Es ist ja nun nicht so, als sei ich nicht offenen Auges in mein Verderben gelaufen, aber es erstaunt mich doch irgendwie, dass es so weit kommen konnte. Eine gescheiterte Ehe bietet viel Raum, um aus Geschehenem Schlüsse für künftiges Verhalten zu ziehen. Eine ebenfalls gescheiterte Folgebeziehung mit erschwerendem Hintergrund in Form von Kindern der Partnerin bietet die Möglichkeit zu beobachten, welche Schlüsse man zuvor gezogen, dann aber ignoriert hat. Und man hat den Vorteil aus dem Problemfeld "Patchworkfamilie" Vorsätze für künftige Beziehungen zu fassen.
Das ist natürlich Quatsch. Zumindest was den praktischen Nutzen solcher Erfahrungen angeht. Dass man die Möglichkeit hätte, gewisse Gefahrenquellen von vorne herein auszuschließen, ist zwar erwiesenermaßen korrekt, aber was schert einen die Vergangenheit, wenn man sich neu verliebt? Eben!
Und so arrangierte ich mich nicht nur mit zwei Patchkindern, sondern auch noch mit zwei Katzen. Ich hatte an anderer Stelle schon einmal erwähnt, wie sehr mir Vierbeiner am Herzen liegen. Vereinfacht gesagt, ist mein Verhältnis zu Haustieren vergleichbar mit dem zu Brennnesseln. So lange ich nicht damit in Berührung komme, stören sie mich nicht. Ich will jetzt nicht näher auf die einzelnen Episoden meiner gestörten Beziehung zu den Katzen in unserem Haushalt eingehen, aber ich habe mich schon das eine oder andere Mal gefragt, was ich in meinem vorherigen Leben verbrochen haben mag, um eine solche Strafe verdient zu haben. Aber was tut man nicht alles für die Liebe?
Ich bewege mich rasant auf die 50 zu. Es wäre also durchaus angemessen, mich mit einer Midlife-Crisis zu beschäftigen und mir erst eine Lederjacke und dann die dazu passende Harley zu kaufen. Wie aber die einleitenden Worte bereits vermuten lassen, lebe ich in einem permanenten Zustand der Patchwork-mit-Katzen-Krise, da ist für weitere Krisen kein Platz mehr.
Mein Liebling sagt von sich selbst, sie habe bereits mehrere Lebenskrisen hinter sich gebracht, weshalb ihr neuester Anschlag auf mein Nervenkostüm nichts mit einer Midlife-Crisis zu tun habe. Und tatsächlich ging es weder um eine Lederjacke noch um eine Harley. Viel schlimmer. Es ging um einen Hund. Dabei – und Stammleser sind sicher nicht überrascht – fing alles ganz harmlos an.
Zum besseren Verständnis meiner Verzweiflung möchte ich noch etwas anderes vorausschicken. Die oben erwähnten Katzen wurden beide schon angefahren. Während die eine viel Glück hatte und nur leichte Verletzungen davon trug, hat die andere vermutlich bei ihrem Unfall acht ihrer neun Leben auf einen Schlag aufgebraucht. Es liegt mir fern des Lesers Gemüt mit grausigen Details zu belasten, Tatsache ist, dass diesem Unfall ein längerer Klinikaufenthalt und mehrere Operationen folgten. Mit dem Ergebnis, dass das arme Tier zwar überlebt hat, nun aber so viel Metall im Körper hat, dass eine normale Sicherheitskontrolle am Flughafen zur Tortur würde, sollte sich das Tier dazu entschließen, mit dem Flugzeug zu verreisen (meinen Segen hätte die Katze übrigens).
Sei's drum, mangels entsprechender Sprach- und Verhaltenskenntnisse kann ich nur annehmen, welche Belastungen diese ganze Angelegenheit für das Tier bedeutet haben. Die Belastungen des Frauchens hingegen, konnte ich ganz deutlich wahrnehmen. Sie endeten mit der Erkenntnis, dass es endgültig vorbei sei mit den Haustieren, wenn diese beiden Katzen dereinst das Zeitliche segnen. Und das kam von ihr. Ohne mein Zutun!
