Was ist nur los in unserem Gesundheitssystem

Desperado

Evolutionär
Ich hatte ja schon mal erwähnt, daß meine Frau am Vatertag aus dem Krankenhaus wieder nach Hause kommen konnte. Meine Frau war gestürzt und man hatte bei ihr im Krankenhaus einen leichten Schlaganfall festgestellt. Der linke Fuß fühlte sich völlig taub an. Am Hinterkopf hatte sie eine ca. 6 cm lange Platzwunde, die genäht werden mußte. Eine Woche später kam sie, trotz nur etwas gebessertem Taubheitsgefühl, wieder nach Hause. Darüber, daß wir für sie einen Rollator besorgen müssen, hatte uns niemand informiert. Sie wurde nach Hause gebracht, in den Sessel gesetzt - und tschüß. Wir hatten Glück und entdeckten noch am gleichen Tag in einer Ebay-Verkaufsanzeige einen Rollator in einem 20 km entfernten Ort. Von Tag zu Tag konnte sie damit besser laufen.
Aber das Glück dauerte leider nur eine Woche. Sie stürzte aus ungeklärten Gründen, als sie den Rollator los ließ und sich in den Sessel setzen wollte, erneut und brach sich dabei das Schien- und Wadenbein des anderen Beines. Am gleichen Tag kam ein Brief in dem mitgeteilt wurde, daß 2 Tage später ihre Reha in einem Reha-Center irgendwo in Bayern beginnen würde. Fast 2 Tage hätten wir also Zeit für Vorbereitungen gehabt. Tja, nun lag sie erst mal wieder im Krankenhaus und wurde operiert, weil der Bruch kompliziert war und genagelt werden mußte. Jetzt, ca. 1 Woche später kann sie noch nicht laufen, ja nicht mal schmerzfrei stehen und hat auch im linken Fuß noch immer kein völlig normales Gefühl. Am Montag kommt sie wieder nach Hause. Eine Dame des Sozialdienstes des Krankenhauses telefonierte deshalb diese Woche mehrfach mit mir. Am 21.Juli wird meine Frau auf Reha geschickt. Sie teilte mir weiterhin mit, daß ein Pflegedienst ab Dienstag ins Haus kommt, aber unklar ist, was der an Leistung erbringen darf und wie oft und was die Krankenkasse an Kosten daran übernimmt. Ich sollte mich auch nach einer Krankengymnastik umschauen, die ins Haus kommt. Und ja, sie hätte einen Rollstuhl und einen Toilettenstuhl beim Sanitätshaus "XYZ" bestellt, der am Samstag geliefert würde. Zwecks Nachfrage gab sie mir die Handy-Nummer des Sanitätshauses.
Tja, Krankengymnastik, die Hausbesuche macht, gibt es hier im ganzen Umkreis nicht. Ich rief bei dem Sanitätshaus an, um einen etwas genaueren Termin für die Lieferung zu erfahren. Dort sagte man mir, daß die Fußstützen ausgegangen wären, erst besorgt und montiert werden müßten und somit die Lieferung erst am späten Montagnachmittag erfolgen könnte, also nachdem meine Frau schon stundenlang zu Hause ist.
Hier im Ort ist ein großes Sanitätshaus, aber das heißt anders. Neugierig geworden, suchte ich nach dem Sanitätshaus "XYZ" im Internet. Das vom Sozialdienst beauftragte Sanitätshaus befindet sich in der Nähe von Nürnberg, mehr als 200 km von hier entfernt, das hier im Ort 2 km :bekloppt Ist das noch normal? :unsure:
 
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Danke :)
Hier geht es aber um unser Gesundheitssystem 2019 und nicht um sozialistische Planwirtschaft und Bevölkerungsversorgung zu DDR-Zeiten ;)
Was würdest du denn sagen, wenn man dir deine Frau, die nicht laufen kann, in den Sessel setzt und dich mit der Frage allein läßt, wie du sie auf Toilette oder ins Bett bekommst?
 
Ganz einfach Terror schieben. Rausfinden, welche Ombudsmänner und Patientenbeauftragte es gibt. Nur wer sich wehrt, bekommt etwas.
 
Erstmal gute Besserung für deine Frau und möglichst wenig Nebenwirkungen. :)

Das ist ja im Prinzip kein Gesundheitswesen, sondern ein Krankheitswesen, weil es ja auch Krankenkassen sind, die so ein System verwalten.
Dass Leute so schnell wie möglich gesund werden sollen, ist erst mal Nebensache und Mitglieder sind nur Kostenfaktoren, die man um jeden Preis niedrig halten muss, auch wenn es die Gesundheit beeinträchtigt.

