Stillstand ab Montag

AlterKnacker

Household Manager
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Alle sieben Jahre? Das erste Mal seit 1995 wird ab kommendem Montag in der deutschen Metall- und Elektroindustrie wieder gestreikt. Nach dem Anfang in Baden-Württemberg werden sich die Arbeitsniederlegungen auf Berlin und Branden-burg ausdehnen. Ein schwerer Schlag für die deutsche Automobil- und Nutzfahrzeugindustrie, befürchten Experten.

Kurz vor dem prognostizierten Aufschwung kommt der Dämpfer: "Die Rezession konnte entgegen vielfach geäußerter Befürchtungen rasch überwunden werden, wozu die sich festigende Auslandskonjunktur und die expansive Politik der EZB beitrugen", verkündet trocken-optimistisch der Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Und jetzt der Arbeitskampf: ab Montag stehen die Daimler-Chrysler-Werke Sindelfingen, Rastatt und Untertürkheim still, am 13. Mai wird Ludwigsfelde bestreikt, die Produktion der Großraumlimousine Vaneo somit eingestellt. 300 Millionen Euro, so die Einschätzung von Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule Gelsenkirchen, verliert die Branche damit durch den Ausstand. Pro Tag.

Doch der Streik ist beschlossen, 6,5 Prozent mehr Lohn sind von den Metallern offiziell anvisiert, am Ende soll schließlich eine Vier vor dem Komma stehen. Die Arbeitgeber hatten zunächst eine Lohnerhöhung von 3,3 Prozent für 13 Monate sowie zusätzliche 190 Euro für März und April 2002 angeboten. Inakzeptabel, so die Reaktion seitens der IG Metall. Schließlich habe man in der letzten Verhandlungsnacht am 19. April ein Angebot vorgelegt, das sich nach kompliziertester Arithmetik auf ein Gesamtvolumen von nur noch 3,8 Prozent herunterrechnen ließ. Für kurze Zeit trennten Arbeitgeber und Gewerkschaft somit ein halbes Prozent, bei einem Monatsverdienst von 2800 Euro hieße dies: 14 Euro brutto mehr oder weniger am Ende des Monats. Doch Arbeitgeber wie Metaller zeigten sich ignorant, jetzt wird zurückgeschlagen: „Wir streiken dort, wo es richtig wehtut“, drohte IG-Metall-Chef Klaus Zwickel und nennt das „flexibles Streikkonzept“.


Quelle
 
Ok, ich gebe zu ich seh' die ganze situation mehr aus der arbeitgebersicht. Und speziell über eine formulierung wie ' bei einem Monatsverdienst von 2800 Euro hieße dies: 14 Euro brutto mehr oder weniger am Ende des Monats' rege ich mich auf.

Zum einen sind es für den arbeitgeber eben nicht nur 14 Euro pro monat, sondern 20x14 Euro oder 2000x14 Euro, eben je nach betriebsgrösse. Zum anderen sind es eben nicht 'oder 14 Euro weniger', weil es bei den verhandlungen ja nicht darum geht, ob man mehr lohn bekommt oder sogar lohnabzug hinnehmen muss. Es geht immer nur um mehr geld.

Grundsätzlich spreche ich den gewerkschaften nicht die daseinsberechtigung ab. Sie sind als gegenpol der arbeitgeberseite sicher notwendig. Aber ich finde es unsinnig die gewinne von porsche als anlass zu nehmen, für einen kleinbetrieb mit 15 oder 20 leuten 6,5 % mehr lohn zu fordern. Will sagen: Meiner ansicht nach sollten die löhne betriebsspezifischer gestaltet werde.

Der streik selbst wird übrigens laut SWR3 kaum auswirkungen auf die konjunktur haben, weil der produktionsausfall nachgeholt wird und die streikenden Ihr geld halt von der gewerkschaft bekommen. Anders sieht es mit hohen abschlüssen aus. Logisch, die die mehr geld bekommen, können dann mehr ausgeben. Aber erstens erhöht sich wegen der unsicheren zeiten eher die sparquote und zweitens wird es dadurch weniger leute geben, die überhaupt noch was verdienen. Maschinen werden nicht nach tarif bezahlt.

Was mir auf den senkel geht ist das ritual an sich: Die gewerkschaft fordert 10%, die arbeitgeber wollen keinen cent mehr bezahlen. Bis man sich dann halt irgendwo in der mitte trifft. Aber das gehört wohl irgendwie dazu...
 
Ich bin Heute auch zu Hause :D
Es wird höchste Zeit für eine Erhöhung, 3 meiner 7 Massanzüge haben mittlerweile deutliche Tragespuren.
Aber Spass beiseite, zu Beginn der Tarifrunde hat es ein Gewerkschaftssprecher meiner Meinung nach auf den Punkt gebracht: Die letzten Jahre hatten wir immer niedrige Abschlüsse, trotzdem hat es die Wirtschaft nicht angekurbelt. Jetzt müssen wir es halt andersrum versuchen.
Gerechte Beteiligung und Anregung der Kaufkraft sagen die Einen, Beschleunigung der Inflation und Vernichtung von Arbeitsplätzen sagen die Anderen. Beide haben sie Recht und auch wieder nicht. Die Vorteile des einen Wegs sind die Nachteile des anderen.