Aber zurück zu "es fing ganz harmlos an". Eines Tages erwähnte mein Schatz mehr oder minder beiläufig, dass sie in jungen Jahren mal einen Hund hatte und sich gut vorstellen könne, sich wieder einen zuzulegen, wenn wir dann mal pensioniert wären. Dies ist ein klassisches Beispiel für Nachrichten, deren Inhalt vom Absender ganz anders bewertet wird, als vom Empfänger. Ich habe in etwa Folgendes aus dem Gespräch gefiltert: "… in 15-20 Jahren vielleicht einen Hund, kann ich mal die Butter haben". Inzwischen weiß ich, dass ich da wohl etwas falsch verstanden habe. Wobei ich vermutlich mit 98% aller Männer im selben Boot sitze. Tatsächlich bedeuteten die Worte vielmehr, nämlich: Ich beschäftige mich intensiv damit, mir einen Hund zuzulegen.
Ich bin nicht sicher ob das eine evolutionäre Technik ist, um Männer bewusst in die Irre zu führen, es ist aber meiner Ansicht nach offensichtlich, dass die Info über die Vergangenheit und der Verweis auf die ferne Zukunft lediglich schmückendes Beiwerk sind, ohne jegliche bindende Relevanz. Entsprechend überrascht war ich auch, als mein Liebling vor zwei Wochen freudestrahlend auf mich zu kam und mir verkündete, sie habe den perfekten Hund gefunden.
Mein kleiner Kopf hat schon genug damit zu kämpfen, sich die vielen wichtigen Dinge zu merken, deshalb können unwichtige (oder noch nicht wichtige) Dinge nur so lange gespeichert werden, wie es für das unmittelbare Gespräch zwingend notwendig ist. Das Thema Hund war demzufolge schon wieder gelöscht, nachdem ich aufgefordert wurde, die Butter rüberzureichen.
Ich war also überrascht. Vom Thema an sich, aber auch davon, wie weit die Überlegungen bereits gediehen waren. Nämlich sehr weit. Nach dem Studium von zig Internetplattformen für ausgesetzte oder entlaufene Hunde, war der richtige Kandidat gefunden. Klein bis mittelgroß, dem Welpenalter entwachsen, weder aggressiv noch psychisch gestört. Was will man mehr?
Keinen Hund! Das ist zumindest meine Meinung. Und dies brachte ich auch deutlich zum Ausdruck. Ich sagte, und ich zitiere mich da wörtlich, "Ich will keinen Hund." Hatte ich das mit der unterschiedlichen Interpretation von Nachrichten schon erwähnt? In diesem Beispiel wähnte sich der Absender ob seiner klaren Worte und des einfachen Satzbaus auf der sicheren Seite. Die Empfängerin hingegen hat aus unerfindlichen Gründen in etwa Folgendes verstanden: Ich bin von dieser Idee genauso begeistert, wie von bitterkalten Nächten im Caravan oder als Spaziergang getarnten Wanderungen durch die Alpen. Aber wie immer füge ich mich natürlich gerne meinem Schicksal, wenn es Dich nur glücklich macht.
Kritische Leser mögen an dieser Stelle einwenden, dass ich nicht wissen könne, wie mein Schatz meine klare Ablehnung interpretiert hat. Doch kann ich. Nachfolgend zitiere ich das vollständige Gespräch:
"Ich will keinen Hund!"
"Das meinst Du nur!"
Noch Fragen?
