Video Ich hab Polizei

Gespräch kam ja noch gar nicht zu Gange. Vielleicht hilft's wenn ich erzähle wie ich mal Polizei hatte.
Es war so anno 2004 in Augsburg, ich 18, noch nicht diagnostizierter manisch depressiver. Nach ein paar Monaten Depristimmung ging's mir plötzlich ziemlich super. Bin mit meiner Bahncard 50 zum Schülerpreis die ich mir aber aus Versehen als "first" gekauft hatte, also dann zum Normalpreis, aber ohne Fahrkarte und ohne Geld in den Zug gestiegen. Schaffner meinte nicht so cool, ich meinte "guckst habe erste Klasse Bahncard was willst Du von mir"..
Dem war das wohl zu doof und ich kam ohne Zwischenfälle von Füssen nach Augsburg.
Dort bin ich erstmal shoppen gegangen. Hatte meine geschäfltiche Sparkassengirocard Lohn vom letzen Monat dabei. Wollte damals einen Online-Shop starten..
PIN von der neuen Karte hatte ich vergessen, aber mit Unterschrift konnte ich ja die ca. 500€ auf den Kopp hauen. Also erstmal Klamotten geshoppt. Meine gute Wanderschuhe in der Umkleide stehen gelassen und dafür billige Stoffschuhe gekauft. Einen Indoor-Volleyball, einen regenbogenfarbenen Damenpulli, den ich ganz nice fand, darunter ein gelbes Shirt.
Mit Karte gezahlt und weiter in den Kaufland. Dort noch ein paar Klamotten angeschaut. Dann angefangen mit Schneebesen und einem Kartoffelschäler zu jonglieren. Hab mir dabei mit dem Kartoffelschäler in den Finger geschnitten.
Dann kam ich bei einem merkwürdigen Automaten vorbei, bei dem man "Hochzeitszubehör" auswählen konnte.
Hochzeit, Ehe, Bindung, Blut assoziierte ich und fand es ganz passend etwas Blut aus meinem Schnitt auf den Touchscreen zu spritzen. Dann bemerkte ich meine ziemlich heftige Müdigkeit, denn ohne ordentlich Schlafentzug, wäre ich wohl nicht so drauf gewesen. Folgerichtig legte ich mich in ein, zu Dekozwecken aufgestelltes, Bett.
Daraufhin bat mich ein Kaufhausdetektiv, den Laden zu verlassen. Ich wollte lieber 'ne Runde schlafen. Nun wurde er sauer und versuchte mich mit Gewalt in eine bestimmte Richtung zu drängen. Ich sträubte mich. Er würgte mich. Ich wehrte mich. Er "Ich hab Polizei".
Polizei kam, Handschellen Fußschellen, Auto einsteigen, Kopf dotzen. Zelle sperren. Ich rief nach Wasser, denn ich hatte Durst.
Bekam keins, tanzte mit Handschellen in der Zelle einen Regentanz. Bekam Pfefferspray durch das Gitter der Zellentür in die Augen gesprüht. Schrieh ein bisschen.
Ca. 10min später kam ein Krankenwagen, der brachte mich in die nächste Klinik. Ich hatte Polizei und eine Diagnose..

Ein Jahr später, ich lebte wieder in Füssen. Ich fuhr wieder nach Augsburg. Wanderte durch die Straßen und quatschte mit den Leuten. Hatte wieder keinen Pfennig bares dabei. Ein netter Junge schenkte mir, wohl aus Mitleid ein Krümel Hasch. Keine Ahnung, was ich damit machen sollte. Ging auf eine Kirmes. Fragte Leute ob sie mir das abkaufen wollen.. für eine Fahrkarte, zurück nach Füssen.
Stand hinter einem Kuscheltiergreifkäfig als jemand Interesse zeigte. Der Kuscheltiergreifkäfigautomatenbediener bekam was mit. Fand eswohl doof. Griff mich an. Hatte Polizei. War barfuß und langhaarig. Keine Frage was los ist. Polizei nimmt mich mit. Tritt mich am Boden auf der Wache. Hatte vom Cannabis gar nichts mitbekommen, den rauchten wir später im Raucherraum der Klappse weg. I believed I could fly...
Polizei sperrt mich in Zelle. Nimmt meine Klamotten. Nackt in Zelle, Pfefferspray drauf. Plansche im Wasser der Klospülung bis das brennen des Capsaicins in den Abschürfungen am Oberarm durch die Tritte der Polizist*innen nachlässt. Ich rufe ununterbrochen, denn ich glaube dass ich über Kameras und Mikrofone abgehört werde. Erzähle wer ich bin. Das mein Opa katholischer Priester war.. mit Sondererlaubnis vom Papst persönlich.
Was ich doch für eine wichtige Person bin, dass Polizei schon noch merkt, was sie davon hat.

Polizei ist aber krasser. Schickt mir einfach nur paar Monate später eine Anzeige, weil Zelle kaputt durch planschen im Klo.

