EXPLODIERTE E-ZIGARETTEN - WELCHE BEHÖRDE IST ZUSTÄNDIG?
Angenommen, Sie werden gefragt, welche Behörde für die Meldung eines Ereignisses mit explodierter E-Zigarette zuständig ist, könnten Sie weiterhelfen? Was bei Arzneimitteln relativ klar ist - Meldungen unerwünschter Wirkungen erfassen das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) und auch das a-t -, ist im Bereich von Lebensmitteln, Tabakwaren, E-Zigaretten u.a. nicht so einfach. Bundesbehörden, die unerwünschte Folgen von Produkten wie E-Zigaretten dokumentieren und auswerten, gibt es nicht.
Auf Anfrage teilen uns das BfArM, das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und das Bundesinstitut für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) mit, dass gemäß Tabakerzeugnisgesetz für die Überwachung von E-Zigaretten, bei denen es sich um so genannte verwandte Erzeugnisse im Sinne des Gesetzes handelt, die "nach Landesrecht zuständigen Behörden" als Marktüberwachungsbehörden zuständig sind. Eine bundesweite Übersicht über diese Behörden in den Bundesländern finden wir nicht. Dass es nicht gerade einfach ist, die zuständige Stelle zu finden, lässt das BVL durchblicken: "Die Länder regeln die Zuständigkeit für die Überwachung … eigenständig und durchaus unterschiedlich. Zumeist sind die Regierungspräsidien oder Gewerbeaufsichtsämter die zuständigen Stellen." Das BVL bringt auch die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) ins Spiel. Diese winkt auf Anfrage jedoch ab: Das BAuA hat zwar Aufgaben nach dem Produktsicherheitsgesetz, dabei handele es sich jedoch "in erster Linie um Aufgaben (zur) Kommunikation zwischen den Bundesländern und der Europäischen Union". Diese Behörde befasst sich also nicht konkret mit der Produktsicherheit von E-Zigaretten.
Schließlich haben wir in allen Bundesländern die Behörden angeschrieben, die uns nach Sichtung der Internetseiten zuständig erscheinen - beispielsweise wegen des Begriffs "Verbraucherschutz" im Titel. Wer jedoch tatsächlich der richtige Ansprechpartner ist, ist für Außenstehende - und, wie wir feststellen mussten, bisweilen auch für die Mitarbeiter der Behörden selbst - schwierig zu erkennen. Denn unsere Befragung der Landesbehörden ergab auch den "Klassiker", dass zwei Behörden eines Bundeslandes sich selbst für nicht zuständig erklären, sondern die jeweils andere. Und kaum vermittelbar dürfte sein, dass in Berlin für E-Zigaretten nicht die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz zuständig ist, sondern die für Arbeit, Integration und Frauen oder in Nordrhein-Westfalen nicht das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz, sondern das für Arbeit, Integration und Soziales. Bei derartigem Wirrwarr verwundert es nicht, wenn bislang nahezu keine Mitteilungen von Verbrauchern zu den Landesbehörden vorgedrungen sind.
Auch klingen manche Auskünfte realitätsfern. Wer geht - allein schon angesichts der Erfahrungen im besser regulierten Pharmabereich - davon aus, dass Hersteller tatsächlich, wie sie sollten, sofort die Überwachungsbehörden informieren, wenn sich Probleme mit einem ihrer Produkte erkennen lassen? Zwar könnten die Behörden den Buchstaben der Vorschriften folgend regelmäßig risikobasierte Stichprobenkontrollen durchführen. Jedoch fehlen uns Indizien dafür, dass dies in der Realität der Fall ist. Auch hier denken wir an unsere Erfahrungen im Arzneimittelbereich: Selbst wenn Missstände angezeigt werden, haben sich Landesbehörden vielfach als untätig oder ineffektiv erwiesen. Landesbehörden vertreten immer auch Standortinteressen. Dies dürfte besonders dann zu Zielkonflikten führen, wenn die Marktüberwachung im Ressort des Wirtschaftsministeriums liegt, wie beispielsweise in Schleswig-Holstein.
Transparenz und Verbrauchernähe tun aber Not. So wären beispielsweise auf den Internetseiten leicht auffindbare und eindeutige Zuordnungen hilfreich, wofür die jeweilige Behörde zuständig ist und an welche Abteilungen man sich wenden kann. Hinweise zur Mitteilung von Problemen mit auffällig gewordenen Produkten, die im jeweiligen Bundesland vertrieben oder produziert werden, könnten den Kenntnisstand der Behörden zu aktuellen Produktrisiken aufbessern.
In der nachfolgenden Aufstellung informieren wir über die Landesbehörden, die sich durch Antwort als zuständig erklärt haben bzw. auf zuständige Behörden verwiesen haben und geben eine Kurzfassung des Inhalts ihrer Stellungnahmen.
