[Diskussion] Das Misstrauensvotum - wann?

B

Brummelchen

Gast
Das Misstrauensvotum - wann?

Ich habe die letzten Tage und auch Wochen doch sehr intensiv Zeitung gelesen und auch Berichte verfolgt.

Wann wird das Misstrauensvotum gestellt?

Nicht ob, sondern wann - denn es wird kommen, soviel steht fest.

Die CDU hat eine Kommission einberufen, die auf vorsätzlichen Wahlbetrug untersucht - das Ergebnis wird Anfang Februar bekanntgegeben.

Die neuerlichen Staatsschulden und der blaue Brief aus Brüssel konnten vorrausgesehen werden. Und anstatt es nun endlich dem Rat der 5 Weisen Recht zu machen (eine Institution der SPD) und auch dem Rat anderer Untersuchungen zu folgen - nein es werden Steuern erhöht, Gelder gekürzt.

Die Augenwischerei der MdB (Stichwort Diäten) ist ein Tropfen auf den heissen Stein.

Gestern waren seitenlange Meinungen über die Forderungen von VERDI zu lesen - 3% sollen es werden.

Krefeld kosten diese 3% ca 6 Millionen Euro, das macht ca 450 Arbeitsplätze nebst Kürzungen im öffentlichen Etat für karitative und soziale Einrichtungen. Andere Städte müssen und habend eshalb kein geld mehr für notwendige Renovierungen (Stadtbäder), Bibliotheken, Vereine etc.

Und unser Kanzler hat schon wieder einen Schulterschluss mit dem DGB geschlossen (Busenfreunde). Ist der bescheuert?

Dann diese unsinnige Steuer auf Aktienverkäufe. Ein Schlag auch gegen die Riesterente, weil auch die auf Aktien als persönliche Vorsorge gedacht ist. Einmal geben, einmal nehmen, der Vorteil ist dahin.

Dann die Baubranche. Ich seh grad, da soll ein Notprogramm verabschiedet werden.

Zudem ist das verhältnis zwischen Bush und Kanzler mehr als eiskalt - die Wirtschaft in den USA folgt dem und knappst unseren Handel ab. Alles nur, weil Kanzler der Meinung ist, Deutschland müsse sich verweigern. Ok, bin selber dafür, aber Bush, dieser Sturkopf hat sich heute in Prag wieder negativ zu uns geäussert.

19.9% Rentenversicherung? Spinner !

Kurz um - die Wirtschaft und der Aufschwung kränkeln extrem und wenn die von der SPD einberufene Kommission zum Herbst 2003 das Gutachten über weitere Schritte vorlegt, ist das ein Wisch für den Lokus, weil es keine Wirtschaft mehr dafür gibt - Deutschland ist pleite und am Arsch.

Da nützen auch keine Bibelsprüche, Herr Eichel.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Brummelchen,

hierzu meine Stellungnahme, die ich jetzt einfach mal von einem anderem Forum hierher kopiert habe:

nun möchte ich auch mal ein bischen meine Meinung hier abgeben:

Fakt ist doch erstmal, daß egal welche Partei an der Macht wäre, alle nur "mit Wasser" kochen können. Das größte Problem IMHO ist es jedoch, daß unsere "Volksvertreter" doch längst den Bezug zu den "kleinen Bürgern" verloren haben und sich gar nicht mehr vorstellen können, daß es jemanden mit einem Einkommen von z.B: 1000 € brutto, mehr weh tut, wenn mal so eben eine Steuervergünstigung gestrichen wird oder die Mehrwertsteuer erhöht wird, als jemanden der min. 6000€,netto in der Tasche hat.

Ich empfinde es als bodenlose Frechheit, daß sich diese Herren und Damen Politiker Ihr Salär selbst bestimmen können, ohne daß da noch irgendeine Kontrollinstanz vorhanden wäre, die diesem schamlosen Treiben wieder einhalt gebietet... siehe die beschlossene (auch von der CDU/CSU mitgetragen ! ) letzte Diätenerhöhung.

Genau hierin liegt doch der eigentliche Fehler im System.... wir haben in Berlin keine "Volksvertreter" sitzen sondern "Jetzt hab ich ausgesorgt, und nach mir die Sintflut" - Mentalitäten.... und zwar quer durch alle Parteien ....

