Diskussion Gewalt im Stadion ...

chmul

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... ist eine Sache. Gewalt gegen Schiedsrichter im Juniorenbereich der unteren Ligen ein ganz anderes.

Ich bin Trainer einer B-Junioren-Mannschaft im Fußball. Das sind in diesem Fall Jungs der Jahrgänge 96 und 97, also Typen im besten Pubertätsalter. Erfreulicherweise hat es unser Verband geschafft, so viele Jugendliche für den Job des Schiedsrichters zu gewinnen, dass fast alle Spiele von einem neutralen Verbandsschiedsrichter geleitet werden. Dort wo das nicht klappt muss der Heimverein einen Schiedsrichter stellen und das ist häufig keine so gute Idee.$

Diese Schiedsrichter sind häufig selbst noch recht jung, kürzlich hatten wir einen, der jünger war als unser jüngster Spieler. Dass hier der eine oder andere Mühe hat, sich so einem "Jungfuchs" unterzuordnen ist klar, aber entweder haben wir nicht so viele Idioten im Team oder es liegt an uns Trainern, aber unsere Mannschaft hat sich bislang recht gut gehalten. Bei einem Heimspiel vor zwei Wochen, haben wir aber vor Augen geführt bekommen, wie sich manche Spieler benehmen.

Eben jener Spiele regte sich nach einem Zweikampf furchtbar auf, weil er der Ansicht war, er sei gefoult worden. Eine Ansicht, die der Schiri aber nicht teilte und das Spiel weiterlaufen ließ. "Mach doch mal die Augen auf!" meinte der Spieler dann. Da wir den Ball hatten und der im Spiel blieb, passierte zunächst nichts. Dann gab es eine Spielunterbrechung und der Schiedsrichter holte sich den Spieler heran um ihn ermahnen. Darauf gingen dem die Pferde durch und er reklamierte eifrig weiter. Logischerweise bekam der dafür dann die Gelbe Karte. Das schien im aber nicht zu reichen, weil er immer weiter auf den Schiri einredete.

Um ihm die Chance zu geben, sich zu beruhigen, sprach der Schiri eine Zeitstrafe aus (5 Minuten). Diese Maßnahme erwies sich aber nicht als deeskalierend, jetzt flippte der Spieler nämlich gänzlich aus und wurde deshalb mit Rot vom Platz verwiesen. Der junge Mann musste von seinen Mannschaftskollegen vom Platz geschoben werden, damit er nicht weiter auf den Schiri losging. Das alles passierte direkt hintereinander, Ermahnung, Zeitstrafe und Platzverweis innerhalb einer guten Minute.

Ich als ruhiger Mensch und Trainer einer mehr oder minder vernünftigen Mannschaft war ziemlich bestürzt. Aber offensichtlich war das nur die Spitze des Eisbergs. Beschimpfungen des Schiedsrichters bis hin zu körperlichen Angriffen scheinen inzwischen schon im Jugendfußball die Regel zu sein. In der Zeitung war zu lesen, dass ein 15-Jähriger dem Schiri einen Faustschlag verpasst habe.

Dem Verband hat's jetzt gereicht. Für das kommende Wochenende sind alle Juniorenspiele, für die Verbandsschiedsrichter eingeteilt waren, abgesagt worden. Ein Zeichen soll das sein, ein Anlass über die Situation nachzudenken. Den Spielern und Trainern soll vor Augen geführt werden, dass es so nicht weiter geht.

Ich bin ja von Natur aus naiv und glaube an das Gute im Menschen. Deshalb hat mich das jetzt schon ziemlich kalt erwischt. Ist es wirklich schon so übel mit unserem Nachwuchs? Ich mag's eigentlich nicht glauben. Auch wenn ich ein paar Typen in der Mannschaft habe, deren großkotziges Getue meine Nerven strapaziert, solche Angriffe auf den Schiri (der meist weniger schlecht pfeift als die Mannschaften spielen) sind dann noch nochmal eine andere Qualität.

