Ich habe es nicht leicht ...

chmul

Moderator
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Vor der Veröffentlichung meines ersten Buches war ich, wie normale Menschen auch, gezwungen einer Beschäftigung nachzugehen, um meine Rechnungen zu begleichen. Das hat sich allerdings auch nach Veröffentlichung meines zweiten Buches nicht geändert. Um von meinen Büchern leben zu können, müsste ich den Verkauf um einen niedrigen sechsstelligen Prozentsatz erhöhen.

Zumindest aktuell ist das aber noch nicht in Sicht, weshalb ich noch immer einer normalen Beschäftigung nachgehe. Ich arbeite als Einkäufer in der Firmenzentrale eines internationalen Unternehmens. Dabei genieße ich die Macht über meine Lieferanten, die mir aufgrund unserer Marktmacht mehr oder minder hilflos ausgeliefert sind. Es ist erstaunlich, was sich manche Verkäufer alles einfallen lassen, um sich mein Wohlwollen zu sichern. Gleichzeitig ist es ein beinahe diabolisches Vergnügen die Zuwendungen zu akzeptieren, um danach ein anderes Angebot zu wählen oder den Lieferanten noch ein wenig mehr auszuquetschen.

Wer jetzt schockiert ist, der möge diesen Text bitte umgehend verlassen und zunächst mein erstes Buch zu lesen. Der geneigte Leser wird sich natürlich schon gedacht haben, dass das nicht ganz die Wahrheit ist. Tatsächlich bin ich alles andere als der machtgeile Einkäufer. Ich ziehe eine stabile Partnerschaft einem Einsparungspotential von jährlich 15 Euro jederzeit vor.

Aber gerade auch deshalb lege ich auch Wert darauf, dass mein Gegenüber diesen feinen Zug anerkennt und nicht quertreibt, indem er zum Beispiel ohne Ankündigung den Stückpreis eines Artikels von 22 auf 44 Euro einfach mal so verdoppelt. Genau das ist mir aber jüngst passiert. Die Buchhaltung legte mir eine Rechnung mit einer horrenden Abweichung vom in der Bestellung hinterlegten Gesamtpreis zur Prüfung vor.

Nun wusste ich natürlich, um die Vorgeschichte. Der Artikel war bislang von einer anderen Abteilung beschafft worden. Bei der Umstellung wurde ein kleines aber preislich nicht unbedeutendes Detail nicht korrekt hinterlegt, weshalb es mehrfache Rückfragen gab. Irgendwann hatte man es dann und der Artikel wurde in gewünschter Ausführung bestellt und geliefert.

Dennoch hielt ich eine deutliche Preiserhöhung ohne Ankündigung für ein bisschen zu deftig. Also formulierte ich eine freundliche Mail mit der Bitte die Rechnung doch nochmal zu prüfen, weil mich dünkte, es habe sich ein Fehler eingeschlichen. Nein, wurde mir daraufhin mitgeteilt, der Preis sei durchaus in Ordnung.

Für Leute die mich näher kennen, dürfte das überraschend sein, aber auch ich mache Fehler. Nicht nur das, ich bin mir dieser Tatsache sogar durchaus bewusst. Genau aus diesem Grunde habe ich mir deshalb den ganzen Vorgang nochmals angesehen. Und was soll ich sagen? Ich hatte natürlich Recht. Im Vergleich zur Bestellung war der Einzelpreis auf der Rechnung fast genau doppelt so hoch.

Auf diese Diskrepanz angesprochen wurde ich um ein wenig Geduld für eine nochmalige Prüfung gebeten. Diese Geduld brachte ich selbstverständlich auf, gestatte mir dennoch nach einigen Tagen nochmals nachzuhaken. Allerdings nicht ohne eine gewisse Trübung meiner positiven Unvoreingenommenheit dem Lieferanten gegenüber wahrzunehmen. Der zuständige Außendienstmann würde sich der Sache annehmen und gegebenenfalls eine Gutschrift erstellen.

Die Aussicht auf eine für beide Seiten befriedigende Lösung vermochte meinen zunehmenden Unmut über die erneute Vertröstung aber kaum zu dämpfen. Und nachdem nochmals mehrere Tage ohne den Versuch einer Kontaktaufnahme durch den Außendienstler ins Land gezogen waren, war ich über den Unmut hinweg. Inzwischen war ich sauer. Ich wollte das Problem um eine maßlos überzogene Rechnung friedlich beilegen, der Lieferant schien daran aber kein Interesse zu haben.

Aber bitte, ich kann auch anders. Meine nächste Mail war deutlich kühler formuliert. Ließ sich der Lieferant davon beeindrucken? Keineswegs. Im Gegenteil, die Antwort klang schon fast beleidigt. Man habe die Rechnung schon zwei Mal angesehen und es sein nun mal der Mann vom Außendienst, der sich damit befassen müsse. Man gab mir dessen Telefonnummer und meinte, ich solle ihn doch mal anrufen.

Das war dann auch für meinen zutiefst friedliebenden Charakter zu viel. Ich forderte die Mailadresse dieses Mannes an und begann eine E-Mail zu schreiben, die vor Sarkasmus nur so troff und mich eindeutig in Richtung des eingangs beschriebenen fiesen Einkäufers brachte. Für sowas nehme ich mir dann gerne auch mal etwas mehr Zeit. Damit jede Formulierung sitzt und meine Angaben fehlerfrei sind.

Im Zuge dieser Mail nahm ich dann natürlich auch die Rechnung nochmals zur Hand, um den Prozentsatz, um die sich der Preis erhöht hat exakt angeben zu können. Ich finde man kann über 101.74% wesentlich entrüsteter sein als über ungefähr 100%. Also schnell den Gesamtbetrag durch die Anzahl der Teile dividiert und …

Moment, Tippfehler, nochmal. Und hm hm hm hm geteilt durch hm hm gibt … Hä? Hat der Taschenrechner einen Defekt? Hatte er nicht. Egal, wie oft ich die Zahlen eingab und egal wie konzentriert ich das tat, es kam immer 21.75 EUR dabei heraus. Also sogar noch geringfügig weniger als auf der Bestellung vermerkt.

Ich hatte die Angaben zur Warengruppe (14.20 und 14.90) für die Einzelpreise gehalten. :eek: :wand

Selbstverständlich habe ich die Sache daraufhin beim Lieferanten geklärt. Ich verwies auf einen Fehler unseres Lehrlings (Sie wissen ja, wie das ist, man muss ja heutzutage schon froh sein, wenn die jungen Leute ihren Namen fehlerfrei zu Papier bringen) und akzeptierte die Rechnung dann großzügig. Natürlich nicht ohne anzumerken, dass man künftig doch besser kommunizieren solle, um solch unnötigen Umtriebe zu vermeiden. :angel
 
Ein sehr guter SchachZug von Dir - Fehler zuzugeben, und noch dazu in solch humorvoller, stimmungsaufbauenden Form.
Nicht jeder kann eigene Fehler zugeben.

Bitte: mehr davon!
(Ich meine nicht Fehler, sondern mehr Geschichten.)
 
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