Der Haken liegt eben daran, daß das "gemeine Volk" im Parlament ja gar nicht real vertreten ist.... oder wieviele echte "kleine, aus dem Volk" sind den jetzt im Parlament ???

Alles studierte Juristen und Beamte .... wenn man mal von Ernst Hinsken und damals Norbert Blüm absieht, die ja eine handerkliche Vergangenheit haben.... erst wenn sich diese Dinge ändern, wird in Berlin eine Pokitik zum Wohle unseres Landes und seiner Menschen gemacht werden, wie es eigentlich mit dem ablegen des Amtseides geschworen wurde.

IMHO ist es an der Zeit, eine Regresspflicht für Politiker einzuführen, nach der sie auch entsprechend bei Verfehlungen zur Verantwortung gezogen werden können....

Ich erinnere nur mal kurz an den mitlerweile in Vergessenheit geratenen "Schürmann-Bau".... da hört man nix mehr von.... möche schon mal wissen, wieviel Steuergelder da nach wie vor für eine sinnnlose Sanierung rausgeschmissen werden usw. usw. ....

Es wird Zeit , daß die Damen und Herren Parlamentarier endlich den eigentlichen Sinn des Wortes : Staatsdiener in Ihre Köpfe bekommen und begreifen !

Die sind in Berlin um Ihrem Lande zu dienen und nicht um sich auf Kosten der "Normalsterblichen" ein schönes Leben zu machen !

Kleiner Nachrag zum Schluß:

Und an uns ist es, nicht mehr nach Parteien sondern nach Persönlichkeiten zu wählen, die wirklich "den Karren aus dem Dreck" ziehen wollen... , daß man es dabei nicht allen Recht machen kann, ist mir auch klar....

aber es kann nicht angehen, daß immer nur die "großen" von der Politik profitieren, während die "kleinen" für deren Wohlstand sorgen, indem ihnen immer mehr der Boden unter den Füßen weggezogen wird....

Achtung Ironie - Anfang:

Man könnte sogar den Eindruck gewinnen, daß , die Opposition, nur pro forma gegen die Regierung arbeitet.... Beispiel : Einwanderungspolitik.

Da wird schon Jahrelang festgestell, daß wir Deutschen langsam aussterben, weil wir zu wenige Kinder in die Welt setzen.... somit sinkt auch die Basis zukünftiger potentieller Steuerzahler und Wähler..., ebenso wie die Basis derjenigen, die in die Sozialkassen einzahlen...

Fazit: Einwanderung muß propagiert werden.... und zwar an Menschen, die noch Vertrauen in die deutsche Politik haben und sich wie wir bisher völlig ohne Murren, wie die Lemminge ausquetschen lassen und sich dann dafür auch noch bedanken....

Ironie-Ende
 
:confused

Ihr durftet doch erst letztlich Eure Stimme erheben und ihn absetzen, oder bin ich da ganz falsch gewickelt ?
 
Du hast es erfasst, Snacketty. Wir haben gewählt und selbst zu verantworten, was nun passiert.

Hier in Deutschland kann jeder Bürger Gleichgesinnte um sich scharen und eine Partei gründen. Er kann sich als Kandidat aufstellen lassen, Wahlkampf betreiben und sich einer Bundestags-, Landtags, Gemeinderats- oder OB-Wahl stellen.

Aber wir Deutschen sind da viel zu bequem. Wir lehnen uns lieber zurück und motzen mit Schaum vor dem Mund über alle Politiker. Wir scheuen das Risiko selbst mit Hand anzulegen weil das bedeutet, dass eventuell mal jemand uns anmotzt. Nee, nee, lass mal Snacketty, die ganze Politikersippe soll nur so weiter machen, sonst kämen wir am Ende noch drauf, dass wir selbst eine Teilschuld an der Situation tragen.

Und soweit DARF es nicht kommen!

;)
 
Ich hab letztens noch viele schöne Aufkleber mit der Aufschrift

"Jammert mir nichts vor, ich habe CDU gewählt"

von der hiesigen CDU-Geschäftsstelle bekommen.