Es ist zudem ja auch besser einen sterbenskranken Menschen möglichst lange vom Sterben abzuhalten, koste was es wolle.
Und da fließen ganz andere Beiträge.

Nun haben wir ja auch die Erfahrung gemacht, dass man sich vieles hart erkämpfen muss, um informiert zu werden oder die Krankenkassen zur Zahlung zu bewegen.

Dann hege und pflege mal deine Frau.
Es kann auch mal umgekehrt der Fall sein. :)
 
Danke auch dir, Gamma-Ray, für deine Besserungswünsche :)
Was ich absolut nicht verstehe, ist die Sache mit der Rollstuhlbestellung. Normal wäre doch, daß man, wenn schon nicht im Wohnort des Patienten, doch zumindest in der Stadt, in der sich das Krankenhaus befindet, nach einem entsprechenden Sanitätshaus sucht. Wie kommt man auf ein 200 km entferntes Sanitätshaus? Ich will jetzt keinen Verdacht äußern, aber ... . Fehlt bloß noch, daß sie uns anschließend die Lieferkosten in Rechnung stellen.
 
Auf der nachfolgenden Seite steht beschrieben, was die Krankenkasse darf:
https://www.pflege.de/hilfsmittel/rollstuhl/

Rollstuhl über die Krankenkasse
Bei Ihrer Krankenkasse erhalten Sie den Rollstuhl auf Rezept. Sie müssen nur die gesetzliche Zuzahlung von 5 bis max. 10 Euro zahlen. Und dabei ist es egal, ob Sie ein Standardmodell für 270 Euro kaufen oder einen Elektrorollstuhl für mehrere tausend Euro.

Jede Krankenversicherung arbeitet mit einer Auswahl von Sanitätshäusern zusammen – und darauf sind auch Sie festgelegt. Es sei denn, Sie können nachweisen, dass Sie – evtl. wegen einer außergewöhnlichen Behinderung – ein Spezialgeschäft aufsuchen müssen.

Wenn das Sanitätshaus in Nürnberg 20 Cent unterm Strich und nach Vertrag günstiger ist, dann ist das leider so.
 
Gute Besserung für Deine Frau.

Ich habe diese Woche miterlebt, wie es meiner Kollegin ergangen ist. Deren Vater hat eine altersbedingte Leukämie und kürzlich einen leichten Herzinfarkt.
Er war in dem Krankenhaus, in dem ich arbeite, in der Kardiologie und wurde diese Woche entlassen.
Da er auch stark übergewichtig ist benötigte meine Kollegin ein entsprechendes Pflegebett.

Direkt neben unserem Kreiskrankenhaus ist ein Sanitätshaus, da ist keine 100 m vom Haupteingang entfernt. Die hätten sofort ein entsprechendes Pflegebett zur Verfügung stellen und auch liefern können, dass wäre bereits einen Tag vor seiner Entlassung aufgestellt worden.

Aber die zuständige Krankenkasse hat das nicht genehmigen wollen, sie hätten da ihre eigenen Lieferanten, usw. Ihr wurde die Lieferung eines Pflegebettes in ca. 14 Tagen in Aussicht gestellt.

Meine Kollegin hat dann das regionale Sanitätshaus beauftragt, sich eine Rechnung geben lassen und die bei der Krankenkasse eingereicht. Falls die Schwierigkeiten macht wird sie einen Anwalt beauftragen.
 
Gute Besserung, an beide

Am Montag kommt sie wieder nach Hause. Eine Dame des Sozialdienstes des Krankenhauses telefonierte deshalb diese Woche mehrfach mit mir. Am 21.Juli wird meine Frau auf Reha geschickt.

Vorsicht, hier könnte ein "Pferdefuss" drin stecken.
Am Montag, also am 24.06., kommt sie nach Hause, Reha-Beginn aber erst am 21.07. ...?
Das sind 27 Tage - meines Wissens darf man aber nur 14 Tage zu hause sein, um die Reha noch als Anschluss-Heilbehandlung anerkannt zu bekommen.
Nicht dass ihr das dann als "Kuraufenthalt" selbst bezahlen dürft.

Aber die zuständige Krankenkasse hat das nicht genehmigen wollen, sie hätten da ihre eigenen Lieferanten, usw. Ihr wurde die Lieferung eines Pflegebettes in ca. 14 Tagen in Aussicht gestellt.