1 BfArM: Schreiben vom 10. Okt. 2016
2 BVL: Schreiben vom 12. Okt. 2016
3 BAuA: Schreiben vom 13. Okt. 2016
Behördenstellungnahmen im Überblick: Wir haben Bundesbehörden befragt, wer für die Sammlung und Auswertung von Berichten zu explodierten E-Zigaretten und deren gesundheitlichen Folgen zuständig ist. Landesbehörden baten wir um Stellungnahme, welche Kenntnisse zu explodierten E-Zigaretten vorliegen, ob bzw. wie viele Berichte hierzu eingegangen sind und ob Maßnahmen zum vorbeugenden Verbraucherschutz bereits getroffen wurden oder in Vorbereitung sind. Die Antworten dokumentieren wir nachfolgend:
Bundesbehörden
Bundessamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL): Zuständig für technische Risiken bei E-Zigaretten sind die "für die Überwachung der Gerätesicherheit zuständigen Stellen". Nach Bitte um Konkretisierung erläutert das Bundesamt: Analog zur Überwachung von Lebensmitteln und Bedarfsgegenständen sind die Bundesländer zuständig.
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA): Die BAuA ist im Rahmen von Aufgaben nach dem Produktsicherheitsgesetz in erster Linie für die Kommunikation zwischen Bundesländern und EU zuständig, für mangelhafte E-Zigaretten die Bundesländer. Die "angesprochenen Fälle lassen sich zum großen Teil auf falsche Handhabung der Akkus oder falsche Akkus zurückführen".
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM): Zuständig sind die "nach Landesrecht zuständigen Behörden" als so genannte Marktüberwachungsbehörden.
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): Zuständig sind die Behörden der Bundesländer.
Landesbehörden
Baden-Württemberg - Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft: 2014 ist eine Meldung zu einem Unfall bei Verwendung einer E-Zigarette eingegangen, die an die zuständige Marktüberwachung eines anderen Bundeslandes weitergeleitet wurde. In der Vergangenheit sind Unfallereignisse mit Lithium-Ionen-Akkus, z.B. bei handgehaltenen Werkzeugen wie Bohrmaschinen sowie Solarspeicher-Batterien im Zusammenhang mit Photovoltaik-Anlagen, aufgetreten. Akkumulatoren haben daher in der Überwachung eine besondere Relevanz. Bei E-Zigaretten gibt es derzeit keine aktive Schwerpunktaktion. Der Behörde fällt in den letzten Jahren ein Anstieg von Zollmeldungen bezüglich Lieferungen von E-Zigaretten (und anderen Produkten) von nicht in Europa ansässigen Wirtschaftsakteuren direkt an private Endverbraucher auf.
Bayern - Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit: Deutschlandweit ist dem Landesamt "nur ein einziger Fall" einer explodierten E-Zigarette bekannt (wahrscheinlich der Vorfall in Köln,1 Red.), für Bayern keiner. Das Risiko sich selbst entzündender oder explodierender Akkus von E-Zigaretten besteht vor allem, wenn Konsumenten die Leistung des Akkus modifizieren, um höhere Temperaturen am Heizelement (Verdampfer) und damit eine höhere Aerosolproduktion und Nikotinzufuhr zu erreichen. In der Stellungnahme gibt die Behörde auch Hinweise auf Veröffentlichungen in der wissenschaftlichen Literatur.
Berlin - Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz: Verwiesen wird auf die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen, die für Geräte- und Produktsicherheit zuständig ist. Meldungen aus Berlin liegen dieser Behörde nicht vor. Die Medienberichte über den Vorfall 2016 in Köln1 sind bekannt.
Brandenburg - Ministerium der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz: Zuständig soll das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie sein. Aus dieser Behörde wird mitgeteilt: "Es tut mir leid, dass Sie sich jetzt einmal im Kreis drehen". Zuständig als oberste Marktüberwachungsbehörde ist das zuerst angefragte Ministerium der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg. Ergänzende Mitteilung von dort: Kenntnisse zu explodierten E-Zigaretten liegen nicht vor. Verbraucherbeschwerden dazu sind nicht eingegangen.
Bremen - Die Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Verbraucherschutz: keine derartigen Vorfälle im Land Bremen bekannt.
Hamburg - Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz: Berichte zu explodierten E-Zigaretten und den Folgen liegen nicht vor, lediglich Mitteilungen aus der Presse.
Hessen - Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Erkenntnisse über explodierte E-Zigaretten liegen dem Ministerium sowie dem Landesbetrieb Hessisches Landeslabor nicht vor.
Mecklenburg-Vorpommern - Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz: Informationen zu explodierten E-Zigaretten liegen nicht vor. Die Behörde verweist auf das Sozialministerium als zuständige Stelle. Ministerium für Arbeit, Gleichstellung und Soziales: E-Zigaretten standen aufgrund fehlender Meldungen von Vorkommnissen in Mecklenburg-Vorpommern bislang nicht im Fokus.