:D:D:D
 
...und was hätte die CDU/CSU besser gemacht? Ich kann nun mal meinen €uro nur einmal ausgeben, wenn er weg ist, is'ser weg! :D
 
Auch in Österreich ist es nicht anders - die sogenannten Volksvertreter vertreten nur sich selber auf
Kosten derer, für die sie arbeiten sollen, und die, die am lautesten über "soziale Kälte" jammern,
sind die schlimmsten....
Hierzulande sitzen Gewerkschaftler im Parlament, die dem Begriff "Arbeitnehmervertreter" nicht einmal
ansatzweise gerecht werden, das einzige, was sie vertreten, sind ihre eigenen Befindlichkeiten.

Alle 4 Jahre wird hoch und heilig Besserung gelobt, und nach den Wahlen bleibt alles so, wie es war,
oder es wird noch ärger - wie sonst wäre es möglich, daß seit 1970 ein Schuldenstand von damals 1,5
Milliarden Euro annähernd vertausendfacht wurde?

Jedem Österreicher fehlen heute rund 500 Euro im Monat, die für die Schuldentilgung aufgewendet
werden müssen - Geld, das die Politiker mit vollen Händen beim Fenster hinausgeworfen haben.
 
> Ihr durftet doch erst letztlich Eure Stimme erheben und ihn absetzen,
> oder bin ich da ganz falsch gewickelt ?

Hab ich doch versucht! :ROFLMAO:

Ernst:
Problem ist meiner Meinung nach, dass keine Partei sich mal traut grosse Veränderungen
durchzusetzen, weil ständig Neuwahlen sind und man will sich ja, gerade kurzfristig gesehen,
nicht unbeliebt machen. Deshalb werden doch seit Jahren wichtige Entscheidungen vor sich
hingeschoben und ständig nur Kompromisse eingegangen.
Das da auf Dauer nichts gescheites rauskommt ist wohl klar!

So und ich würde Politiker nach ihrem Erfolg bezahlen. So wie es in der Wirtschaft auch ist.
Wenn einer wirklich gute Arbeit leistet, dann bekommt er auch gutes Geld. Wenn einer versagt
bekommt er einen Minimalsatz. Und wer den Chef (das sind wohl alle Bürger) anlügt, der fliegt!

Man sollte Korruption in der Politik genauso ahnden wie in der Wirtschaft!
Wer scheisse baut der soll keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen.
Nicht so wie beim Herrn Kohl, der dann auf einmal wieder dick und fett im Bundestag drin saß!
(Weitere Beispiele erspare ich mir jetzt angesichts meines Blutdrucks...) ;)

Und wo ich richtig ausflippen könnte, das sind so Themen wie der Kohlepfenning!
Da zahlt man so richtig drauf! Von dem Geld was in Deutschland durch den Kohlepfenning
zusammen kommt, könnte man jedem Kumpel das 4-5fache von seinem Gehalt zahlen!
Mehr muss ich nicht sagen, oder? Da verbraten wir lieber die Kohle für die Förderung von Steinkohle,
als dass die Leute da immer mehr umgeschult werden um aus dem Kohlepott eine
konkurrenzfähige Wirtschaft zu fördern...

Und über die Gewerkschaften sag ich jetzt est gar nichts... :kotz

Gobo
 
Also im Grunde genommen halte ich persönlich auch nicht sehr viel von dem Gequatsche der Politiker, die immer erst zu Hochform laufen, wenn Wahlen bevorstehen.

Wenn man aber mal zurückblickt, dann steht die CDU/CSU in meinen Augen etwas besser da. Das spürt man vor allem in der Wirtschaft. Seit Schröder an der Macht ist, geht es mit der Wirtschaft den Bach runter. Firmen gehen pleite,. Hinzukommt, dass es immer mehr Arbeitslose gibt. War unter der CDU/CSU auch nicht viel besser. Wenigstens haben sie aber immer darauf geachtet, dass die Wirtschaft stabil ist. Das grenzt ja jetzt schon an ein Horrorszenario, wie in diesem Jahr viele Firmen Schiffbruch erlitten haben, und das war erst der Anfang, wenn Schröder nicht schnell umdenkt, was er aus meiner Sicht aber eh nicht machen wird.

