Text Schpaik erzählt:

Schpaik

jeder nach seiner Façon
Gleich vorweg, ich bin da nicht stolz drauf. Hätt ich wissen müssen. Aber fangen wir am Anfang an:

Einer meiner Nachbarn hat eine kleine Musikanlage. Diese verleiht er für kleines Geld mal hier und mal dort. Sozusagen als kleines Zubrot innerhalb seines Rentnerdasein.
Das macht er wohl auch schon seit einigen Jahren. Kennengelernt haben wir uns genau darüber. Er wollte den Spaß aus seinem Auto laden, bekam das aber wegen seinem Rücken nicht hin. Also habe ich ihm geholfen.
Aus dem daraus entwickelten Gespräch fanden wir dann auch heraus, das wir hier und da vor rund 20 Jahren durchaus auf der gleichen Produktion gearbeitet haben. Halt in verschiedenen Bereichen.

So richtig Dicke sind wir zwar nicht, aber er fährt mich hin und wieder mit seinem Auto bzw. er stellt sich als Transportmittel mit seinem Kombi zur Verfügung. Sein Auto ist ihm heilig und nur er fährt damit.

Vor ein paar Jahren im Sommer hat es ihn dann aber wieder erwischt. Irgendwas mit seinem Rücken. Er lag im Krankenhaus und seine Anlage musste abgeholt werden. Und welch Wunder: Er rief mich an. (Wir haben vor ewigen Zeiten Telefonnummern ausgetauscht. Tatsächlich telefoniert haben wir bis dato vielleicht drei mal. Aber wir sind ja sowas wie Nachbarn. Man begegnet sich halt. Wenn nicht sofort, dann demnächst. Hat ja meist keine Eile.) In diesem Falle eben schon.

Insofern bekam ich sein Obergeheimversteck für den Zweitschlüssel für sein Auto und die genaue Adresse.

Ich da also hin, habe seine inzwischen wohl etwas aufgestockte Anlage abgeholt.... und dann konnte ich nicht widerstehen. Er hat immer so davon geschwärmt wie toll die doch ist und was da für ne olle Wucht dahinter ist. O-Ton: "Immerhin fast 2000 Watt!"

Ich also voller Eifer den Spaß in meinem Wohnzimmer aufgebaut. Nicht, das ich viel Ahnung von Ton habe, aber solche Anlagen aufbauen, habe ich ja mal gelernt. War halt nie mein Schwerpunkt. Trussen und Licht und dann natürlich die Verkabelungen, insbesondere die Sicherungen dieser Verkabelungen oder eben der Leuchtmittel oder Lautsprecher.

Und dann voller Vorfreude auf Play gedrückt.
...
.....
.......
.........und nix! :eek:

Also ja, auf diesem ollen Display nen Imminnimmiwinzausschlag.
Nochmal die Kabel überprüft vom Mischpult zu den Lautsprechern. Auch probeweise ein wenig umgesteckt, aber nix ist passiert.

Mh,... drehen wir doch ein wenig den Lautstärkeregler hoch. - Der Ausschlag ist dann auf dem Display ein wenig höher. Hören konnte ich ein ganz sanftes Brummen.

So rein Gedanklich: "Vielleicht sind die Dire Straits doch zu sanft..." Also ne richtige Playlist mit fettem Sound angelegt und weiter herum probiert.

Nach rund einer halben Stunde war ich eigentlich noch keinen Schritt weiter. Das leise Brummen konnte ich erhöhen. Wenn man den Lautstärkeregler höher dreht, erhöht sich das Brummen. Aber Musik bekam ich nicht aus der Kiste.

Ich also noch mal rund herum gekrabbelt, ob es da nicht doch noch einen versteckten Schalter gibt. Und dann.. "AH.. Scheiße,... Krampf im rechten Unterschenkel. Wieso bau ich den Mist auch auf dem Boden auf? Ich bin fast zwei Meter groß.. rumkrabbeln auf der Erde.. bin ich ein Käfer? - Au, au, au, wasn das fürn schwarzer Nübbel?..aua..aua..aua..

Und in meiner Umfallbewegung zog ich diesen kleinen schwarzen Nübbel aus diesem Mischpult.

Und dann geschah in etwa das:


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Dieser kleine schwarze Nübbel, der von Außen aussah wie ein Staubschutz, war so etwas wie ein Klinkenstecker. Nur kürzer, hinten abgesägt und mit einer schwarzen Kappe versehen. Dieser sorgte jedoch ganz eklatant dafür, das kein Sound aus diesem Pult heraus kam, wie ich feststellen musste.

Ich fiel in die entgegengesetzte Richtung vom Mischpult und hatte eigentlich arge Schmerzen. Aber ich bin wahrscheinlich wie jeder andere auch in meiner unmittelbaren Nachbarschaft aufgrund des 'Klangvolumens' zunächst einmal zwei Meter hoch gesprungen. In meinem Fall seitlich weg. Mein eines Bein machte noch nicht mit und somit krachte ich ganz unkonventionell in den Schuhschrank der da schon seit über einem Jahrzehnt seiner Daseinsberechtigung nachgeht.

