Alzheimer? Davon gibt´s unter den jetzigen CDU-Sympathisanten auch ein oder zwei:
Mal abgesehen davon, dass ich von Schröder auch maßlos enttäuscht bin (als JuSo-Vorsitzender hat der damals noch ganz anders getönt):
Wer dem Schröder heute Unfähigkeit vorwirft, der sollte sich mal die 16 Jahre Kohl genauer reinziehen. Der Reformstau ist nämlich eine Erfindung der CDU.
Das ewige Bundesblümchen mit seinem ewigen "Die Renten sind sicher" tönt mir heute noch in den Ohren. Sicher war an den Renten nur, dass die ganzen Jahre gerade mal soviel dran rumgeschustert wurde, dass der Kitt bis zum jeweils nächsten Wahltermin hielt. Die Erkenntnis, dass die Bevölkerungspyramide bald auf der Spitze steht, stammt von Helmut Schmidt, dem (SPD-)Vorgänger Kohls.
Die Benzinpreise stießen in der Regierungszeit Kohls ständig an "magische Marken", aber immer nur von unten an die nächste. Die heute so viel geschmähte Öko-Steuer wurde noch von der damaligen Umweltministerin Angela Merkel mit in Gesetzesform gebracht. Hätte Kohl die Wahl gegen Schröder gewonnen, stünde sie heute am Pranger. Das gleiche gilt auch für das Dosenpfand, von dem unsere Getränkeindustrie und die Supermarkt-Lobby so tut, als wäre es alleine an der Weltwirtschaftskrise schuld. Sie wußten seit Jahren, dass es kommt. Dass sie nicht darauf vorbereitet waren, beruht auf den Verdrängungskünsten der Nadelstreifenträger, nicht auf Trittin.
Apropos Schuld - bzw Schulden: Kohl hatte in all den Jahren nicht nur die CDU-Spendenkassen fleißig bei Kirch und Co. auffüllen lassen. Er finanzierte unzählige heimliche und offene Konjunkturprogramme durch ständige Erhöhung der Nettokreditaufnahme. Er destabilisierte die deutsche Marktwirtschaft, indem er die Exportwirtschaft so lange förderte, bis sie zu einem Wirtschaftsexport führte, schließlich wollen die Firmen zur Einsparung von Logistikkosten so nahe wie möglich bei ihrem Markt sitzen. Uns hier wurde der dauerhafte Wegfall unserer Arbeitsplätze als notwenige "Globalisierung" verkauft. Unter Kohl stieg die Sockelarbeitslosigkeit um über 100 %, obwohl er mehrfach dabei erwischt wurde, wie er die Zahlen durch Auslagerung in ABM-Stellen und ähnliche Tricks nach unten korrigierte.
Um dies zu kaschieren, wurden die sozialen Transferleistungen Stück für Stück zurückgefahren, flankiert von zum Teil beleidigenden Attacken gegen Arbeitssuchende, Rentner und Sozialhilfeempfänger durch "christliche" Regierungsmitglieder. Unternehmen erhielten Steuergeschenke en masse, je größer desto höher; Millionäre konnten ihre Steuerlasten auf 0 herunterrechnen, während sich ein Facharbeiter mit seinem Nettolohn so weit der Sozialhilfe näherte, dass er sich nie einen solch cleveren Steuerberater hätte leisten können.
Ein Argument wurde den Arbeitslosen täglich um die Ohren gehauen: Wenn´s den Unternehmen gut geht, können sie mehr Arbeitsplätze schaffen. Tja - Pustekuchen, die Arbeitsplätze entstanden auf den Yachten in Monaco und auf den Bahamas. Die Fahrkarte dahin übersteigt die Sozialhilfe etwas. Auch die Miete für eine Unterkunft im 10-Betten-Zimmer, falls es dort so etwas gibt.
Ach ja: Auch Schröder hat den Unternehmen im letzten Jahr unfreiwillig ein Milliardengeschenk gemacht. Durch die Erweiterung der Verlustfortschreibung können die größeren Unternehmen ihre Steuerschulden so weit verlagern, dass Schröder nicht mehr dran kommt. Neue Arbeitsplätze? Denkste! Die haben ihm als Dank dafür noch im Bündnis für Arbeit einen Tritt in die Zwölf verpasst, während sie in der Öffentlichkeit gleichzeitig über die "unverschämten" Gewerkschaften herzogen. Was blieb davon beim typischen BILD-Leser hängen? Ratet mal!
Durch das ständige Geschrei der Opposition und der Arbeitgeberverbände haben wir heute allgemein den Eindruck, das die Sozialhilfe zu hoch ist. Tatsächlich bewegt sie sich jedoch knapp
unterhalb des vom Verband der Steuerzahler festgestellten Existenzminimums. Es war keineswegs so, dass die Sozialhilfe jemals gravierend erhöht wurde: Die Nettolöhne wurden durch die ständig steigenden Lohnnebenkosten (tja, liebe Unternehmer, auch ein Hilfsarbeiter muss mindestens die Hälfte davon aufbringen!) de facto gemindert. Ein Abgleich der Sozialtransferbeträge mit dem Inflationsindex fand unter Kohl nur sporadisch und nach Kassenlage statt. So war das.
Um keinen Endlos-Thread hieraus zu machen, hör ich hier mit der Aufzählung auf. Aber es muss mal gesagt sein: Schröder wurden bisher keine 16 Jahre gegönnt, um den ganzen Wust wieder aufzulösen, bzw. er wird heute sogar sogar persönlich zur Sau gemacht, weil er es nicht schafft, diese ganze Schweinerei ins Gegenteil zu verkehren.
Vielleicht sollten wir uns einmal bewusst machen, dass dies nur geschehen kann, wenn diejenigen Opfer bringen, die von der Kohl-Wirtschaft am meisten proifitiert haben. Leider gehört dazu auch ein bedeutender Teil der Medienwirtschaft, deren Mitglieder also in Presse, Funk und Fernsehen ihre Proteste schnell und direkt vervielfältigen können, wie man an den Reaktionen in der Bevölkerung - ja, sogar von Arbeitslosen - sehen kann:
Alles schimpft unisono mit der gleichgeschalteten Springer-Presse, zu der auch SAT1 und n-tv gehören, wie seit Adenauers Zeiten auf die SPD. Mit der CDU sympathisieren im Augenblick so viele "Meinungsmacher", dass wir von Berlusconis Italien gar nicht mehr so weit entfernt sind. Und das mein ich nicht nur geographisch.
Also - ich kann diesen Showkanzler auch nicht leiden. Aber ich bin fair genug, ihm dieselben Chancen einzuräumen, die wir alle dem dicken Schlitzohr gegeben haben. Jedenfalls glaub ich dem Schröder eher den guten Willen, als dem Schwarzkassierer aus der Pfalz und seinen jetzt so oberklug daherschreienden Lehrlingen Merz, Merkel und Koch (dem Dorfrichter Adam von Hessen). Und zu dem aus Bayern: der war damals derjenige, der Franz Josef Strauß die Argumente in dessen antidemokratisch-asoziale Reden hineinarbeitete. So sieht also die Alternative aus.
Gruß, Delwin