Dass mein Standpunkt in der oben beschriebenen Weise interpretiert worden war, lässt sich auch daraus ableiten, dass in der Folge der Vermieter gefragt wurde, ob Hunde in der Wohnung erlaubt seien, dass parallel dazu Informationen gesammelt wurden, was man so alles tun muss, um einen Hund halten zu dürfen und – der endgültige Beweis meiner These – dass bereits im Tierheim angefragt war, wann der Hunde denn abgeholt werden könne.
Es ist ja nun nicht so, dass mir nicht genügend Gründe eingefallen wären, die gegen einen Hund sprächen, zumal mir der Grund "Ich will keinen Hund" absolut ausreicht, dennoch habe ich mich mit Googles Hilfe ein wenig mit dem Thema beschäftigt. Und zwar mit dem Ziel, den Elan meiner Frau mit fundierten Argumenten zu bremsen. Vergebliche Mühe? Pff, das weiß ich jetzt auch.
Dennoch will ich an dieser Stelle einen Fakt einbringen, der mir mehrfach untergekommen ist, während ich nach den geschätzten Kosten für einen solchen Hund suchte. In praktisch allen Kalkulationen, die ich gefunden habe, war ein mehr oder minder hoher Betrag enthalten, der für Schäden gedacht war, die der Hund in der Wohnung anrichtet. Zerbissene Schuhe, zerrissene Kissen, umgestoßene Lampen usw.
Haben Sie schon einmal versucht, Ihrem Sohn oder Ihrer Tochter zu erklären, dass die neue Freundin oder der neue Freund die gleichen Verhaltensweisen an den Tag legten, wie die Pfeife zuvor und er/sie deshalb besser vorsichtig sein sollte? Die Antwort darauf lautet in den meisten Fällen in etwa so: Nein, bei ihr/ihm wird das alles ganz anders! Zufällig war unser Mädel schon in genau dieser Situation und von ihrer Mutter sollte man deshalb erwarten, dass sie dieses "nein, er ist ganz anders" als zwar verständliche aber dennoch irrtümliche Entscheidung bewertet. Aber mein Hinweis auf das unkalkulierbare Zerstörungspotential eines Hundes wurde genau in dieser Art vom Tisch gewischt. Das sei bei diesem Hund ganz anders. Er sei ja klein und nicht aggressiv. Thema beendet.
Ein Running Gag unserer Beziehung ist die Aussage "Meins gibt es nicht mehr". Damit ist gemeint, dass wir zusammen sind und unser Leben und alles was darin ist teilen. Der Spruch wird gerne dann zitiert, wenn der eine etwas vom anderen haben will. Wird mir zum Beispiel ein Schluck Cola aus dem Glas entwendet wird meine Entrüstung mit den Worten "Meins gibt es nicht mehr" im Keime erstickt. Auch die Frage, weshalb der Nachwuchs meinen Computer verwenden muss, um Schularbeiten zu erledigen, wird mit dem Hinweis auf "Meins gibt es nicht mehr" beantwortet.
Irgendwie habe ich den Eindruck, dass die wirkliche Aussagen "Deins gibt es nicht mehr, meins schon" lautet, aber darum geht es hier ja gar nicht.
Ich nahm diesen Running Gag nämlich zum Anlass nochmals zu untermauern, dass es mir mit meinen Bedenken ernst war. Ich verwies nämlich darauf, dass der Hund nicht in diese Kategorie gehören würde. Der Hund wäre einzig und allein ihre Sache, mich ginge das Tier absolut nichts an. Gassi gehen bei Dunkelheit und Starkregen? Viel Spaß, aber ohne mich! Den Hund im Auto mitnehmen? Wir nehmen Dein Auto. Im Hotel sind keine Hunde erlaubt? Dann fahre ich eben alleine in den Urlaub.
"Das meinst Du nur!"
Na prima.