Die Konsequenz ist, dass er in Misskredit der Menschen gefallen ist und an Ansehen verloren hat. In der Beliebtheitsskala ist er vom 2. auf den 7. Rang gefallen.
 
Naja, so viel anders ist es bei uns ja auch nicht ;)

Ich denke dass z.B. Gobo, der es versucht hat eine Berechtigung
dazu hat sich zu beschweren. Allerdings müsste er sich bei den
Mitbürgern beschweren, die entweder nichts oder nicht das was Gobo wollte wählten.

Mir geht es meist ähnlich bin meistens in der Minderheit, aufgeben tu ich allerdings nicht.
 
Die Frage ist, wer bei der Rentenversicherung die "Spinner" sind. Diejnigen, die den Beitragssatz auf 19,9% erhöhen oder diejenigen, die ernsthaft glauben, er würde sich mittelfristig unter 25% halten lassen. Der Generationsvertrag hat ausgedient, aber keiner traut sich heran. Der einzige Ausweg ist der schrittweise Ausstieg. Wer jetzt jung ist zahlt noch 20-25 Jahre, bekommt selber aber nichts mehr. Wer würde sich trauen, mit dieser Aussage, der einzig wahren, bei einer Wahl anzutreten?
Die Geschichte mit dem Wahlbetrug wird ohne Folgen bleiben. Warum hat die Opposition keine besseren Versprechen gemacht? Weil sie die schlechten Zahlen ebenfalls vorher schon kannte.
Die beschlossenen Massnahmen, so nötig sie auch sein mögen, sind allesamt falsche Signale. Jede einzelne führt zu Konsumverzicht, Sparsamkeit, Vorsicht - lauter lähmende Wirtschaftsfaktoren.
In den Ohren derer, die arbeits- oder mittellos sind, mag es wie Hohn klingen, aber Fakt ist: Die Deutschen stinken vor Geld - die Geldspeicher der Banken quillen fast über. Aber es wird nicht ausgegeben. Was wir brauchen ist eine Politik, die den Konsum anreizt, damit sich die Leute wieder Häuser bauen, neue Autos kaufen, ihre Wohnung neu einrichten, in Urlaub fahren etc.
Es ist genug Geld da, um die Wirtschaft in Schwung zu bringen, aber es wird eben nicht ausgegeben.
Und nach den jüngsten Beschlüssen, die übrigens keine Spar- sondern Erhöhungsbeschlüsse sind, wird das leider nicht besser werden.
Im Nachhinein komme ich ins Grübeln, ob der Wähler nicht doch besser eine große Koalition hätte befehlen sollen. Wenn die verstaubten Köpfe mal richtig aneinanderknallen, kommt vielleicht etwas Bewegung rein.
 
Bei uns ist man sich einig, daß Renten und Pensionen spätestens 2015 nicht mehr finanzierbar sind, wenn nicht kräftig reformiert wird.
Was passiert? Die "Sozialdemokraten" schreien nach Reformen - dabei hätten sie 30 Jahre Zeit gehabt, welche durchzuführen. Das würde aber Stimmenverluste zur Folge gehabt haben, etwas, was Politiker fürchten wie der Teufel das Weihwasser. Also schiebt man eine Reform auf die lange Bank - und verteufelt jene, die es trotzdem versuchen wollen.
Die "Sozialdemokraten" kommen jetzt wieder an mit Geschenken für alle, die treuherzig versprochen und wahrscheinlich ebenso treuherzig geglaubt werden - beides im Grunde wider besseres Wissen.
Bundeskanzler Schüssel, der viele Österreicher mit seiner Art zu regieren verprellte, hat bei der Diskussion mit Gusenbauer, als der mit diesem wirtschaftpolitischen Unsinn anfing, nur gefragt:
"Wem wollen Sie das wegnehmen?"
Man mag mit den "Schwarzen" in Österreich und Deutschland sympathisieren oder nicht - aber in Wirtschaftsfragen sind sie nicht ganz so daneben wie andere Parteien.
Mir will scheinen, daß den Deutschen jetzt dasselbe bevorsteht wie das, was uns vor 3 Jahren geschehen ist - zähneknirschend für die Versäumnisse der Politik bezahlen zu müssen.
 