In solchen Fällen hilft es manchmal, Gegendruck aufzubauen.
Soll sich doch die Krankenkasse selbst ausrechnen, was günstiger ist.
Pflegebett vor Ort, welches sofort da ist oder als Alternative nochmal 14 Tage stat. Einweisung, da sonst die häusliche Pflege nicht gewährleistet werden kann.

Klar will man so was nicht, aber das muss man der KK ja nicht unbedingt auf die Nase binden. ;)
 
Danke auch euch Beiden für die Besserungswünsche für meine Frau :)

...
Vorsicht, hier könnte ein "Pferdefuss" drin stecken.
...

Der soziale Dienst hatte uns schon beim ersten Mal versucht, ihr unmittelbar nach Krankenhausentlassung einen Reha-Platz zu besorgen. Es war aber kein Platz frei und das dürfte auch jetzt der Fall sein. Die IKK hatte uns auch per Brief darüber unterrichtet, daß, falls kurzfristig kein Platz frei wäre, ihr die Reha natürlich auch später noch zustehen würde.
Uns wurde auch mitgeteilt, daß, falls eine häusliche Betreuung durch Angehörige bis Reha-Beginn nicht möglich ist, sie in einem Pflegeheim untergebracht werden könne, was 35 EURO pro Tag kosten würde.
 
Und weiter geht die Story. Meine Frau verweigerte plötzlich Essen und Trinken, hatte trotzdem ständig Durchfall, schnaufte beängstigend schwer, war kraftlos, wirkte völlig apatisch und sprach verwirrt. Nachdem sie 3 Tage lang fast kein Essen zu sich genommen hatte und trotz der Wärme kaum etwas getrunken hatte, riefen wir wieder die 112 an. Meine Tochter hatte zuvor wegen der Symptome gegoogelt und erfahren, daß diese bei älteren Menschen auf Lungenentzündung hindeuten können. Dies sagte sie auch dem Notarzt und der meinte, daß dies durchaus möglich wäre. Sie kam diesmal in ein Krankenhaus in 30km Entfernung, da das Krankenhaus hier im Ort dafür nicht geeignet wäre. Sie kam in ein Isolierzimmer, bekam Sauerstoff und Antibiothika. Einen Arzt trafen wir bei unseren Besuchen nie an und die Stationsschwester sagte uns nur immer, daß Blut- und Stuhlproben noch in einem Labor ausgewertet würden. Den Durchfall bekamen sie dann in den Griff, er wurde wohl durch ein Bakterium ausgelöst und war ansteckend.

Am Freitag nach 9 Tagen Krankenhausaufenthalt, kurz bevor sie besuchen fahren wollten, klingelte es kurz vor 15.00 Uhr. Ein Krankentransporter stand vorm Gartentor und lud meine Frau aus, ohne Vorankündigung! Was wäre gewesen, wenn ich nicht zu Hause gewesen wäre? 3 Hunde liefen im Garten rum und ich hatte alle Hände voll zu tun, die aufgeregten Hunde einzufangen und weg zu sperren. Meine Frau wurde dann in einen Stuhl gesetzt und Tschüss. Mitgebracht wurde ein Plastikbeutel mit einem Deodorant, ihr Smartphone, Tabletten für den gleichen Abend und eine Pulver nebst Flüssigkeit und handgeschriebener Beschreibung zum Selbstmischen. Es fehlten die Gesundheitskarte, Schuhe, Hausschuhe, Handtücher, ihre Tasche mitv Waschzeug usw. und das Ladekabel. Vor allem aber ein Arztbrief. Tabletten waren für Freitagabend da, für Samstag und Sonntag aber nicht. Wie sollte der Hausarzt am Montag ohne Arztbrief wissen, welche Tabletten sie benötigt? Klar war, was auf dem Schränkchen neben dem Bett stand, wurde mitgegeben, das auch etwas in dem Schränkchen ist, darauf war wohl niemand gekommen. Ein Anruf in dem Krankenhaus erbrachte die Auskunft, alles wäre gefunden worden, kommt in einen Fundsachenbeutel und kann bei Gelegenheit abgeholt werden.