Für einen Moment glomm dann aber doch nochmal ein Funken Hoffnung für mich auf. Der "perfekte Hund" hatte nämlich inzwischen schon ein neues Heim gefunden. Und da mein Schatz ja äußerst sorgfältig gesucht und dabei viele unpassende Kandidaten ausgesondert hatte, sollte das Thema ja nun vom Tisch sein. Vermutlich war es meine Verzweiflung, die mir das Hirn vernebelte. Sonst wäre ich natürlich nicht auf einen so unsinnigen Gedanken gekommen. Dass der perfekte Hund nicht mehr verfügbar ist, bedeutete lediglich, dass es doch nicht der perfekte Hund war. Sonst wäre er ja verfügbar gewesen.
Hätte es zu diesem Zeitpunkt noch eines Belegs bedurft, dass meiner Frau die Sache ernst war, könnte das vergangene Wochenende herangezogen werden. Wir hatten kinderfreien Urlaub und verbrachten einige Tage in unserem Caravan bei Interlaken. Mein Schatz liebt den Caravan und die Gegend dort. Sie blüht regelrecht auf, wenn wir dort sind und es gibt kaum etwas, das sie davon überzeugen könnte, früher als unbedingt nötig wieder nach Hause zu fahren.
Dieses Mal war geplant nicht erst am Sonntagabend zurück zu fahren, sondern bereits am Morgen, damit wir noch das Fußballspiel ihres Sohnes ansehen konnten. Die zweite Sache, die mein Schatz nur aus sehr wichtigem Grunde verpassen würde.
Es kam für mich deshalb völlig überraschend, als ich gefragt wurde, ob wir schon am Freitagnachmittag oder doch erst am Samstagmorgen nach Hause fahren sollten. "Äääh … hä?" Sie wolle noch einen Hund ansehen gehen, deshalb. Am Samstagmorgen waren dann erstmalig die Rollen vertauscht. Plötzlich war sie es, der es nicht schnell genug gehen konnte mit dem heimfahren.
Aber damit nicht genug. Nachdem sie von der Besichtigung zurück war, fragte sie mit intensivem Augenklimpern, ob ich am Sonntag ihren Sohn zum Fußball begleiten könne. Sie müsse nämlich den Hund abholen.
Und jetzt haben wir also einen Hund. Er stammt aus Griechenland, war dort herrenlos aufgegriffen und in der Folge von einer Schweizerin vor dem Einschläfern gerettet worden. Er wurde Lenny genannt, aber angesichts der Tatsache, dass er erst eine Woche in der Schweiz war, wird er sich daran noch nicht so sehr gewöhnt haben. Ich nenne ihn deshalb Gyros.
Gyros verweigert bislang den Großteil der eigens für ihn beschafften Hundenahrung (und mein Schatz hat alle möglichen Sachen gekauft. So kommt es mir zumindest vor). Nudeln mit Hackfleisch kann er aber offensichtlich nicht widerstehen. Damit reiht er sich nahtlos in das fragwürde Fressverhalten ein, das unsere Katzen an den Tag legen. Die eine schleckt nur die Soße von jeglicher Art Nassnahrung und die andere ist selektiver Vegetarier (frisst nur bestimmtes, frisches Fleisch).
Bis jetzt (also nach knapp zwei Tagen) hat Gyros nur zwei Mal gebellt und noch nichts zerstört. Ich werte das als gutes Zeichen, auch wenn ich der Sache noch nicht so richtig traue. Die Katzen halten sich fern von ihm und belästigen mich deshalb während des Fernsehens nicht mit ihrem Schnurren. Das kann ich schon mal als klaren Vorteil werten. Und Spaß hat mir Gyros auch schon gemacht. Gestern Abend warf sich mein Schatz voll in Montur fürs Gassi gehen. Dicke Jacke, Mütze, Handschuhe, Gummistiefel (es regnete nämlich und war kalt) und natürlich ein blinkendes Band um den Oberarm, um im Dunkeln besser gesehen zu werden. Auch Gyros bekam eine Blink-LED ans Halsband und nach nur 20 Minuten der Vorbereitung waren Frauchen und Hund bereit fürs Gassi gehen.
