Diskussion Rassismus (im Sport) - Wo fängt das an?

chmul

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Heute war zu lesen, dass Dortmunds Kevin Großkreuz Fürths Gerald Asamoah mit rassisitischen Bemerkungen beleidigt haben soll. Nun war Asamoha schon mehrfach in solche (teils unbewiesenen) Vorfälle verwickelt und Großkreuz, so die vorherrschende Meinung, wäre im Bereich Geisteswissenschaften sicher schlechter aufgehoben als auf dem Fußballplatz. Und da ich bei besagtem Gespräch nicht zugegen war, fehlt mir jegliche Grundlage, den Vorfall zu bewerten.

Allerdings stellt sich für mich die Frage, wo Rasissmus beginnt, was Rassismus wirklich ist und wie der normale Mensch (wenn es sowas überhaupt gibt) Rasissmus definiert. Laut Wikipedia ist Rassismus "eine Ideologie, die Rasse in der biologisitschen Bedeutung als grundsätzlichen bestimmenden Faktor menschlicher Fähigkeiten und Eigenschaften deutet". Demnach ist Rassismus zunächst noch nicht einmal wertend, sondern eine Art Sortierbegriff auf Basis des Biologismus, also eines Versuchs Menschen aufgrund biologischer Ausprägungen einzuteilen.

Gemeinhin verstehen wir unter Rassismus allerdings, dass andere Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe beleidigt und herabgewürdigt werden, häufig kombiniert mit ideologischen Motiven. Und hier kommen wir wieder zum aktuellen Vorfall aus dem DFB-Pokal. Wenn da A zu B sagt "Du schwarzer Depp", ist das dann schon Rasissmus? Will B sagen, Du bist ein Depp, eben weil Du schwarz bist oder A viel mehr grundsätzlich beleidigen und dabei einfach noch ein beschreibendes Wort zusätzlich verwendet. Du blonde Hexe, Du kleiner Schwachkopf (wenn der Gegenüber von geringer Körpergröße ist).

Für mich sind Bestrebungen Ausdrücke wie Negerküsse oder Mohrenkopf zu vermeiden, Auswüchse, die in die falsche Richtung gehen. Kein Mensch auf dieser Erde will mit Negerkuss Menschen mit schwarzer Haut herabwürdigen. Und ebenso wie wir schon beinahe reflexartig zusammenzucken, wenn jemand einen Juden wegen seiner Meinung kritisiert (nicht wegen seines Glaubens!), so scheint mir, dass Rasissmusvorwürfe inzwischen auch viel zu schnell erhoben werden.

Klar, es heißt nicht umsonst "wehret den Anfängen" und saufende, Bild-lesende Hooligans fühlen sich vielleicht in ihren Hassgesängen bestätigt. Aber sollten wir nicht schon ein wenig weiter sein und in der Lage "normale" Beleidigungen auch als solche aufzufassen und richtig einzuordnen?

Angenommen Großkreuz hätte zu Asamoah "dummer Neger" gesagt. Asamoah hätte sich fürchterlich aufgeregt und dann wieder abgeregt. Dann wäre die Welt noch in Ordnung. Nun aber erhebt er Rassimus-Vorwürfe und bietet somit überhaupt erst Anlass, das Thema in den Medien auszubreiten. Rassismus ist nämlich ein tolles Thema. Es geht ja meist nicht mehr um sachliche Analysen oder Diskussionen sondern darum zu polarisieren. Die einen sollen sich entrüstet abwenden und den Entzug der Profilizenz fordern, während die andern in ihrer beschränkten Sichtweise bestätigt werden sollen, weil endlich mal jemand "die Wahrheit" sagt.

Nur damit auch die weniger Aufmerksamen das auch wirklich begreifen. Ich lehne Rassismus ab. Und auch wenn ich (als ehemals aktiver Fußballer und aktiver Trainer) weiß, dass man manchmal die Beherrschung verliert, lehne ich auch allzu derbe Beleidigungen ab. Erst recht, wenn man im Rampenlicht steht. Aber trotz allem sollte man die Kirche im Dorf lassen und solcherlei Äußerungen als das einordnen, was sie sind. Überreaktionen in Situationen besonderer Anspannung. Wenn Großkreuz bei einem Interview auf der Terasse seines Ferienhauses ins Mikro sagt, dass die Neger ein Ärgernis darstellen und in Afrika bleiben sollen und die Schlitzaugen eigentlich grundsätzlich nicht gebraucht würden auf der Erde, dann macht er rassistische Aussagen.

Oder sehe ich das völlig falsch?

Um zu vermeiden, dass dieses Thema aus dem Ruder läuft: Es geht nicht darum, ob die Arier die einzig akzeptablen Menschen sind und die Indianer alle doof sind. Es geht darum, wie das Thema in den Medien behandelt wird und wie wir es beurteilen. Sollte sich die Diskussion in eine Richtung entwickeln, die dieses Thema als Plattform für Hasstiraden nutzt, dann wird radikal aufgeräumt.

Eine Quelle. Rasissmus
 
Nun, da (sollten) sind wir uns wohl einig!
Rassismus hat im Sport absolut nichts zu suchen, genauso wie (blinder) Fanatismus!
Hier soll es sich angeblich aber um die traditionelle Vereinsfeindschaft handeln, also Blau/Weiß gegen Gelb/Schwarz.
Ich kann da auch beide Seiten nicht verstehen, woher kommt der Ursprung? Glaube nicht, dass es etwas mit Rassismus zu tun hat, sondern nur blinder Fanatismus.
Für Asamoah erscheint es leicht, schnell von Rassismus zu sprechen, ob er es wirklich in der Vergangenheit bewusst vorgeschoben hat, kann ich nicht beurteilen. Gehört sich aber auch nicht!
Zu einem „Dicken“ würde ich niemals sagen: Bewege mal Deinen dicken Arsch!
Das ist dann wiederum weder Rassismus oder Fanatismus, sondern Diskriminierung.
Aber wo sind die Grenzen? Der Prozess ist für mich schleichend und Grenzen werden leider zu schnell und zu oft überschritten.
 