Ist das nur auf dem Land so oder auch in den Ballungsräumen. Oder ist es da sogar noch schlimmer? Ein Fußballproblem oder generell ein Problem unserer Jugend (und damit auch ein Elternproblem)?

Ein Link
 
Ich war ja nun auch ein paar Jahre auf den Fußballplätzen der Umgegend als Spielermama unterwegs. Was da an unsportlichem Benehmen von den Eltern, Trainern und Betreuern geboten war, lässt mich nicht wundern, dass die Kinder auf den gleichen Zug aufspringen. Schlägereien beim F-Jugend-Turnier zwischen Trainern war bisher die Krönung dessen.

VfB-Boy hat mit 12 auch ne Zeit lang Spiele gepfiffen. U.a. ein Knirpse-Turnier. Da sind die Trainer u. Betreuer auch nach Spielende zu dritt auf den kleinen Pimpf los gegangen! Zum Glück stecken genug Selbstbewusstseinsgene von Mama in ihm - er hat sich ganz cool gegen alle 3 behauptet. Sein gleich-junger Schirikollege musste in ähnlicher Situation in Tränen aufgelöst pausieren.

Da ich sozusagen am Drücker saß, hab ich solche negativ aufgefallenen Mannschaften an Turnieren gar nicht mehr teilnehmen lassen...
 
Nunja, es ist ja erst eigene Monate her, dass in den Niederlanden ein Linienrichter (Familienvater) von jugendlichen Spielern so schwer verletzt wurde, dass er verstarb. Diese Spieler haben ihn sogar über eine gewisse Strecke verfolgt, bevor sie ihn niedergekloppt haben. Auch wenn ich mich an sich mit dem Jugendfussball nicht beschäftige, so sind mir doch auch bei anderen Sportarten, die ich u.a. selbst ausübe, 2 Sachen aufgefallen:

1. Die Vorbilder: Wie von Bastelmeister beschrieben, tun nicht nur Trainer, sondern auch Eltern und sonstige Anhängerschaft alles, wenn sie meinen, ihr Kind/Schützling sei unfair behandelt worden - Oftmals auch über die Gebühr. Heißt also, dass man im direkten Umfeld entsprechende Vorbilder hat, um im passenden Alter dann selbst so für sich einzutreten. Wenn man sich aber viele Bundesligakicker anguckt, sind die nicht unbedingt besser: Manche benehmen sich auf und außerhalb des Platzes sowas von daneben, dass man sich fragen muss, ob diese Menschen jemals richtig erzogen worden sind.

2. Der Druck: Gerade bei jüngeren Spielern (welcher Sportart auch immer...), wo ein gewisses Talent festgestellt wird, fangen manche Eltern/Trainer an zu spinnen und pinnen sich auf die ToDo-List des Lebens "Ich mache aus meinem Kind einen Superstar" als Nr 1. Dementsprechend wird aber auch Druck auf die Kinder ausgeübt - Sie werden zum Spielen gezwungen, ihnen wird permanent eingeredet, dass sie ein gewisses Ziel erreichen MÜSSEN und dass ALLES davon abhängt. Ich mein, hey, wenn man mir als 8 Jährigem sagt "Du wirst irgendwann BL-Spieler werden aber dafür musst du dich durchsetzen und so und so gut spielen usw." dann hebst du nicht nur ab, sondern verinnerlichst einen ganz einfachen Satz: Erreiche das angestrebte Ziel oder dein Leben ist kaputt. Bei sowas können nur fragwürdige Charaktere entstehen.

Da ich aber für den Fußball keine Erfahrungsberichte vorweisen kann, sind das bloß meine 2 cents.
 
Letzteres ist sicher ein Problem in Einzelfällen und etwas höheren Ligen. Ich rede aber von der untersten oder zweituntersten Juniorenligen. Das sind teilweise Spieler, die kaum ohne Anleitung geradeaus laufen können.