Wobei das nicht ganz die Wahrheit ist. Nachdem Frauchen nämlich die Tür geöffnet hatte, legte sich der Hund auf den Boden und war nicht dazu zu bewegen, das Haus zu verlassen. Gyros, der alte Grieche, hat es offensichtlich nicht so mit kühlen Regenwetter.
Fortsetzung folgt …
Das ist natürlich Quatsch. Zumindest was den praktischen Nutzen solcher Erfahrungen angeht. Dass man die Möglichkeit hätte, gewisse Gefahrenquellen von vorne herein auszuschließen, ist zwar erwiesenermaßen korrekt, aber was schert einen die Vergangenheit, wenn man sich neu verliebt? Eben!
Und so arrangierte ich mich nicht nur mit zwei Patchkindern, sondern auch noch mit zwei Katzen. Ich hatte an anderer Stelle schon einmal erwähnt, wie sehr mir Vierbeiner am Herzen liegen. Vereinfacht gesagt, ist mein Verhältnis zu Haustieren vergleichbar mit dem zu Brennnesseln. So lange ich nicht damit in Berührung komme, stören sie mich nicht. Ich will jetzt nicht näher auf die einzelnen Episoden meiner gestörten Beziehung zu den Katzen in unserem Haushalt eingehen, aber ich habe mich schon das eine oder andere Mal gefragt, was ich in meinem vorherigen Leben verbrochen haben mag, um eine solche Strafe verdient zu haben. Aber was tut man nicht alles für die Liebe?
Ich bewege mich rasant auf die 50 zu. Es wäre also durchaus angemessen, mich mit einer Midlife-Crisis zu beschäftigen und mir erst eine Lederjacke und dann die dazu passende Harley zu kaufen. Wie aber die einleitenden Worte bereits vermuten lassen, lebe ich in einem permanenten Zustand der Patchwork-mit-Katzen-Krise, da ist für weitere Krisen kein Platz mehr.
Mein Liebling sagt von sich selbst, sie habe bereits mehrere Lebenskrisen hinter sich gebracht, weshalb ihr neuester Anschlag auf mein Nervenkostüm nichts mit einer Midlife-Crisis zu tun habe. Und tatsächlich ging es weder um eine Lederjacke noch um eine Harley. Viel schlimmer. Es ging um einen Hund. Dabei – und Stammleser sind sicher nicht überrascht – fing alles ganz harmlos an.
Zum besseren Verständnis meiner Verzweiflung möchte ich noch etwas anderes vorausschicken. Die oben erwähnten Katzen wurden beide schon angefahren. Während die eine viel Glück hatte und nur leichte Verletzungen davon trug, hat die andere vermutlich bei ihrem Unfall acht ihrer neun Leben auf einen Schlag aufgebraucht. Es liegt mir fern des Lesers Gemüt mit grausigen Details zu belasten, Tatsache ist, dass diesem Unfall ein längerer Klinikaufenthalt und mehrere Operationen folgten. Mit dem Ergebnis, dass das arme Tier zwar überlebt hat, nun aber so viel Metall im Körper hat, dass eine normale Sicherheitskontrolle am Flughafen zur Tortur würde, sollte sich das Tier dazu entschließen, mit dem Flugzeug zu verreisen (meinen Segen hätte die Katze übrigens).
Sei's drum, mangels entsprechender Sprach- und Verhaltenskenntnisse kann ich nur annehmen, welche Belastungen diese ganze Angelegenheit für das Tier bedeutet haben. Die Belastungen des Frauchens hingegen, konnte ich ganz deutlich wahrnehmen. Sie endeten mit der Erkenntnis, dass es endgültig vorbei sei mit den Haustieren, wenn diese beiden Katzen dereinst das Zeitliche segnen. Und das kam von ihr. Ohne mein Zutun!
