangenehme Seite - sprich Kosten - lieber an andere weitergibt. Und eine Firma, die das Geschäft jahrzehntelang betrieben hat, weiß auch, wo die Schoko- und wo die Scheißseiten sind.

An diesem Denken sollten wir zuerst arbeiten. Wir können es uns schlicht gesagt nicht leisten, jeden und alles einer Kosten-Leistungsrechnung zu unterziehen. Die ist zwar ein wunderschönes Sparinstrument, aber sie ist nicht der liebe Gott. Wir müssen weg von dem Gedanken, dass eine Großfirma oder ein großer Politiker alles schon "irgendwie gut und richtig" macht und das wir zur Not alles kontrollieren können.
Können wir nicht.

Gerade bei den von Gamma und mir aufgezählten Bereichen spielt weit mehr als nur Funktionalität eine Rolle. Ein Fehlen dieser Art von Grundversorgung könnte gewaltige Emotionen hochkochen lassen, bis hin zur offenen Revolution. Schließlich legen wir alle unsere Steuergelder zusammen, um dem Staat das zu ermöglichen.
Nun kann´s der Staat nicht mehr.
Hat sich ein arbeitsloser Programmierer mal hingesetzt, und an die Arbeitsagentur eine sachliche Manöverkritik zum Arbeitsportal geschickt? Nee, gemeckert und gezotet haben die ohne Ende, nur um sich selbst als überkompetent darzustellen. An der Sache selbst wurde in keiner mir bekannten Veröffentlichung irgendwas kritisiert. Erst als das teure Kind in den Brunnen gefallen war, wusste plötzlich jeder, woran es gelegen hatte.
Wo blieb das Feedback aus Hackerkreisen, dass sich die Suche EINES Arbeitsangebotes zum Abenteuerurlaub auswuchs, und vor allem warum das so ist? Und dass man bei 20 oder 40 Bewerbungen pro Woche mindestens 150 Angebote sichten muss? Wer hat den Verantwortlichen mal gesagt, dass man übers Agenturportal bei der Suche nach Telearbeitsplätzen zwar kein einziges seriöses Angebot, aber hunderte zweifelhafte bis kriminelle Angebote bekommt? Wenn man überhaupt soweit kommt.

Wir haben es jahrzehntelang zugelassen, dass der Staat sich mit der Drecksarbeit befassen muss, die im Kontext unseres kapitalistischen Systems auftaucht.
Durch die Verbindung von Staatseinnahmen und sozialer Absicherung mit dem Faktor Arbeit ging dies bisher auch leidlich gut, da immer genug Arbeit vorhanden war. Manchmal sogar so viel, dass "der Staat" auf Wunsch der Unternehmer ganze Bevölkerungsgruppen aus dem Ausland eingeladen hat, bei uns zu arbeiten. Ohne die entsprechenden volkswirtschaftlichen Konsequenzen zu berücksichtigen, bzw. diese wurden auf "später" verschoben.

Jetzt ist "später".

Der Faktor Arbeit verschwindet rapide aus der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, die Konsequenzen bleiben; und zwar beim Staat, nicht bei den (Mit-)Verursachern. Es wäre also an der Zeit, über diese Koppelung nachzudenken.

Leider befassen sich ALLE augenblicklichen politischen Konzepte nicht mit dieser Tatsache, sondern doktern an den Symptomen herum. Die Einen wollen denen, die noch Arbeitsplätze anbieten, alle Freiheiten einräumen; die Anderen versuchen dasselbe, aber ohne dass es jemand wehtut. Das ist das ganze politische Spektrum, jedenfalls der ernst zu nehmende Teil.

Beide Möglichkeiten können nur für eine begrenzte Zeit gut laufen, da sie im Grundsatz von dem schleichenden, aber im System des Kapitalismus implementierten Wegfall des Faktors Arbeit nichts wissen wollen. Alle bestehen darauf, dass es "später" wieder Arbeit für alle gibt.

Die - in meinen Augen begrenzte - Möglichkeit besteht durchaus. Aber diese Arbeit wird ganz anders aussehen. Produktion wird in Deutschland unbezahlbar werden, wenn wir das jetzige System beibehalten.
In Deutschland müssen wir auf Dienstleistungen, vor allem aber auf Dienstleistungen mit Know-How setzen.
Dem steht die äußerst miese Ausbildungspolitik der Unternehmen im Wege. Das Volk der Denker und der Weltmeister im Maschinenbautüfteln verkauft lieber entsprechende Patente ins Ausland und kauft dafür Dienstleistungen im Ausland, als die Betriebsrenditen wenigstens teilweise in die Weitervermittlung des Wissens zu stecken. Eine echte "Investition" also. Betriebe investieren zur Zeit aber lieber in ausländische Papiere, um Risiken abzusichern.
Das bringt für den Augenblick mehr Geld, ist aber langfristig tödlich für eine Volkswirtschaft.