Ich verstehe was Du meinst chmul und bin da auch voll Deiner Meinung.
Natürlich sind derartige Beleidigungen in praktisch allen Fällen nicht ideologisch geprägt, sondern kommen aus der extremen Emotion heraus.
Und es passieren im Sport viele Dinge, die man nicht überbewerten sollte.
Gerade die Medien sind da heute viel feinfühliger - nein, ich korrigiere - viel gieriger auf eine Schlagzeile geworden.
Wenn früher mal den Paul Breitner jemand im Training zu derbe umgegrätscht hat, dann ist der aufgestanden, hat ihm eine aufs Maul gehauen und beim nächsten Mal hat er besser aufgepasst - Thema erledigt. Heute berichtet die Bild-Zeitung auf drei Sonderseiten zum schlimmsten Eklat seit Menschengedenken und fünf scheinheilige Sportwissenschaftler starten eine Grundsatzdebatte zum Thema Fairness und Respekt.

Da wird gandenlos aufgebauscht, und natürlich geht es nicht um die Sache, sondern nur um Quote und Auflage.
Ich bin der Meinung, dass es gerade im Fußball ruhig mal etwas grober zugehen darf und man nicht so genau zuhören sollte, was da so gesagt wird.

Und trotzdem frage ich mich: Was bringt einen Spieler dazu, einen anderen Spieler mit anderen Worten als üblich anzugiften, nur weil dieser eine andere Hautfarbe hat? Warum kann er nicht einfach "Du A****loch" sagen, warum muss es das "schwarze A****loch sein"?
Selbst wenn man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass die Aussage nicht rassistisch motiviert ist, so bin ich dennoch dafür, sie hart zu bestrafen (so sie sich denn beweisen lässt, was in diesem konkreten Fall wohl kaum möglich ist).
Es geht nicht darum, einen jungen Spieler in eine Ecke zu stellen, in die er ziemlich sicher nicht gehört - aber es gilt ihm die Grenzen aufzuzeigen und ihm klar zu machen, dass es gewisse Begrifflichkeiten gibt, die man auch im Eifer des Gefechts einfach nicht in den Mund zu nehmen hat.
 
Die Frage ist doch nicht was ist Rassismus, sondern wann.
Wenn ich zu meinem Nachbarn blöder Ossi sage ist das völlig ok. Wenn chmul das zu meinem Nachbarn sagt, frag ich mich woher er den kennt. ;)
Wenn ein Eddy Murphy blöder Niggerarsch sagt, gehts in Ordnung. Wenn ein Weißer das sagt ist er Rassist.

Genau deswegen fühlen sich solche Debatten für mich immer etwas schwammig an.
 
Passend dazu war ich am vergangenen Wochenende auf einer Fortbildung mit dem hochtrabenden Titel "Neurointegratives Coaching".

Da ging es (unter anderem) um das Thema, wie man sich selbst definiert.

Person <--> Kompetenz

Die Person an sich ist bei jedem Menschen für sich betrachtet erst einmal vollkommen.
Problematisch wird es, wenn man sich nur noch über die Kompetenz definiert und diese Kompetenz dann von Anderen in Frage gestellt wird. Deswegen werden so viele Kritiken auch (viel zu) persönlich genommen. Und wenn jetzt noch Farbe / Glaube ins Spiel kommt, ...

Das ist auch ein Problem der heutigen "Leistungsgesellschaft". Da bekommt ein Kind von den Eltern zu hören, "wenn Du das kannst, bekommst Du ...".
So etwas impliziert dann immer auch den Umkehrschluss "wenn Du es nicht kannst, habe ich Dich nicht lieb". Und so etwas ist grundlegend falsch.
Nicht jeder kann alles. Es führt aber dazu, dass falsche Ketten / Verhaltensmuster entstehen und man sich nur noch über diese Kompetenz definiert.


Du bist nicht das was Du sein willst, sondern du wirst das was Du sein willst.


ot:

Kompliziert - Nicht verstanden?
Macht nichts, ging mir auch erst so. :D
 
Für mich bedeutet Rassismus,
wenn man alle Angehörigen einer Rasse (egal, ob man sie nun nach Hautfarbe, Staatszugehörigkeit oder Religion sortiert) über einen Kamm schert, sich dann nur die negativen Dinge der tausenden von Einzelwesen rauspickt, die in einen Topf wirft und als Standartausstattung jener Rasse mit Häme anprangert und verbissen bekämpft.
 
Wie erwartet hat der Vorfall (der im Sand verlaufen wird, weil es keinerlei Zeugen oder anderweitige Beweise gibt) so manche Diskussion ausgelöst, und natürlich werden auch andere dunkelhäutige Spieler der Bundesliga nach ihrer Meinung gefragt.
Ich weiß nicht mehr von wem das Zitat stammt, es ist mir auch egal, aber ich las ein Statement, in dem der Spieler sinngemäß sagte, solche Beschimpfungen kämen öfter vor, aber das dürfe man nicht weiter ernst nehmen. Er schloss mit den Worten: "Gott hat mich schwarz gemacht, und darauf bin ich stolz".
Wenn man das Thema Rassismus wirklich ernst nimmt, müsste man ihn für diese Bemerkung mindestens mit einer saftigen Geldstrafe belegen.
 
ot:
Wobei wir wieder bei der Frage wären, ob man auf etwas stolz sein kann, auf das man nicht den geringsten Einfluss hat(te).
 
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