Aber zurück zu "es fing ganz harmlos an". Eines Tages erwähnte mein Schatz mehr oder minder beiläufig, dass sie in jungen Jahren mal einen Hund hatte und sich gut vorstellen könne, sich wieder einen zuzulegen, wenn wir dann mal pensioniert wären. Dies ist ein klassisches Beispiel für Nachrichten, deren Inhalt vom Absender ganz anders bewertet wird, als vom Empfänger. Ich habe in etwa Folgendes aus dem Gespräch gefiltert: "… in 15-20 Jahren vielleicht einen Hund, kann ich mal die Butter haben". Inzwischen weiß ich, dass ich da wohl etwas falsch verstanden habe. Wobei ich vermutlich mit 98% aller Männer im selben Boot sitze. Tatsächlich bedeuteten die Worte vielmehr, nämlich: Ich beschäftige mich intensiv damit, mir einen Hund zuzulegen.
Ich bin nicht sicher ob das eine evolutionäre Technik ist, um Männer bewusst in die Irre zu führen, es ist aber meiner Ansicht nach offensichtlich, dass die Info über die Vergangenheit und der Verweis auf die ferne Zukunft lediglich schmückendes Beiwerk sind, ohne jegliche bindende Relevanz. Entsprechend überrascht war ich auch, als mein Liebling vor zwei Wochen freudestrahlend auf mich zu kam und mir verkündete, sie habe den perfekten Hund gefunden.
Mein kleiner Kopf hat schon genug damit zu kämpfen, sich die vielen wichtigen Dinge zu merken, deshalb können unwichtige (oder noch nicht wichtige) Dinge nur so lange gespeichert werden, wie es für das unmittelbare Gespräch zwingend notwendig ist. Das Thema Hund war demzufolge schon wieder gelöscht, nachdem ich aufgefordert wurde, die Butter rüberzureichen.
Ich war also überrascht. Vom Thema an sich, aber auch davon, wie weit die Überlegungen bereits gediehen waren. Nämlich sehr weit. Nach dem Studium von zig Internetplattformen für ausgesetzte oder entlaufene Hunde, war der richtige Kandidat gefunden. Klein bis mittelgroß, dem Welpenalter entwachsen, weder aggressiv noch psychisch gestört. Was will man mehr?
Keinen Hund! Das ist zumindest meine Meinung. Und dies brachte ich auch deutlich zum Ausdruck. Ich sagte, und ich zitiere mich da wörtlich, "Ich will keinen Hund." Hatte ich das mit der unterschiedlichen Interpretation von Nachrichten schon erwähnt? In diesem Beispiel wähnte sich der Absender ob seiner klaren Worte und des einfachen Satzbaus auf der sicheren Seite. Die Empfängerin hingegen hat aus unerfindlichen Gründen in etwa Folgendes verstanden: Ich bin von dieser Idee genauso begeistert, wie von bitterkalten Nächten im Caravan oder als Spaziergang getarnten Wanderungen durch die Alpen. Aber wie immer füge ich mich natürlich gerne meinem Schicksal, wenn es Dich nur glücklich macht.
Kritische Leser mögen an dieser Stelle einwenden, dass ich nicht wissen könne, wie mein Schatz meine klare Ablehnung interpretiert hat. Doch kann ich. Nachfolgend zitiere ich das vollständige Gespräch:
"Ich will keinen Hund!"
"Das meinst Du nur!"
Noch Fragen?
Dass mein Standpunkt in der oben beschriebenen Weise interpretiert worden war, lässt sich auch daraus ableiten, dass in der Folge der Vermieter gefragt wurde, ob Hunde in der Wohnung erlaubt seien, dass parallel dazu Informationen gesammelt wurden, was man so alles tun muss, um einen Hund halten zu dürfen und – der endgültige Beweis meiner These – dass bereits im Tierheim angefragt war, wann der Hunde denn abgeholt werden könne.
