Das Internet steckt für Behinderte oft noch voller Hürden

RollerChris

R.I.P.
2002-05-15 06:50:01
Heidelberg (dpa) - Anna Courtpozanis begann vor fünf Jahren im
Internet zu surfen. Inzwischen nutzt sie das weltweite Datennetz
regelmäßig beruflich und privat - obwohl sie blind ist. Dank einer
speziellen Software, einem so genannten Screen-Reader, wird der
Computertext für sie in die Blindenschrift Braille übersetzt und
zugleich vorgelesen.
Doch dies geht nicht bei allen Internet-Seiten ohne Probleme. Oft
denken Web-Designer nicht an Surfer mit Handicap und vergessen etwa
bei Bildern oder Grafiken Text zu hinterlegen. In dieser Woche
beschäftigte sich ein internationaler Kongress mit über 150
Teilnehmern in Heidelberg mit «Barrierefreiheit im Internet».
«Leider sind vielen Agenturen die Probleme der Behinderten im Internet
nicht bewusst», klagte Courtpozanis. Für Sehbehinderte seien besonders
Schriftgröße und Farbkontraste wichtig. Im Idealfall lassen sich diese
verändern - wie etwa auf der Seite des rheinland- pfälzischen
Sozialministeriums. Am 1. Mai trat das Bundesgleichstellungsgesetz für
Behinderte in Kraft. Im Zuge der Regelung müssen nach Angaben des
Projektes «Web for all» alle öffentliche Ämter ihre Internetauftritte
barrierefrei umgestalten. «Web for all» unterstütze Behörden, die ihre
Seiten umstellen wollten, sagte Projektsprecher Stefan Berninger.
«Jede Information muss als Text vorhanden sein», forderte er. Aber
nicht nur Blinde oder Sehbehinderte stoßen Berninger zufolge im
Internet auf Hindernisse. Auch Gehörlose hätten Schwierigkeiten, denn
der Audio-Anteil steige. Für Mobilitätsbehinderte seien häufig die
normalen Eingabegeräte wie Tastatur und Maus problematisch: Joystick
oder die Kopfmaus, die auf Bewegungen des Kopfes reagiert, könnten
hier Abhilfe schaffen.
Christian Fiebig von der Medien- und Filmgesellschaft Baden-
Württemberg sieht die Kommunen als Multiplikatoren. Von ihrer
gesetzlichen Verpflichtung, die Internetseiten umzustellen, erhofft er
sich auch Auswirkungen auf die gewerblichen Anbieter. Schließlich
stellen sie den größten Teil des Angebots im Internet.
Mit Vereinbarungen zwischen Firmen und Behindertenverbänden könnten
die Surf-Möglichkeiten für Behinderte im Netz verbessert werden, sagte
Christian Bühler vom Forschungsinstitut Technologie- Behindertenhilfe
der Fernuniversität Hagen. «Barrierefreiheit ist marktrelevant»,
stellte er fest. Sie stehe für Qualität sowie gesellschaftliche
Akzeptanz und verursache keine zusätzlichen Kosten. Angesichts der
demographischen Entwicklung seien schließlich zunehmend die
Bedürfnisse älterer Menschen von Bedeutung.
 
Oben