Ich bin dann mit dem Schwager hingefahren und wir haben unserer Empörung mächtig Luft verschafft, sowie eine Formular zwecks Beschwerde an das Beschwerdemanagement erhalten. Die Stationsschwester beteuerte ihre Unschuld und verwies als Schuldige auf die Nachtschwester, die natürlich nicht vor Ort war, sowie auch erneut kein zuständiger Arzt. Die fehlenden Sachen hatten sie bereits in einem Beutel bereit gelegt und auch der Arztbrief wurde umgehend ausgedruckt. Ich fragte dann noch, was nun überhaupt mit den Thrombose-Spritzen wäre, von denen noch 10 im Kühlschrank lagerten. Ja, natürlich weiterhin spritzen. Tja, wenn ich nicht nachgefragt hätte, ...
Meine Tochter war solange bei meiner Frau geblieben und berichtete uns nach unserer Rückkehr, daß die Symptome wieder wie zuvor vorhanden wären, schwere Atemprobleme, Apathie, Essen- und Trinkverweigerung, verwirrter Eindruck und Sprache usw., nur wohl kein Durchfall mehr. Als am späten Abend keinerlei Veränderung des Zustandes eingetreten war, wußten wir uns nicht anders zu helfen, als erneut die 112 anzurufen und die Sache zu schildern.

Der Rettungswagen kam auch prompt, aber die Sanitäter waren völlig unsicher, wie sie verfahren sollten. Das besagte Krankenhaus würde meine Frau wahrscheinlich nicht wieder aufnehmen, da ja der Durchfall erfolgreich behandelt wurde. Sie diskutierten untereinander fast 1/2 Std. Dann meinte der eine, daß er einen Arzt im Krankenhaus hier vor Ort persönlich kennen würde. Er rief ihn an und meine Frau konnte daraufhin ins hiesige Krankenhaus in die Geriatrie gebracht werden.
Gestern ging es ihr sehr sehr schlecht. Eine Ärztin meinte, daß es rapide mit ihr bergab geht und wir sollten vorsichtshalber eine Patientenverfügung ausstellen lassen.

Dann heute die große Überraschung. Meine Frau begrüßte uns klar, fühlte sich bedeutend besser, konnte wieder atmen, sprach klar, konnte sogar schon wieder über Scherze des Enkels lächeln, hatte getrunken und gegessen. Das es ihr viel besser geht, sah man ihr deutlich an. Was waren wir erleichtert. Tja, und nun kommt es. Es wurde doch eine Lungenentzündung festgestellt und diese wird nun endlich fachgerecht behandelt.
 
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Mein Gott, was für ein Scheiß deine Frau und du durchmachen musstet.
Ich freue mich für euch, dass es deiner Frau wieder besser geht. :)
 
Ich würde gerne was Konstruktives schreiben, aber ich kann vor Hass kaum klar denken, wenn ich solche Geschichten lese, die ja alles andere als bedauerliche Einzelfälle sind.

Und weil es so schön ins Bild passt, hat letzte Woche die Bertelsmann Stiftung eine von ihren Mietmäulern erstellte Studie veröffentlicht, welche plausibel darlegt, dass wir fast die Hälfte aller Krankenhäuser abschaffen sollten, weil die verbliebenen Kliniken dann besser ausgerüstet wären und die Patienten unter dem Strich besser versorgt würden.

Natürlich nur jene Patienten, die sich das leisten können. Bezeichnenderweise sitzt eine gewisse Brigitte Mohn nicht nur im Vorstand der Bertelsmann Stiftung, sondern auch im Vorstand der Rhön-Privatkliniken AG. Was für ein erstaunlicher Zufall.

Alles Gute für deine Frau, Desperado. Ich versuche mir gerade die Wut und die Ohnmacht vorzustellen, die man empfindet, wenn ein geliebter Mensch so würdelos behandelt wird, und am liebsten möchte ich hier gerade irgendwas kaputtschlagen. Die Realität ist wahrscheinlich noch schlimmer.
 
Wir sind doch alle nur noch ein Kostenfaktor für das Gesundheitswesen.
In Deutschland sind rein rechnerisch soviel Krankenhäuser dafür ausgelegt, 1-2 Herzinfarktpatienten pro Tag zu behandeln.

Die kleinen Krankenhäuser sind nicht in der Lage, solche Patienten zu versorgen und das schlimmste zu verhindern.
Also müssen die weg und der Patient hat dann unter Umständen das Glück, das knapp 40 Kilometer entfernte bestausgestattete Krankenhaus in Anspruch zu nehmen... wenn er dann noch lebt.

Aber bei so einer Volkskrankheit wie Herzkrankheiten kann man auch mal die Augen zudrücken.

Außerdem können die Top Krankenhäuser viel besser Patienten vom Sterben abhalten, auch wenn diese Menschen gar nicht mehr wollen und es auch keine Heilungschancen mehr gibt.

Ich möchte auch nicht wissen, wieviele Menschen mit unsinnigen Untersuchungen gequält werden, damit die Apparatemedizin nicht unwirtschaftlich ist. Bei diesem Kostenfaktor schauen die Krankenkassen und die Politiker aber nicht so genau hin.
 
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