Das Problem der Eltern stellt sich (zumindest bei uns in der Region) bei den B-Junioren eh nicht (mehr). Da kommen nämlich kaum noch welche zum Zuschauen. Andererseits haben kürzlich bei einem Auswärtsspiel erlebt, dass die zweite Mannschaft der Gegner mit einem Kasten Bier zum Zuschauen kamen. Wie gesagt, wir reden von 15-16-Jährigen auf einem Fußballplatz.

Keine schöne Entwicklung.
 
Soweit ich mich an die Bambini-Zeit unseres Sohnes erinnern kann, kommt es wirklich stark auf den Trainer an. Hier werden die Verhaltensregeln auf dem Platz vermittelt ... und da gab es ganz schön viele "Heißsporne".
Das von den Trainern (und auch Eltern) legitimierte und forcierte aggressive Verhalten gegnerischer Mannschaften während verschiedenster Turniere und Freundschaftsspiele (die ja alle mit viel Herzblut organisiert und betreut wurden) hat dazu geführt, dass viele Kinder (auch unser Sohn) schon nach 1-2 Jahren keine Lust mehr auf Fußball hatten ...
Mittlerweile sind von den ehemals 21 Kindern "unserer" Bambini-Truppe nur noch 2 im Verein aktiv ... und diese hohe Austrittsrate führe ich zu 60%-70% auf die "neuen Gepflogenheiten" auf dem Platz zurück ... !!!

Allerdings stelle ich bei enorm vielen jungen Mitmenschen eine allgemeine Verrohung und einen erheblichen Mangel an Respekt gegenüber Mitmenschen fest ... egal welcher "Gesellschaftsschicht" sie angehören ...
 
Die aktuelle junge Generation ist dümmer, gewaltbereiter, oberflächlicher, phantasieloser usw. als die Generation unmittelbar davor. Dieses Prinzip gilt seit Anbeginn der Menschheit :p. Meine Abneigung gegen Verallgemeinerungen ist inzwischen so zementiert, dass ich mich ihnen grundsätzlich verweigere - selbst wenn sie vielleicht angemessen wären...

Hier spielen so viele Faktoren zusammen. Früher konnte es durchaus passieren, dass sich ein Kind bei einem Fußballverein anmelden wollte und weggeschickt wurde - weil es nicht gut genug war oder sich nicht in die Gemeinschaft einfügen konnte. In Anbetracht des Nachwuchsmangels passiert das heute nicht mehr. Und so bleiben halt auch die 'Rabauken' im Team und stecken noch ein paar andere mit an.

Dass von 20 Bambinis später nur zwei in einer aktiven Erwachsenenmannschaft auflaufen, halte ich allerdings für eine ganz normale Quote. Wenn ich an meine Zeit zurück denke, war das nicht anders. Von der D-Jugend, in der ich gekickt habe (oder sagen wir mal besser: In der ich es erfolglos versucht habe, zu kicken :D), haben es später auch nur zwei oder drei in den aktiven Bereich geschafft.

Aber zurück zum Thema:
Ich finde es unverantwortlich, im Jugendbereich Schiedsrichter einzusetzen, die jünger sind als die Spieler - wo soll denn da der Respekt her kommen? Außerdem sollte überall dort, wo ein Jugendlicher pfeift, ein Verantwortlicher am Spielfeldrand stehen, der die Zuschauer ins Gebet nimmt, die meinen, auf den Hosenscheißer-Schiri schimpfen zu müssen. Der Verweis vom Sportplatz darf dabei kein Tabu sein. Wer sich nicht benehmen kann, fliegt - das gilt auf dem Platz und sollte auch daneben gelten.

Aus meinen eigenen Erfahrungen in der Zeit, als mein Sohn Fußball gespielt hat, ziehe ich außerdem den Schluss, dass es sehr oft ratsam wäre, Eltern nicht als Zuschauer zuzulassen. Beim Fußball bekommt man halt ab und zu mal einen Tritt. Wenn Mama oder Papa diesen Anblick nicht ertragen können, ohne gleich völlig in Rage zu geraten, sollten sie besser zu Hause bleiben.
 
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