Ein Kommentar von Roland Nelles
Schulz-Verzicht
Mit diesem Amt spielt man nicht
Der Rückzug von Martin Schulz ist richtig, die Personalie war nicht vermittelbar. Und Sigmar Gabriel kämpft um das Amt des Außenministers. Es wäre sicher kein Schaden, wenn er es behält.
In einer Welt, in der Donald Trump durchregiert, in der Ost-Asien oder der Nahe Osten vielleicht bald in Flammen aufgehen könnten, braucht Deutschland rasch eine stabile Regierung. Und Deutschland braucht einen Außenminister. Alle, die nun Häme und billige Kritik über der Großen Koalition, über Martin Schulz oder über Sigmar Gabriel ausgießen, haben den Ernst der Lage nicht erkannt.
Es ist fatal, wie Deutschland sich seit Monaten um sich selbst dreht, wichtige Zeit geht verloren. An internationalen Entscheidungsprozessen ist das Land kaum mehr beteiligt, weil die, die zu Konferenzen oder in Gremien entsandt werden, praktisch keine Prokura aus Berlin mehr haben. Die deutschen Botschaften bekommen keine klare Ansagen, wurschteln im politischen Niemandsland vor sich hin. Der deutsche Außenminister wird seit Wochen im Ausland von seinen Kollegen nur noch als "lahme Ente" ohne Einfluss gesehen. Ob man sich mit ihm trifft oder nicht, ist praktisch egal.
Das muss endlich ein Ende haben. Und die Kevin Kühnerts dieser Welt sollten sich davor hüten, das Land weiter zu lähmen oder in neue politische Turbulenzen zu stürzen. Sie besorgen so nur das Geschäft von Leuten wie Donald Trump oder Recep Tayyip Erdogan, die sich über jeden Tag freuen, an dem kein echter Widerstand gegen ihre Politik aus Berlin zu erwarten ist.
Deutschland ist nicht der Nabel der Welt, aber die Bundesregierung war bisher eine wichtige Stimme, wenn es darum ging, Politikern wie Trump Kontra zu geben. Sigmar Gabriel hat die Rolle als Außenminister angenommen und ausgefüllt. Deshalb ist er bei vielen Bürgern hierzulande zu Recht so beliebt und deshalb ist es bestimmt kein Schaden, wenn er das Amt weiter ausübt.
Die Personalie Schulz war schlicht nicht vermittelbar
Gabriel will es offenkundig, er kämpft um das Amt. Sollte er es nun doch behalten, wäre weiter mit ihm in der SPD zu rechnen. Das wird Andrea Nahles und Olaf Scholz nicht gefallen. Die beiden alten Verbündeten hatten wohl darauf gehofft, den Rivalen endgültig loszuwerden. Bliebe Gabriel, wären sie nicht Alleinherrscher in der Partei. Auch die Frage der Kanzlerkandidatur für 2021 wäre völlig offen.
Martin Schulz, der glücklose Noch-SPD-Chef wäre für das Außenamt sicherlich auch geeignet gewesen. Aus vielerlei Gründen ist sein Rückzug trotzdem richtig. Es war einfach niemandem vermittelbar, warum jemand, der erst beteuert, nicht in ein Kabinett unter Merkel einzutreten, dann doch nichts Besseres zu tun hat, als bei erstbester Gelegenheit nach dem schönen Amt des Außenministers zu greifen. Das hat wohl nach zwei Tagen des Aufruhrs an der Basis der SPD auch Schulz erkannt, seine Personalie wäre zur zusätzlichen Belastung für den Mitgliederentscheid geworden. Mit seinem Rückzug hat er der SPD einen letzten Dienst erwiesen. Es ist besser so.