>>Die Deutschen stinken vor Geld - die Geldspeicher der Banken quillen fast über.

Supie - wie war das? 15/20% halten 80% der Kohle?

Schau dir die Rechnungen vieler Familien an, die knappsen vorn und hinten, weil der Euro und jetzt die Steuer und alle anderen Erhöhungen einfach pillepalle sind. DAS ist Realität. Was die Banken im Tresor haben - davon können die sich auch nichts kaufen. Es trifft die Falschen, und das schon seit 4 Jahren.

Zudem geht es nicht um 19.9 oder 25% - das Geld wandert in die marode Staatskasse und nicht zu den Renten, wobei die Renten wohl noch am meisten abbekommen.

ghost hat es schon richtig beschrieben - unsere DIENER haben sich von der HERRschaft gelöst. Grosse Koalition, fast hätte es geklappt.

Die AG haben sich auf die Seite der CDU/CSU geschlagen - stehen immer noch dort. Weder die noch die SPD bewegen sich, ja was soll denn das? Anstatt das auszumerzen, werden dann eben die Steuern erhöht - aber diejenigen, die es treffen sollte, trifft es nicht mal. Und das hatte die SPD nicht vor der Wahl nicht versprochen, schade.

Mein 2. Kreuzchen sass doch an der falschen Stelle :cry:
 
Etwas Lektüre für die Lesewütigen:

Die WELT, 02.11.2002

Politik in der Vetogesellschaft
Regieren war in der Bundesrepublik immer schon die Kunst des Kuhhandels und Flickwerks - Essay

Von Franz Walter

Es ist Herbst. Und die Deutschen sind wieder einmal unzufrieden mit ihren Regierenden. Das werden wir auch im Herbst 2003 so erleben. Genauso im Herbst 2004. Und daran wird sich nicht das Geringste geändert haben, wenn im November 2006 der Kanzler womöglich nicht mehr Schröder heißt, sondern vielleicht Gabriel, Platzeck, Koch, Merkel oder wie auch sonst. Immerfort wird man in den Zeitungen dieser Republik zu lesen bekommen, dass die Regierung lediglich Flickwerk betreibt, dass die große politische Linie fehlt, dass der Kanzler nicht konzeptionell führt. Ab und an werden uns deftige Schlagzeilen überdies darüber belehren, dass wir eigentlich überhaupt noch niemals so jämmerlich, dilettantisch und visionslos regiert wurden wie gerade jetzt.

Denn so läuft es seit eh und je in der deutschen Bundesrepublik. Politik war hier nie der große, kühne, ordnungspolitisch streng nach einem Masterplan agierende Vollstrecker des Volkswillens; Politik im Innern war stets Krisenmanagement, Stückwerk, natürlich auch Intrige, Zerwürfnis, Verrat. Die Panne und der Misserfolg, der schlechte Kompromiss auf dem kleinsten Nenner, das Vertagen des Problems waren nicht die Ausnahme, sie waren die Substanz der Politik ? von Adenauer bis Kohl über Brandt und Schmidt. Aber kurioserweise stellen sich das die Menschen in diesem Lande immer noch anders vor. Und merkwürdigerweise haben sie stets den Eindruck, immer gerade in der je aktuellen Gegenwart besonders jämmerlich und chaotisch regiert zu werden, obwohl sie in all den Jahren zuvor ganz ähnlich schon über Kanzler und Kabinette geschimpft, geprangert und gehämt haben.