Mein großes Glück bzw. mein wohl kleineres Unglück war, das ich meine Fenster weit aufgemacht hatte. War ja Sommer. Für einige meiner Einrichtungsgegenstände, bzw. deren Haltevorrichtungen galt dieses Motto jedoch wohl eher nicht. Einiges fiel herunter, was jahrelang seinen Dienst getan hatte, die Fenster jedoch blieben heil. Jedoch verlor ich diesem Nübbel aus Augen. Dieser kullerte ganz unromantisch weg.

Weit geöffnete Fenster... eine rund 2.000 Watt-Anlage...laut aufgedreht? Dazu jemand, der so eben in diesem Moment mal so eben gerade nicht ganz mit einigen seiner Muskeln zurecht kommt. - So wirklich hat es mir nicht geholfen, das ich mit einem Lied der Neuen Deutschen Welle daher kam: https://www.youtube.com/watch?v=4rYYbFkvd5I

Ich war in einer großen Hoffnung gefangen, diesen Nübbel unmittelbar wieder auftreiben zu können. Wobei hier die Wörter "Hoffnung" und "Gefangen", sozusagen die Wörter der Aktion waren.
Ich stieß in dem Willen, den Umstand der doch arg lauten Musik für meine Nachbarn zu beenden, dermaßen enthusiastisch unter den Schuhschrank, den ich eben schon aus seiner jahrelangen Ruhe anscheinend geweckt hatte und unter dem der Nübbel natürlich unweigerlich kullern musste, dass ich mir nicht nur den Handrücken aufschürfte, sondern leider auch die provisorische Bierdeckelstütze darunter ruinierte. Somit wollte dieser Schrank seine ihm zugeordnete Stelle auf diesem Erdenrund neu definieren. Und zwar zum Erdkern hin. Etwas, was diese Bierdeckel bis dato erfolgreich verhindert hatten.

Nun ist dieser Schrank mit einigem bestückt. Zum Beispiel mit zwei Spiegeln an kleinen Nägeln. Aber auch mit Handtaschen, Schals, einer kleinen Setzschale für die Figuren aus Überraschungseiern, einer Kiste mit unweigerlichem Kleinkram, Schuhen und ich wie ich feststellen durfte, diversen Nagellacken (natürlich alle in Glas gefangen), diversen kleinen Döschen und Tigelchen, zwei Billiardkugeln (??) und dem Backstein, den ich für meinen kleinen illegalen Garten der Straßenbaufirma abgeschwatzt hatte.

Diese gesamten Gegenstände plus Schrank beschlossen also nach der unmittelbaren Zerstörung der Bierdeckelbehelfsstütze durch meine panikerfüllte Tat, das sie doch lieber dem Erdmittelpunkt zustreben wollen, als auf ihrem vorherbestimmten Platz zu bleiben.

Am angestrebten Erdmittelpunkt kniete ich. Mit ausgestrecktem rechtem Arm unter dieser Schrankkonstellation. Mit Krampf. Aus den Boxen brüllte inzwischen Finntroll :) https://www.youtube.com/watch?v=CJhi43RntJk ). Ganz klar ein feines Lied (y), wenn man Bock hat auf laute Party-Mucke. Mein Bestreben war jedoch eher, der allgemeinen Erdanziehung meiner Haushaltsgegenstände zur widerstehen, die aufgrund der Schieflage des Schrankes plötzlich (für mich) vom Himmel regneten.

Auf den Knien, den Oberkörper auf den Boden gedrückt und den rechten Arm ausgestreckt um mit der Hand nach diesem Nübbel suchend, regnete es persönlicher Spaß von oben auf mich herab. - Und dann kann das Schicksal ja auch einfach irgendwie mal ein Schwein sein, mh?
"Der Stein des Anstoßes" - oder eben einfach der verzwickte Stein des echt miesen Schmerzes, war dieser Backstein, der auf mich herunter fiel. Dieser traf mich kurz unterhalb meines rechten Schulterblattes. Da war dann irgendwie nix mehr mit greifen. Alles taub im rechten Arm.
Nach meiner unweigerlichen Flucharie bekam ich den Schrank dann jedoch in eine stabile Position mit meiner Schulter. War ja auch nix schweres mehr drauf!
Zunächst erst schleppend, aber mein Krampf im Bein gab wahrscheinlich vor Schreck aufgrund der plötzlichen einsetzenden Lautstärke nach und ließ mich agieren.
Einer der herunterfallenden Arbeitsschuhe (mit Stahlkappe) konnte die Konstruktion vor dem letztendlichen Umkippen bewahren.

Aber was nun? - Ich hab immer noch ein laut brüllendes System hinter mir, was gerade auf höchster Lautstärke die Weisheiten von Funny van Dannen von sich gibt. (also eher die zwei schwierigen Lieder)
Zudem hab ich diesen ollen Nübbel nicht und ich bin Rechtshänder.

ot:
Ich möchte hier anmerken, das ich in einer Panikaktion war.
War nicht meine Anlage, ich wollte nix kaputt machen, brachte das System jedoch zur Höchstleistung, wie ich unmittelbar mitbekam.
Auf die Idee, den Stecker zu ziehen oder vielleicht einfach den Lautstärkeregler herunter zu drehen, kam ich nicht.