Krankenwagen. Krankenhaus. Eingesperrt, komm nicht raus. Festgezurrt ein paar Tage, wieviele, weiß nicht mehr. Ciatylakkuphase, Lithium, Diacepam, Zyprexa. Sabbernd sitze ich auf einem Stuhl und lasse mir von einem Mitpatienten ein Brötchen aufschneiden, weil meine Hände so zittern.
Darf draußen spazieren gehen.
Haue ab.
Polizei.


PS: Hab von diesen Erlebnissen vor einigen Jahren hier schon mal geschrieben. Wurde ziemlich angefeindet und meine Glaubwürdigkeit wurde in Zweifel gezogen. Thread wurde "zum eigenen Schutz" gesperrt oder auch gelöscht.
Ich bin glaub ich mittlerweile alt, und klar genug um mit sowas fertig zu werden. Wünsche mir das es stehen bleibt. Finde es wichtig.. für den demokratischen Diskurs oder so. Danke!
 
Ich denke der Fehler liegt hüben wie drüben darin, das wir die anderen nur in ihrer Funktion sehen und nicht mehr als Mensch.

Ein Polizist ist in aller erster Linie ein Mensch mit allen Fehlern, die Menschen so haben. Wie alle anderen Menschen auch.

Haben die dich damals Scheiße behandelt? Definitiv. Weil sie in dir nur einen kranken Irren gesehen haben. Ein Fehler, den sie nicht hätten tun dürfen, aber so sind wir Menschen. Wir neigen zum Pauschalisieren. So wie du äußerst Misstrauisch und auch ablehnend auf Polizei reagierst. Auch das ist pauschalisierend. Jeder Polizist ist anders. Weil er eben ein Mensch ist.

Ganz klar gibt es echte Arschlöcher unter den Menschen. Aber nicht jeder davon ist ein Polizist oder ein kranker Mensch (oder beides).
 
Extremes Verhalten auf der einen Seite ruft nun mal auch Gleiches auf der anderen Seite hervor.

Gegenbeispiel: Ich hab keine Diagnose (hab auch nix Gravierendes, möchte ich meinen), bin auch mit 18 immer brav mit Fahrschein gefahren, weil ich wusste, wie das geht, hab mich in Kaufhäusern und auf der Straße nie daneben benommen, kein Geld unnötig auf den Kopp gehauen (durch wenig Geld in der Familie aber auch immer eine hohe Wertschätzung für Eigentum (anderer) gehabt), und bei meinen kiffenden Freunden immer nur daneben gessen. Die zwei Male, bei denen ich "Polizei hatte" (zugeparkt worden und Überfall beim Spaziergang auf dem Feld von einem Lustmolch) waren meine Erfahrungen nur gut und nach jahrelangem Wohnen direkt neben einer Polizeistation habe ich höchsten Respekt vor dem Job, den die Leute da machen und auch gleichzeitig vollstes Verständnis dafür, daß die herren auch mal mit Blaulicht Brötchen oder Pizza holen fuhren.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ein aktueller Fall von Polizeigewalt anlässlich einer "Klimademo" Ende Mai in Wien, der momentan sogar vor Gericht verhandelt wird, hier: https://wien.orf.at/stories/3020441/

Auch hier hat alles seine 2 Seiten: Auf der einen Seite die Demonstranten, die eine Straße blockieren und sich dann gegen die Räumung durch Polizisten zur Wehr setzen und diesen das Leben schwer machen. Das rechtfertigt aber noch nicht die seltsame Aktion der Polizei, einen Demonstranten unter einen Polizeiwagen zu zerren.

Man könnte nun wie Carhith sagen,
Extremes Verhalten auf der einen Seite ruft nun mal auch Gleiches auf der anderen Seite hervor.
Mal abwarten, was das Gericht dazu sagt.
 
Ich frage mich gerade ob dieser Thread im richtigen Bereich steht, Comedy & Spiele scheint mir da nicht so die beste Wahl zu sein. ;)
 
Extremes Verhalten auf der einen Seite ruft nun mal auch Gleiches auf der anderen Seite hervor.
...

Das ist ja alles schön für Dich. Und so geht es wohl den allermeisten "unbescholtenen" Bürgern. Trotzdem ist unangemessene Gewaltanwendung nicht ok. Was du jetzt als extremes Verhalten siehst, keine Ahnung. Gleiches ist es nicht. Neben der Spur zu sein oder jemanden Zusammenzutreten unnötig Pfefferspray einzusetzen ist nicht das Gleiche.
Schön auch, dass du dich immer geistiger Gesundheit erfreut hast. Schade aber, dass es anscheinend dein Vorstellungsvermögen übersteigt, dass andere vielleicht nicht "selbst schuld" sind, wenn sie sich "daneben benehmen".