Insofern ist es kaum mehr als ein Running-Gag, dass auch jetzt wieder die gesamte Journaille von links bis rechts, soweit solche Richtungsmerkmale in dieser soziologisch-kulturell ziemlich uniformierten Einheitsklasse der Deutungseliten überhaupt noch erkennbar sind, in die Empörungstrompete bläst. Alles fragt auch diesmal mit der üblich monotonen Gedankenlosigkeit nach dem großen Aufbruch, attackiert den Kanzler wegen seines fehlenden Mutes zur großen Reform. Und so weiter. Es ist eben wie stets, nur noch ein Stückchen alarmistischer, dröhnender, ultimativer und ungeduldiger als in den Jahrzehnten zuvor. Auch das wird künftig so weitergehen. Doch könnte das dann in eine neue Qualität der politischen Desorientierung führen. Denn das Bild von Politik wird im Zuge der medienmodernisierten Reduktion allmählich nachgerade vormodern. Es gibt da die eine Hauptstadt, die eine Regierungsmacht, den einen Regierungschef. Auf diesen einen Punkt konzentrieren sich alle Kommentare und Erwartungen wie zu Zeiten nicht weiter differenzierter Gesellschaften. Der Staat ist in dieser Perspektive immer noch Zentrum und Spitze der Gesellschaft. So vermitteln es nicht nur die Medien. So konnte man es auch in der Schule lernen, wo ganze Tausendschaften von unkundigen Sozialkundelehrern den Schülern die Demokratie am Beispiel des englischen Westminister-Modells erklären. Dort gibt es das Mehrheitswahlrecht; da ist die eine in Wahlen siegreiche Partei, die an der Spitze eines Zentralstaats, ungestört durch Koalitionszwänge und föderale Beschränkungen, über die gesamte Legislaturperiode hinweg die Möglichkeit hat, ihr politisches Programm kohärent zu verwirklichen und die Gesellschaft tief zu durchdringen. Eben diese Vorstellung von Staat und Regierung als die prägenden Leitinstanzen der Gesellschaft dominiert auch den politischen Alltagsdiskurs in Deutschland. Die Crux allerdings ist, dass im Zuge der gesellschaftlichen Ausdifferenzierung der Steuerungsbedarf moderner Gesellschaften zwar erheblich angewachsen ist, die Steuerungskapazitäten des modernen Staates aber erheblich abgenommen haben. Wir denken an den alten Staat der Vormoderne und verlangen, was der moderne Staat gar nicht mehr bieten und leisten kann.

Jedenfalls nicht in Deutschland. In Deutschland taugt vor allem die reine Lehre des englischen Westminster-Modells nicht, um die Politik der Regierungen zu beurteilen. An diesem Maßstab kann sich Regierungspolitik hier zu Lande nur blamieren. Politik wird an Kriterien gemessen, die sie nicht zu erfüllen vermag. Deutsche Politik wäre vernünftigerweise daran zu messen, ob ihren Akteuren ein guter Kuhhandel gelingt, ob sie einen ordentlichen Flickenteppich weben, ob sie geschickt ausgleichen, hin und wieder auch im richtigen Moment wegtauchen, ob sie das Management der Widersprüchlichkeiten und Interessengegensätze zu Stande bringen. Doch das, was das Optimum deutscher Politik wäre, ist nach den Maßstäben des politischen Kommentars immer nur ein schlechter Kompromiss, ungenügendes Stückwerk, visionsloses Kleinklein. Irgendwann sollte man darüber nachdenken, wie sehr der Maßstab des politischen Kommentars zur Depolitisierung der Nation beigetragen hat.

Dabei ist oft genug erzählt worden, warum in Deutschland Politik als Projekt nicht funktioniert, jedenfalls nicht in der Innenpolitik. Es mangelt nicht an luziden Analysen darüber, wieso die große Reform oder die scharfe Wende trotz aller vollmundigen Rhetorik schon bei den Herren Brandt und Kohl nie zu Stande kam. In Deutschland fehlen im Unterschied zu England die zentralstaatlichen Instrumente, um über Politik die Gesellschaft zu formen und zu bewegen. Dazu ist die Macht in Deutschland zu sehr zersplittert; dazu fahren hier der Bundesregierung zu viele mächtige Vetospieler in die Parade. Der Bundesrat und die Ministerpräsidenten ? vor allem natürlich der Opposition ? konterkarieren den Kanzler; das Bundesverfassungsgericht zieht dem Bundeskabinett enge Grenzen; die autonome europäische Notenbank diktiert die Geldpolitik. Schließlich hat ein deutscher Bundeskanzler in aller Regel noch Rücksicht auf einen Koalitionspartner zu nehmen. Überdies gibt es seit der Partizipationsrevolution der siebziger Jahre ganze Legionen von artikulationsfreudigen Bürgerinitiativen und Verbänden, die den rasch kuschenden Politikern klar machen, was sie alles nicht haben wollen. Das meiste davon braucht einen englischen Prime Minister nicht zu scheren. Er kann in kurzer Zeit von oben geradlinig durchsetzen, was ein deutscher Kanzler nur in langen Zeiträumen nach vielen Umwegen und noch mehr Kompromissen höchstens in kleinen Schritten zu erreichen vermag. Höchstens, wie gesagt. Schröder kann nicht Blair sein, erst recht nicht Thatcher ? selbst wenn er es wollte. Und für den Kandidaten aus Bayern hätte das genauso gegolten.