Es ist ja nun nicht so, dass mir nicht genügend Gründe eingefallen wären, die gegen einen Hund sprächen, zumal mir der Grund "Ich will keinen Hund" absolut ausreicht, dennoch habe ich mich mit Googles Hilfe ein wenig mit dem Thema beschäftigt. Und zwar mit dem Ziel, den Elan meiner Frau mit fundierten Argumenten zu bremsen. Vergebliche Mühe? Pff, das weiß ich jetzt auch.
Dennoch will ich an dieser Stelle einen Fakt einbringen, der mir mehrfach untergekommen ist, während ich nach den geschätzten Kosten für einen solchen Hund suchte. In praktisch allen Kalkulationen, die ich gefunden habe, war ein mehr oder minder hoher Betrag enthalten, der für Schäden gedacht war, die der Hund in der Wohnung anrichtet. Zerbissene Schuhe, zerrissene Kissen, umgestoßene Lampen usw.
Haben Sie schon einmal versucht, Ihrem Sohn oder Ihrer Tochter zu erklären, dass die neue Freundin oder der neue Freund die gleichen Verhaltensweisen an den Tag legten, wie die Pfeife zuvor und er/sie deshalb besser vorsichtig sein sollte? Die Antwort darauf lautet in den meisten Fällen in etwa so: Nein, bei ihr/ihm wird das alles ganz anders! Zufällig war unser Mädel schon in genau dieser Situation und von ihrer Mutter sollte man deshalb erwarten, dass sie dieses "nein, er ist ganz anders" als zwar verständliche aber dennoch irrtümliche Entscheidung bewertet. Aber mein Hinweis auf das unkalkulierbare Zerstörungspotential eines Hundes wurde genau in dieser Art vom Tisch gewischt. Das sei bei diesem Hund ganz anders. Er sei ja klein und nicht aggressiv. Thema beendet.
Ein Running Gag unserer Beziehung ist die Aussage "Meins gibt es nicht mehr". Damit ist gemeint, dass wir zusammen sind und unser Leben und alles was darin ist teilen. Der Spruch wird gerne dann zitiert, wenn der eine etwas vom anderen haben will. Wird mir zum Beispiel ein Schluck Cola aus dem Glas entwendet wird meine Entrüstung mit den Worten "Meins gibt es nicht mehr" im Keime erstickt. Auch die Frage, weshalb der Nachwuchs meinen Computer verwenden muss, um Schularbeiten zu erledigen, wird mit dem Hinweis auf "Meins gibt es nicht mehr" beantwortet.
Irgendwie habe ich den Eindruck, dass die wirkliche Aussagen "Deins gibt es nicht mehr, meins schon" lautet, aber darum geht es hier ja gar nicht.
Ich nahm diesen Running Gag nämlich zum Anlass nochmals zu untermauern, dass es mir mit meinen Bedenken ernst war. Ich verwies nämlich darauf, dass der Hund nicht in diese Kategorie gehören würde. Der Hund wäre einzig und allein ihre Sache, mich ginge das Tier absolut nichts an. Gassi gehen bei Dunkelheit und Starkregen? Viel Spaß, aber ohne mich! Den Hund im Auto mitnehmen? Wir nehmen Dein Auto. Im Hotel sind keine Hunde erlaubt? Dann fahre ich eben alleine in den Urlaub.
"Das meinst Du nur!"
Na prima.
Für einen Moment glomm dann aber doch nochmal ein Funken Hoffnung für mich auf. Der "perfekte Hund" hatte nämlich inzwischen schon ein neues Heim gefunden. Und da mein Schatz ja äußerst sorgfältig gesucht und dabei viele unpassende Kandidaten ausgesondert hatte, sollte das Thema ja nun vom Tisch sein. Vermutlich war es meine Verzweiflung, die mir das Hirn vernebelte. Sonst wäre ich natürlich nicht auf einen so unsinnigen Gedanken gekommen. Dass der perfekte Hund nicht mehr verfügbar ist, bedeutete lediglich, dass es doch nicht der perfekte Hund war. Sonst wäre er ja verfügbar gewesen.