Niedersachsen - Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Eigene Erkenntnisse zu explodierten E-Zigaretten liegen nicht vor. Insbesondere sind der Behörde keine Beschwerden von Verbrauchern bekannt geworden. Bei den im Internet berichteten Vorfällen lässt sich nicht bestimmen, "ob es sich um Qualitätsmängel der Erzeugnisse oder möglicherweise auch um Handhabungsfehler handelt." Grundsätzlich gilt, dass bei konkreten Hinweisen auf unsichere Produkte die zuständigen Behörden Überprüfungen durchführen und ggf. Korrekturmaßnahmen treffen.
Nordrhein-Westfalen - Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Das Ministerium verweist auf die Zuständigkeit des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales für die Produktsicherheit von E-Zigaretten. Von dort erfahren wir, dass bislang keine Erkenntnisse zu explodierten E-Zigaretten vorliegen sollen. Dies verwundert, da in zahlreichen Presseberichten über einen Vorfall im Januar 2016 in Köln mit schweren Verletzungen und Verlust von Zähnen durch ein manipuliertes Gerät mit ausgetauschtem Akku berichtet wurde. Die Bezirksregierung in Köln hat Medienberichten zufolge den Verkauf verschiedener Akkus eines Herstellers einstweilig verboten.1 Aus dem Ministerium des Landes NRW erhalten wir hingegen - wie auch aus einigen anderen Ländern - keine konkreten Angaben, sondern Standardformulierungen, wonach die Marktüberwachungsbehörden regelmäßig risikobasierte Stichprobenkontrollen durchführen. Auf konkrete Nachfrage zum Vorfall in Köln und den getroffenen Maßnahmen hat die Behörde nicht geantwortet.
Rheinland-Pfalz - Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten: Die Verantwortung für die Sicherheit von E-Zigaretten liegt grundsätzlich beim Hersteller, der "Vorkehrungen für geeignete Maßnahmen zur Vermeidung von Risiken zu treffen" hat. Bei Hinweisen auf Risiken haben Wirtschaftsakteure die Marktüberwachungsbehörden zu unterrichten, auch über Maßnahmen, die sie zur Vermeidung dieses Risikos getroffen haben. Ggf. ordnen die Marktüberwachungsbehörden die erforderlichen Maßnahmen an. "Unabhängig davon führen die Marktüberwachungsbehörden regelmäßig risikobasierte Stichprobenkontrollen durch." Nach Bitte um Konkretisierung, ob solche Kontrollen erfolgt sind, teilt die Behörde mit, dass der Markt beobachtet und die Thematik erforderlichenfalls in Schwerpunktaktionen näher untersucht wird.
Saarland - Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz: Berichte über explodierte E-Zigaretten im Saarland sind nicht bekannt. Weitere Maßnahmen erübrigen sich daher.
Sachsen - Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz: Berichte über explodierte E-Zigaretten liegen nicht vor. Die Thematik wurde "bis dato von Konsumenten nicht an uns herangetragen". Die Behörde kommentiert: Höchst vereinzelt aufgetretene Schadensfälle sind "nachweislich durch Plagiate herbeigeführt"; kein Handlungsbedarf.
Sachsen-Anhalt - Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration: Der Behörde liegen zu explodierten E-Zigaretten keine Erkenntnisse vor. Berichte über explodierte E-Zigaretten sind nicht eingegangen.
Schleswig-Holstein - Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume: Die Behörde ist für gesundheitlichen Verbraucherschutz zuständig. "Die Zuständigkeit ist bedauerlicherweise recht kompliziert geregelt." Produktsicherheit liegt im Bereich des Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie. Dieses kommentiert, dass die Zuständigkeiten "nicht so einfach organisiert sind", da das Thema E-Zigaretten "zwischen Produktsicherheit und Lebensmittelüberwachung angesiedelt ist". Problematik der explodierenden E-Zigaretten ist bekannt, jedoch sind der Behörde direkt keine Fälle gemeldet worden.
Thüringen - Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie: Im Zuständigkeitsbereich gibt es keine Erkenntnisse zu explodierten E-Zigaretten. E-Zigaretten werden regelmäßig "anhand angemessener Stichproben auf geeignete Art und Weise und in angemessenem Umfang" einer Kontrolle unterzogen. Nach Bitte um Konkretisierung, ob solche Kontrollen erfolgt sind, teilt die Behörde mit, dass nach Inkrafttreten des Tabakerzeugnisgesetzes im Mai 2016 "bislang noch keine Untersuchungen von E-Zigaretten veranlasst" wurden.
Sonstige
Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.: Die Verbraucherzentrale äußert sich nicht zu Fragen zur Produktsicherheit und verweist auf das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und die Stiftung Warentest.