Der gängige Tenor: "Dann müssen wir uns eben die Fachkräfte aus dem Ausland holen, da sind die eh billiger" oder die Verlagerung ganzer Produktionszweige hin zu den "Wissenden", also ins Ausland, ist eine ziemlich schweinische und zynische Angelegenheit.
Soll der Staat doch Leute ausbilden. Woher dieser dafür die Knete nehmen soll, wenn die Leute hier im Land auf die Straße gesetzt werden, bleibt ihm selbst überlassen. Arbeitslosengeldausgaben statt Steuereinnahmen.
Die Steuergeschenke an uns nehmen wir gerne und stellen auch mal ein paar 400-Euro-Leute ein, damit wir nicht ganz so schlecht dastehen. Übrigens tut der Staat als Arbeitgeber auch nix anderes. Klasse Vorbildfunktion. Für manche bekommen wir sogar die Kosten vom Arbeitsamt für ein volles Jahr zumindest teilweise ersetzt.
Wundert´s da wen, wenn wir nur noch mit Zeitverträgen arbeiten? Wir müssen ja die Controller-Firmen und die Steuerberater bezahlen. Und wenn Ihr das nicht glaubt, denkt wenigstens an unsere Share-holder, also Euch selbst, die Ihr uns Kredite gegeben habt, trotz unserer angeblichen Eigenverantwortung, und die ein Recht auf jährlich im zweistelligen Bereich steigende Zinsen haben müssen, weil sie sonst Ihr schönes Geld ins Ausland tragen.
Und wir Unternehmer müssen ja auch für unser finanzielles Risiko entschädigt werden, damit wir fünfmal im Jahr auf den Lofoten Golf spielen können. Das hilft der Wirtschaft dort wieder auf die Beine. Und meine Frau kauft nun mal lieber in New York als in Paris ein. Wegen der Parkplatzprobleme. Berliner Mode? Zu provinziell. Man muss ja repräsentieren.
(Zwischenfrage eines Zaungastes: Ja wer trägt denn nun das Risiko? Der Unternehmer oder der Share-Holder?Oder die Bank?Oder der Steuerzahler?).
Selbst Hardliner des Kapitalismus wie Schrempp beginnen so langsam, diese Gefahr zu sehen (siehe Interview im "Stern")

Supi, Dein Vorschlag in allen Ehren. Aber er setzt eben auch voraus, dass "später" wieder genug Arbeit da ist. Egal, von welcher Partei diese dann wieder zu sogenannter Volkswirtschaft verwurstet wird. Zweifel am Funktionieren liegen hier nicht im Pessimismus begründet, sondern resultieren aus der Kenntnis menschlicher (vor allem Politiker-) Schwächen. Schlag nach bei - nein, nicht Shakespeare, sondern Max Weber. Und - ja doch - auch Marx hat sich schon diese Gedanken gemacht, bevor er sich von den Radikalen hat vereinnahmen lassen.

Die Verlängerung der Legislaturperioden (Verfassungsänderung mit allen entsprechenden Komplikationen und - möglicherweise faulen - Kompromissen) würde nicht nur die Möglichkeit schaffen, länger alles besser zu machen, sondern auch die, Fehler über längere Zeit nicht oder nur kompromissartig verzerrt korrigieren zu können.

Im alten Rom gab es die Institution der "Tyrannis" (Tyrann ist wieder so ein Wort, von denen ich in der Einleitung sprach). Ein Senator oder eine andere gehobene Persönlichkeit wurde für einen gewissen Zeitraum als Alleinherrscher mit allen Machtkompetenzen gewählt, um Schaden vom Römischen Staat abzuwenden. Das funktionierte sogar ab und zu.
Aber der Missbrauch war vorprogrammiert.
Ähnliche Erfahrungen bei uns, z.B. mit Brünings Notverordnungen, vor allem aber im dritten Reich, haben uns diese Möglichkeit in die hinterste Schublade werfen lassen. Die "kurze" Regierungszeit ist ein Ausdruck des Geistes unserer Verfassung, nie wieder Einzelnen zu viel Macht einzuräumen.
Auch hier wird in den letzten Jahren viel unterlaufen, hauptsächlich durch den Personenkult an Stelle der Sachdiskussionen. Kohls und Biedenkopfs (und aktuell: Teufels) Neo-Feudalismus sind die historisch rückschrittlichen Ergebnisse dieser unseligen menschlichen Eigenschaft, Ellenbogenmenschen und Lautsprechern auch die Sachkompetenz zuzutrauen.