Hätte es zu diesem Zeitpunkt noch eines Belegs bedurft, dass meiner Frau die Sache ernst war, könnte das vergangene Wochenende herangezogen werden. Wir hatten kinderfreien Urlaub und verbrachten einige Tage in unserem Caravan bei Interlaken. Mein Schatz liebt den Caravan und die Gegend dort. Sie blüht regelrecht auf, wenn wir dort sind und es gibt kaum etwas, das sie davon überzeugen könnte, früher als unbedingt nötig wieder nach Hause zu fahren.
Dieses Mal war geplant nicht erst am Sonntagabend zurück zu fahren, sondern bereits am Morgen, damit wir noch das Fußballspiel ihres Sohnes ansehen konnten. Die zweite Sache, die mein Schatz nur aus sehr wichtigem Grunde verpassen würde.
Es kam für mich deshalb völlig überraschend, als ich gefragt wurde, ob wir schon am Freitagnachmittag oder doch erst am Samstagmorgen nach Hause fahren sollten. "Äääh … hä?" Sie wolle noch einen Hund ansehen gehen, deshalb. Am Samstagmorgen waren dann erstmalig die Rollen vertauscht. Plötzlich war sie es, der es nicht schnell genug gehen konnte mit dem heimfahren.
Aber damit nicht genug. Nachdem sie von der Besichtigung zurück war, fragte sie mit intensivem Augenklimpern, ob ich am Sonntag ihren Sohn zum Fußball begleiten könne. Sie müsse nämlich den Hund abholen.
Und jetzt haben wir also einen Hund. Er stammt aus Griechenland, war dort herrenlos aufgegriffen und in der Folge von einer Schweizerin vor dem Einschläfern gerettet worden. Er wurde Lenny genannt, aber angesichts der Tatsache, dass er erst eine Woche in der Schweiz war, wird er sich daran noch nicht so sehr gewöhnt haben. Ich nenne ihn deshalb Gyros.
Gyros verweigert bislang den Großteil der eigens für ihn beschafften Hundenahrung (und mein Schatz hat alle möglichen Sachen gekauft. So kommt es mir zumindest vor). Nudeln mit Hackfleisch kann er aber offensichtlich nicht widerstehen. Damit reiht er sich nahtlos in das fragwürde Fressverhalten ein, das unsere Katzen an den Tag legen. Die eine schleckt nur die Soße von jeglicher Art Nassnahrung und die andere ist selektiver Vegetarier (frisst nur bestimmtes, frisches Fleisch).
Bis jetzt (also nach knapp zwei Tagen) hat Gyros nur zwei Mal gebellt und noch nichts zerstört. Ich werte das als gutes Zeichen, auch wenn ich der Sache noch nicht so richtig traue. Die Katzen halten sich fern von ihm und belästigen mich deshalb während des Fernsehens nicht mit ihrem Schnurren. Das kann ich schon mal als klaren Vorteil werten. Und Spaß hat mir Gyros auch schon gemacht. Gestern Abend warf sich mein Schatz voll in Montur fürs Gassi gehen. Dicke Jacke, Mütze, Handschuhe, Gummistiefel (es regnete nämlich und war kalt) und natürlich ein blinkendes Band um den Oberarm, um im Dunkeln besser gesehen zu werden. Auch Gyros bekam eine Blink-LED ans Halsband und nach nur 20 Minuten der Vorbereitung waren Frauchen und Hund bereit fürs Gassi gehen.
Wobei das nicht ganz die Wahrheit ist. Nachdem Frauchen nämlich die Tür geöffnet hatte, legte sich der Hund auf den Boden und war nicht dazu zu bewegen, das Haus zu verlassen. Gyros, der alte Grieche, hat es offensichtlich nicht so mit kühlen Regenwetter.
Fortsetzung folgt …