Schon institutionell also ist die deutsche Politik nicht für den großen Wurf, für kraftvolle Reformen aus einem Guss gerüstet. Doch ist der öffentliche Maßstab der Politik immer noch das stimmige Konzept und die wuchtige Aktion. Und zum öffentlichen Bild von einem guten Politiker gehört der entschlossene Vorkämpfer, der entscheidungsfreudige Anführer, der Mann mit mitreißenden Visionen, präzisen Strategien und großer sachlicher Kompetenz. Von alledem aber darf ein Politiker, der es in Deutschland weit bringen und auch etwas in Bewegung setzen will, nicht allzu viel haben. Er würde sonst brutal scheitern. In der fragmentierten bundesdeutschen Gesellschaft mit ihren vielen antagonistischen Machtzentren muss ein guter Politiker vielmehr ein sehr geschmeidiger Mensch sein, sehr integrativ, sehr flexibel, sehr anpassungsfähig, mit viel wachem Instinkt für Stimmungen und möglichst wenigen, dann aber unbeirrbaren, granitenen Grundüberzeugungen in den zwei bis drei Kernfragen der Republik. In allen anderen Fragen braucht er sich weder exzellent auszukennen noch feste Glaubensbekenntnisse zu besitzen; das würde nur stören. Er muss zäh sein, geduldig, muss lange Wege gehen und viele Enttäuschungen ertragen können. Er darf vor allem kein dogmatischer Ordnungspolitiker sein. Mit Ordnungspolitik ist in der Verhandlungsdemokratie, bei der stets ein verwaschener Kompromiss herauskommt, nichts zu bestellen. So bringen in aller Regel erfolgreiche Wirtschaftsführer, erstklassige Ökonomen, hervorragende Naturwissenschaftler und großartige Ingenieure oder Techniker in der Politik nichts zu Stande. Sie übertragen die Regeln ihrer Profession auf die Politik, gehen logisch vor, definieren scharf die Ziele und konstruieren danach einen streng berechneten Aktionsplan. In der Politik aber geht es ganz unlogisch zu; Stimmungen spielen eine erheblich größere, wenn nicht ausschlaggebende Rolle; die Ziele wechseln oder kristallisieren sich oft erst im politischen Prozess heraus; und feste Pläne begrenzen nur den Handlungsspielraum, den Politik in komplexen und dynamischen Gesellschaften braucht. Wirtschaftsführer treffen ihre Entscheidungen rasch und effizient in kleinen Kreisen; die Betriebsinteressen sind eindeutig festgelegt; die Öffentlichkeit schaut nicht hin und muss nicht überzeugt werden. Die Politiker dagegen stehen im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit; sie müssen sich nicht nur dort, sondern in etlichen Gremien, Institutionen, Ausschüssen rechtfertigen und sukzessive Mehrheiten aus Gruppen mit oft höchst unterschiedlichen Interessen zusammenbasteln. Die Politiker müssen improvisieren, lavieren und taktieren, die Wissenschaftler und Wirtschaftsführer dürfen es nicht. Die Ökonomen und Manager müssen Effizienz, Rationalität und Kohärenz anstreben, der Politiker kann es nicht. In der Politik gibt es gewissermaßen die Funktionalität der Ineffizienz.