Also ich BIN Rechtshänder. Links ist so in etwa wie Schubladen aufziehen oder mal ein Blatt Papier halten. Diese Hand kann nix feinmotorisches.
Aber ich hab doch irgendwo noch Klinkenstecker von der Größe...HA! - Aber wo zur Hölle?? - Meine Frau hat sich ewig darüber beschwert, das alles hier ist und nicht weg oder im Keller.

Natürlich kam dann das, was unweigerlich kommen musste! Zunächst einmal Nordisch by Nature und dann natürlich der Böse und dann dieser Böse. Alles streng nach Playlist. Konnte ich hören, während ich verzweifelt im Keller versuchte, dieses vermaledeite Schloß zu meinem Verließ zu öffnen, wo all meine kleinen wichtigen oder unwichtigen Schätze lagern. Mit nur einer Hand ist das nicht einfach!

Und dann.. hah, geschafft mit nur einem Arm.. im Keller. 'mh.. ist doch gar nicht so laut.... ach mist, die Lautsprecher stehen in die anderen Richtung... wo sind meine Klinkenstecker?!'
Mein Keller ist im Vergleich zu dieser Aktion, sehr genau strukturiert. Wenn man diese drei Kisten herunter hebt, dann kommt man zum Beispiel an....öh... Kisten.. schwer... mit nur einem funktionierendem Arm... ??? ...
Gewisse Kisten lassen sich nicht mit nur einem Arm anheben, geschweige denn bewegen. Das ist Absicht! Mir ist schon dreimal der Keller aufgebrochen worden. Da plant man vor!

Nachdem ich eine mittlere Verwüstung in meinem Keller angerichtet hatte um mir so ziemlich alle möglichen Variationen an Klinkenstecker in die Tasche zu stecken, stellte ich zum einen fest, das meine Mucke inzwischen auf echte Party umgeschwenkt war und ich aber die Vorhersehung nicht gepachtet hatte.
Weil was sollte man IMMER mitnehmen, wenn man in den Keller geht? - Den Haustürschlüssel!

Zum Glück wohne ich im Erdgeschoß. Auch wenn es da ein Katzengitter gibt und auch sonst noch so ein paar echt miese Fallen auf meinem Balkon, so hab ich die ja da installiert und kenne diese.
Aber um da an die Schwierigkeiten heran und drumrum zu kommen, brauch ich einen Fuß und zwei funktionierende Arme, wie sich nach meinem dritten Versuch feststellen ließ.

Nachbarschaftshilfe existierte leider in diesem Moment nicht. Wie auch, bei Gamma Ray. Da helfen auch keine Hilferufe. Hört ja keiner.

...

Und dann kam aber zum Glück der Heiland vom Dienst für mich vorbei. Unser Hausmeister. Zwar bewies er auch ein mangelndes Kunstverständnis, aber er hatte den Zweitschlüssel für meine Wohnung mit, den ich vor ein paar Tagen bei der Hausverwaltung bestellt hatte.

Ein ekelhaft praktisch veranlagter Mensch, mit anscheinend keinem Verständnis für laute deutsche Kunst. Bei ihm seien "über 20 Telefonate eingegangen wegen extrem lauter und anstrengender Musik". (Also wirklich!!!... anstrengend?!... die sollen froh sein, das die nicht meinen Techno-Musik-Ordner kennen!)

Anderseits bekam ich so meinen Schlüssel vier Tage früher als eigentlich abgemacht. :)

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Meinem Nachbarn - also dem, dem die Soundanlage gehört, konnte ich das natürlich nicht verheimlichen. Der kennt hier alle und jeden. Auf seinen Wunsch hin, habe ich ihn vom Krankenhaus abgeholt, auf einem Parkplatz ihm das gebeichtet und ihn direkt anschließend, weil er sich irgendwas verrenkt hatte aufgrund seines Lachanfalles, sofort wieder ins Krankenhaus gefahren.

Bei allen näheren Nachbarn habe ich mich persönlich entschuldigt. Bei meinen direkten Nachbarn kam meistens ein Lächeln und der Zusatz: "Zumindest hast du dieses mal nicht versucht mitzusingen."

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Duplikate von diesen Sicherheitsnübbeln kleben übrigens unter dem Mischpult, wie ich inzwischen weiß.

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Die kleinere Musikanlage von meinem Nachbarn wird seit diesem Vorfall übrigens mit großem Erfolg immer wieder verliehen.

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Und es gibt eine größere Vielfalt, wie man mich hier in der Nachbarschaft begrüßt.

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Inzwischen helfe ich meinem Nachbarn übrigens regelmäßig, diese jenige Soundanlage zu verteilen. Ich darf auch immer auf diesen kleinen Nübbel hinweisen.
 
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