Also leider auch kein Weg.

Mein Vorschlag ginge eher in die Richtung, unsere gute Deutsche Kleinstaaterei (Föderalismus) neu zu ordnen, vor allem, da wir ja in Europa wieder ein ähnliches Bild bekommen.
Die Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern müssten nach europäischen Gesichtspunkten ausgerichtet werden, die sogenannte "Kompetenz-Kompetenz" (ein Fachbegriff aus der Staatswissenschaft) des Bundes müsste gedeckelt werden.
Im Klartext heißt dies, dass der Bund viele bisherige Aufgaben der Ländergesetzgesetzgebung (Im Grundgesetz steht ursprünglich, dass die Gesetzgebung Ländersache ist) an sich gerissen hat und nun nicht mehr in der Lage ist - nicht mehr sein kann - , die Auswirkungen im letzten Winkel der Republik zu überschauen.
Hier wäre ein sinnvolles Zusammenspiel von Zentralisierung/Dezentralisierung mit größerer Verantwortung der Länder, ja sogar der Gemeinden notwendig. Auch die Staatseinnahmen - also Steuern - müssten im Lastenausgleich neu verteilt werden.
Es laufen zur Zeit einige Pilotprojekte, kleineren politischen Einheiten (Gemeinden, Landesbetriebe) durch Budgetierung einen Handlungsspielraum zu geben. Aber auswertbare Ergebnisse werden vor der nächsten Bundestagswahl nicht erzielt werden. Und ob die nächste Regierung dies im gleichen Maß fortsetzen wird, steht in den Sternen.

Genau hier sitzt der Kasus Knacktus. Jeder kann den Bund verstehen, wenn er die Verteilung und damit die Übersicht über Staatseinnahmen und -Ausgaben behalten will.
Aber das ist dann auch die Ursache für die unendlich lange Dauer unserer Gesetzgebungsverfahren, weil die Länder sich über den Bundesrat einen Teil dieser Kompetenz wieder zurückholen.
Und hier wird die ganze Sache, zumindest in unserer augenblicklichen Situation, parteipolitisch. Über den Bundesrat regieren gewählte Landesregierungen in die Politik der gewählten Bundesregierung hinein, was zu dem allgemein bekannten Stillstand, bestenfalls zu faulen Kompromissen wie in der Reform des Gesundheitswesens, führt.

Eine Verlängerung der Regierungsperioden würde hier eher zur Verlängerung des Stillstands führen.

Die Lösung? Möglicherweise müsste die jeweilige Opposition auf Bundesebene sehr viel weiter in die Regierungsverantwortung genommen werden, als das bisher der Fall war.

Die jeweilige Opposition konnte durch "Taktieren" die Handlungsfähigkeit des Staates blockieren. Ohne Verantwortung kann jeder jede Sau durchs Dorf treiben, egal ob sie drei Beine und nen Buckel hat oder eigentlich ne Ratte ist, auf der "Sau" steht. Eine verantwortliche Berechnung der Vorschläge einer Opposition wird nicht verlangt, und so können die abstrusesten Verbindungen hergestellt werden, nur um die nächste Wahl zu gewinnen, abwechselnd auf Bundes- wie auf Länderebene.
Dies Alles müsste auf den gesellschaftlichen Prüfstand gesetzt werden, um unserer Nachfolgegeneration politische Handlungsspielräume in Europa zu gewährleisten. So lange solche Prüfungen aber in atomisierten Dosen in den parteiinternen Zirkeln diskutiert werden, ist keine Änderung zu erwarten.
Es müsste ein von allen Deutschen getragener Großauftrag an die Elite der (bei uns leider schlecht bis sehr schlecht in Nischen ausgebildeten) Staats- Volks- und Betriebswirtschaftler sowie einem überparteilichen Gremium aus allen politisch relevanten Klassen ergehen, der eine fast völlige Neukonzeptionierung unseres Staates hervorbringen müsste.
In solch einem Projekt könnte es auch kaum passieren, dass ein Herr Merz sich durch fremde wissenschaftliche Ergebnisse jahrelanger Forschung (Prof. Kirchhoff/Uni Heidelberg) und ein paar volkstümliche Worte ("Bierdeckelsteuer") zum "Wirtschaftsfachmann" hochstilisieren lässt.

Aber mal ganz ehrlich: Wer will schon so viel Veränderung? Haben wir nicht genug damit zu tun, die Miete zu bezahlen und die Kinder zu versorgen?
Und hinter jeder Veränderung kann auch Missbrauch stehen.