Nachtrag: Das Schwarzfahren und das Cannabis, habe ich der Vollständigkeit halber erwähnt, tut aber eigentlich nichts zur Sache, da die Polizei ja davon überhaupt nichts wusste.
Es sei denn Du siehst das als "Karma". :ROFLMAO:
Ich war nie Kiffer und rauche und kiffe schon lange nicht mehr. Die paar male wo ich es ausprobiert hab, lassen sich an den Fingern abzählen.
Abgesehen davon, lässt sich darüber streiten ob kiffen jetzt schlechter oder besser als Alkohol trinken ist.
Wenn das Gesetz natürlich per se richtig ist.
Ich hoffe wir bekommen nicht bald wieder Gesetze, wo Widerstand dagegen zur Pflicht wird.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Sheldor: Wenn man bei der ersten Bitte der Polizei die Straße räumen einfach geht, wo ist denn dann die Demo?
Das ist so ähnlich wie zu sagen, FFF solle doch bitte Samstags protestieren. Wenn man sich in jemanden rein versetzt, der davon überzeugt ist, dass durch die kommende Klimakatastrophe das Ende der Menschen in näherer Zukunft oder zumindest das Ende unserer Art zu Leben droht, finde ich die Straße blockieren jetzt nicht gerade übertrieben. So abwegig ist diese Überzeugung vielleicht auch gar nicht. ;)
Und ja dann kann ein Gericht auch durchaus entscheiden, dass es ok war, auch wenn gegen Gesetze verstoßen wurde. Schöne Begründung gab es da letztens vom Juristen Ulf Buhrmeyer im Podcast Lage der Nation (find ich jetzt leider keine schriftl. Quelle).
 
@Amon
Ich fürchte, da haben wir unterschiedliche Auffassungen. Nicht genehmigte oder sogar ausdrücklich verbotene Demos inkl. Staßenblockaden trotzdem durchführen sind nach meiner Meinung aus keinem Grund rechtfertigbar. Nichtmal wenn ich glaube, die Welt geht unter wegen des Klimawandels (oder aus sonst irgendeinem beliebigen Grund). Wer sich dann gegen die notwendige und berechtigte Räumung der Straße wehrt, muss wohl mit entsprechenden Unannehmlichkeiten rechnen. Übrigens geht es bei dem im Video genannten Prozess nicht gegen den Demonstranten wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt, sondern gegen die Polizei wegen nicht angemessener Gewaltausübung. Das wird jetzt vom Gericht geklärt.
 
Die Schwierigkeit sehe ich darin, das Polizisten ein sehr umfassendes Aufgabengebiet haben. Selbst bei der besten Schulung, sind sie jedoch vor allem Menschen. Und Menschen sind Rachsüchtig. (Mal völlig abgesehen von ihren sonstigen Fehlern.)
Zudem handeln sie auf Befehl. Ist so in ihrem Arbeitsvertrag festgeschrieben.

Fehlverhalten von Polizisten kenne ich zu genüge. Fehlverhalten von 'normalen' Menschen jedoch auch. Sich jetzt noch einmal ins Bewusstsein rufen, das Polizisten in aller erster Linie Menschen sind, mit all ihren Fehlern, dann die Millionen Überstunden dazu rechnen, die alle haben, weil es viel zu viele unbesetzte Stellen gibt, bzw. zu viele Aufgaben und ich habe einen fantastischen Menschenschlag, der doch sehr viel aggressiver sein wird, als mir persönlich lieb ist.

Steckt dann diese Menschen in einen Körperpanzer, mit der Erlaubnis sich vermummen zu dürfen und lasst diese auf andere Menschen los.
Interessanterweise sind es nach wie vor nur sehr wenige Polizisten, die über die Strenge schlagen. Mit der Kombi würde ich eigentlich mit viel mehr rechnen.

Was mich jedoch doch arg stört, ist das regelmäßige Töten von Menschen durch Polizisten. (Kommt auch im Lied vor.) Man kann auch jemanden ins Knie oder in den Arm schießen. Der/die wird dann nicht mehr so großartige Koordinationen zustande bringen.
Stattdessen wird auf maximale Sicherheit gesetzt.

https://www.youtube.com/watch?reload=9&v=heOInMAcQMA - (Ich weiß, die Leute lachen da, aber es zeigt meiner Meinung nach recht deutlich, wie seltsam verschroben die Wahrnehmung der Begebenheiten ist.)

ot:
Wobei nichts von allen diesen Beispielen wird dein Erlebnis besser machen Amon. Du hast mein aufrichtiges Mitgefühl. Das hätte nie passieren dürfen. Ist es aber.
So wenig wie du meine Erlebnisse auslöschen kannst, kann ich verhindern, das du immer mal wieder in Gedanken zu deinen kommst.
Sobald ich einen praktikablen Lösungsansatz für diese Erinnerungen habe, bist du der Erste, den ich darauf aufmerksam machen werde. Bis dato hab ich nur Überbrückungsmöglichkeiten anzubieten. Mehr schlecht als recht. Selbst wenn viele Erinnerungen inzwischen über 30 Jahre, wenn nicht länger her sind bei mir, so machen die mich in schwachen Momenten immer wieder ziemlich fertig.
Wobei ich kein wirklich schlechtes Erlebnis (unfaire ja) mit Polizei hatte. Bei mir waren es vor allem (damals gedachte) Freunde, Mitschüler und vor allem Lehrer. (und später dann Menschen, die direkt oder indirekt für den Staat arbeiten). Selbst wenn ich heute vieles Nachvollziehen kann, sind manche Dinge nicht zu verzeihen.
 
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