AK, Dein Beitrag ist offensichtlich arbeitgeber-orientiert (alles Andere hätte mich auch gewundert :D)
Der Vorwurf, die IGM würde jetzt wegen 14 Euro einen Streik durchziehen, wird genauso schnell zum Bumerang: Für die paar Kröten lassen sich die Unternehmen auf einen Arbeitskampf ein - warum zahlen sie denn nicht einfach? :ROFLMAO:


Ich denke aber auch: Der Streik ist gewollt, die IGM muss ihren Mitgliedern einfach mal wieder zeigen, dass sie noch da ist. Nach den teilweise enttäuschenden Abschlüssen in den letzten 5-6 Jahren wächst die Unzufriedenheit in den eigenen Reihen und die Gefahr des Mitgliederschwunds wächst. So ein Arbeitskampf schweisst die Beschäftigten wieder zusammen. Allerdings darf es nicht zu lange dauern. Je länger der Streik, umso höher die Erwartungshaltung. Irgendwann hat es die IGM dann gar nicht mehr selbst in der Hand.
Ich bin mir deshalb relativ sicher, dass es schon am Wochenende zu einer Einigung kommen wird. Natürlich mit einem Ergebnis, dass sich jede Seite schönrechnen kann und ihr Gesicht wahrt.
 
Warum wird nicht für 6,5% Neueinstellungen gestreikt ?

Ein Schlag in´s Gesicht eines jeden Arbeitslosen...

Gruss
Tim
 
Wenn das möglich wäre, würde ich mitmachen.
Die Milchmädchenrechnung sieht ja so aus. Die Arbeitenden bekommen mehr Geld, geben es wieder aus, beleben damit die Wirtschaft und es kommt zu Neueinstellungen. Ist natürlich Quatsch.

Aber glaubst Du ernsthaft, andersherum würde es funktionieren? Lohnverzicht bringt nicht einen einzigen Arbeitsplatz, weil die Unternehmen das gesparte Geld hundertmal lieber in die eigene Tasche stecken. Die Firmen würden lieber noch 10 Leute mehr entlassen, anstatt auch nur auf einen Cent ihres Gewinns zu verzichten.

Es ist ein schöner Spruch Tim, erinnert aber an die Moral-Floskeln, mit denen Promis auf der Talkshow-Couch nach Applaus haschen.
Schön gesagt, aber leider ohne jede Relevanz.
 
Genauso wurde in den Tarifrunden der letzten 10 jahre von Arbeitgeberseite argumentiert, geringe Abschlüsse für mehr Einstellungen, nichts ist passiert - und jetzt schreien! Mehr sage ich dazu nicht!
 
Wenn ich höre, wie wenig alle verdienen, kommen mir die Tränen.
Wo habe ich was von Lohnverzicht gesagt ???
Aber am originellsten ist es, bei unserem Lohn - und Mineralölsteuerstaat nur über die Firmen zu meckern.
Die IGM ist doch nicht erst seit Steinkühler der letzte Sauhaufen.
Nach der Wende haben die komplett versagt.
Ich habe schon ein paar Firmen erlebt. Was ich noch nicht erlebt habe, dass irgendeine Gewerkschaft auch nur einen Arbeitsplatz gerettet oder gar neu geschaffen hat.

Gruss
Tim
 
Ich find's einfach nicht gut, alle unternehmen über einen kamm zu scheren. Da gibt's halt unterschiede. Für die eine firma machen sich 5% mehr lohn praktisch nicht bemerkbar und der nächste laden krebst an der existenzgrenze rum.

Unsere firma ist beispielsweise in der unschönen lage ein produkt zu verkaufen, dass absolut austauschbar ist und damit ausschließlich über den preis verkauft wird. Wenn unsere kosten steigen können wir die nicht weitergeben. Also müssen wir diese kosten wieder irgendwo reinholen.

Klar will man mehr verdienen (schliesslich bin ich auch angestellter) aber es sind ja auch die vielzitierten lohnnebenkosten, die den faktor arbeit verteuern. Wir kalkulieren die arbeitsstunde in der produktion etwa mit dem faktor 1,66. Das heisst jeder Euro den unsere leute verdienen schlägt sich mit 1,66 Euro in unserer kalkulation nieder. Wenn man dann noch schaut, was vom Euro im geldbeutel landen tut sich eine kluft auf die nicht mehr lange so bestand haben kann ohne zu richtigen problemen zu führen.

Das feinbild 'unternehmer' der sich auf kosten der angestellten bereichert und lieber 10 familien in die sozialhilfe schickt als auf seinen 500 SL zu verzichten, geht mir auch gegen den strich. Natürlich will auch der unternehmer gewinn erwirtschaften. Ohne diesen antrieb würde keiner mehr das risiko eingehen eine firma zu gründen und sein (meist geliehenes) kapital investieren.

Wenn ein firmenchef auf der einen seite von der gewerkschaft dazu bewegt wird höhere löhne zu bezahlen und auf der anderen seite vom staat immer höhere abgaben zu entrichten wird er entweder auf ein anderes land zurückgreifen oder eben den faktor mensch durch den fakor maschine ersetzen.

Ich weiss, dass das alles nicht sooo einfach ist. Aber in solchen diskussionen wird meistens vermieden über den tellerrand hinaus zu schauen (von beiden seiten!). Dabei wäre es auch hier - wie so oft - notwendig sich seine meinung erst dann zu bilden, wenn man sich beide seiten eingehend betrachtet hat.
 
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