Also lassen wir alles beim Alten. N bisschen Silikon hier und da, bessere Fotografen für die Politiker, und denn haben wir aber genug gelitten. :crazy
_____________
 
@Delwin (y) (y) (y)

Ich habe an keinem Thread hier im Board solange und so begeistert gelesen wie in deinem Beitrag. :)

Es gibt soviele intellegente Lösungsvorschlage um so wie du es aufgezeigt hast, einen Weg aus
diesem Dilemma zu finden. Und du gibst auch gleich die ehrliche Antwort darauf, warum wir es nicht schaffen.

Danke! Ich habe es mir auch ausgedruckt.

:)
 
Es gibt ganz sicher viele kontruktive, wirksame und auch durchführbare Lösungen für einen Großteil unserer jetzigen Probleme, aber die weitaus größte Anzahl dieser Lösungen wird natürlich gewisse Unbequemlichkeiten mit sich bringen.

Um nur ein Beispiel eines absolut logischen Ansatzes (der natürlich nur die Teillösung eines Teilproblemes darstellt) zu nennen:

wie von Delwin erwähnt haben wir zu Zeiten der Vollbeschäftigung Gäste aus dem Ausland geholt (daher wohl auch der Begriff der "Gastarbeiter").
Diese haben natürlich auch in unsere Sozialsysteme eingezahlt und somit u.a. bei Arbeitslosigkeit einen Anspruch auf ALU.

Nur was passiert wenn dieser Bezugszeitraum vorbei ist und der Betroffene immer noch keine neue Arbeitsstelle hat?

Die logische Konsequenz wäre: ab in die Heimat (da unsere Politiker so gerne die Vollbeschäftigung in der Schweiz als leuchtendes Beispiel nennen und dafür u.a. den im Vergleich zu Deutschland quasi nicht existenten Kündigungsschutz nennen: die Schweizer machen das genau so, ein arbeitsloser Ausländer bleibt nicht lange in der Schweiz).

Der nächste logische Schritt wäre natürlich: wenn ich schon für die einheimische Bevölkerung nicht mehr genug Arbeit habe brauche ich eigentlich keine Gastarbeiter mehr. Und mit der bereits erfolgten Anpassung der Zumutbarkeitsgrenzen kann in Zukunft ja auch ein arbeitsloser Akademiker bei der Müllabfuhr eingesetzt werden.

Allerdings wird man in unserem so wunderbar liberalen und politisch korrekten Land mit so einem Vorschlag vermutlich sofort in die rechte Ecke abgedrängt.

Da aber der weitaus größte Teil der Gastarbeiter mittlererweile aus EU-Staaten kommen dürfte haben wir uns durch unsere EU-Mitgliedschaft diesen Weg wohl selbst verbaut.

Was mich zu einem weiteren Sparansatz bringt:
warum müssen wir bei unseren offensichtlichen wirtschaftlichen Problemen nach wie vor der mit weitem Abstand größte Nettozahler der EU sein ?

England hatte in Zeiten wirtschaftlicher Rezession keine Probleme damit seine Mitgliedsbeiträge drastisch zu reduzieren, auch gegen den erheblichen Wiederstand der anderen Mitgliedsstaaten.
 
Original geschrieben von Grainger
Nur was passiert wenn dieser Bezugszeitraum vorbei ist und der Betroffene immer noch keine neue Arbeitsstelle hat?
Das ist auch ein Teil meiner Argumentation. Leider konnte ich die angesprochenen Punkte nur oberflächlich behandeln, der Beitrag war sujetbedingt leicht (*ggg*) ausgeufert.

Ich würde aber gerne noch betonen, dass die Übernahme der Sozialtransferleistungen für die "Gast"-arbeiter, aber auch aller anderen Entlassenen, ein weiteres Milliardengeschenk neben den ständigen Steuergeschenken des Staates an die Industrie ist. Der Staat sind wir. Also bezahlen wir bereits Unsummen. Wo bleiben die?
Der Grundsatz "Gewinne privatisieren, Kosten sozialisieren" ist nicht nur ein satirisches Bonmot, sondern fester Bestandteil unserer Unternehmer-Ellenbogen-Mentalität. Aber genau dies ist es, was den Staat ausbluten läßt.
Wo bleibt hier die "Unternehmerische Verantwortung", die bei Tarifverhandlungen stets gerne ins Feld geführt wird?
Betriebliche Altersversorgung? -Als Kostenfaktor abgebaut.
Betriebskindergärten zur Entlastung der Eltern? -Um Gottes Willen!
Betriebliche Arbeitslosenversicherung? -Terrorismus, Umsturz, Revolution!!!
Da beginnt sofort wieder das Gejammer auf höchstem Niveau.
__________
 
Oben