Alle tun so, als wollten sie die große Reform, als wollten sie Politik als zielorientiertes und strategisches Projekt, aber niemand tritt in Deutschland zumindest für die institutionellen Voraussetzungen einer solchen Politik ein. In Feiertagsreden wird gern der Primat der Politik beschworen. Im Alltag tritt kaum jemand für die Einführung des Mehrheitswahlrechts ein, für die Liquidierung des Föderalismus, für die Abschaffung des Bundesverfassungsgerichts, für die Entmachtung der europäischen Notenbank, für die Auflösung des Bundesrates. Denn nur dadurch würde man eine Zentralregierung bekommen können, die Reformen autonom und zügig auf den Weg bringen und die Gesellschaft kräftig durchpflügen kann. Davor aber schrecken in Deutschland alle zurück. Sie ahnen, dass es dann vorbei wäre mit der lauen Behaglichkeit der politischen Kultur, mit der angenehmen Sedierung scharfer Konflikte. Es würde vielmehr ziemlich ungemütlich werden. Das möchte die Regierung nicht. Dass will natürlich auch die Opposition nicht wirklich. Und das Volk erst recht nicht. So werden auch künftig alle weiter ganz folgenlos nölen und nörgeln ? und laut nach der großen Reform schreien, die sie im tiefsten Inneren doch so furchtbar fürchten.

Franz Walter arbeitet als Parteienforscher in Göttingen. Von ihm erschien zuletzt: "Die SPD, vom Proletariat zur Neuen Mitte" (Alexander Fest Verlag, Berlin).
 
Und ein Ausschnitt aus einer PANORAMA-Sendung:

Sparen, sparen, sparen - Die ewigen Lügen der deutschen Finanzminister

Kommentar:
Die Staatsverschuldung in Deutschland - gigantisch.
Die Sprüche der Finanzminister - verlogen.

O-Ton
Karl Schiller:
(1971)
Die Anpassung, Fortschreibung und, wie ich ja sage, die straffe Konsolidierung der mittelfristigen Finanzplanung.

Kommentar:
Die Wahrheit: Am Ende der Amtszeit von Karl Schiller beträgt die Staatsverschuldung 80 Milliarden Euro. Der Nächste.

O-Ton
Hans Matthöfer:
(1978)
Die Verschuldung der gesamten öffentlichen Hände wird wesentlich niedriger ausfallen, als wir zu Beginn des Jahres geplant hatten.

Kommentar:
Die Wahrheit: Am Ende der Amtszeit von Hans Matthöfer beträgt die Staatsverschuldung 314 Milliarden Euro. Der Nächste.

O-Ton
Gerhard Stoltenberg:
(1983)
Wir dürfen nicht weiter unsere Tagesaufgaben durch eine maßlose Neuverschuldung auf Kosten der Generation unserer Kinder bewältigen wollen.


Kommentar:
Die Wahrheit wie bei seinen Vorgängern: Am Ende der Amtszeit von Gerhard Stoltenberg beträgt die Staatsverschuldung 470 Milliarden Euro. Der Nächste.

O-Ton
Theo Waigel:
(1993)
Da wir im Steuer- und Abgabebereich - wie ich meine - an der Grenze der Belastung
angelangt sind und darüber hinaus höhere Defizite nicht mehr vertretbar sind, bleibt nichts anders übrig, als auch für das Wahljahr 1994 eine große Spar- und Konsolidierungsaktion durchzuführen.

Kommentar:
Die Wahrheit: Theo Waigel finanziert die deutsche Einheit auf Pump, seine Endbilanz:
1.190 Milliarden Euro Schulden. Der Nächste.

O-Ton
Hans Eichel:
(1999)
Natürlich bin ich bereit, Kompromisse zu machen, aber sie müssen vernünftig sein. Und der Ausweg wieder in die Schuldenfalle, der ist versperrt, der ist mit mir auch nicht zu machen.

Kommentar:
Die Wahrheit: Am Ende der ersten Amtszeit von Hans Eichel beträgt die Staatsverschuldung 1.247 Milliarden Euro. Jetzt das neueste Versprechen.

O-Ton
Hans Eichel:
(im Wahlkampf2002)
Ich will eine seriöse Finanzpolitik und nicht das Ausweichen in neue Schulden.

Kommentar:
Die Wahrheit: Der vorerst letzte Finanzminister, der sein Versprechen gebrochen hat.
 
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