Olympia und die alte Debatte: Wie politisch ist der Sport?

Griesgram

treuer Stammgast
Wie denkt Ihr eigentlich über die aktuelle Diskussion im Bezug auf die jetzt hochkochenden Forderungen nach einem Olympia - Boykott?

Einerseits bin ich ja der Meinung, dass Sport und Politik zwei verschiedene Paar Schuhe sein sollten. Trotzdem gibt es aber einen untrennbaren Zusammenhang zwischen diesen beiden Welten. Nicht erst seit den Spielen 1936 in Berlin wurden Athleten immer auch als Produkte einer politischen Ideologie benutzt. Egal ob ein Sportler aus einer Diktatur, Monarchie oder aus USA, BRD, DDR oder egalwoher kommt, immer ist er gleichzeitig auch ein von seinem Heimatland benutztes Paradepferdchen für die aktuelle Staatsform daheim. Das schließt natürlich auch alle selbsternannten aktuellen Demokratien mit ein.

Nun gibt es bei der FAZ einen Kommentar zu lesen mit einem neuen Ansatz: man überläßt es ohne Boykott jedem einzelnen Sportler, während der Olympiade im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit seinen Kommentar zum Thema Tibet abzugeben.

Einerseits charmant, andererseits würde hierdurch viel zu viel Verantwortung von der Politik in den Sport und auf jeden Einzelsportler gelegt. Wie seht Ihr das Thema: "Die Verantwortung des politisch korrekten Leistungssportlers mit Herkunft Deutschland"? Und würdet Ihr einen Boykott eher ablehnen oder unter den gegebenen Umständen begrüßen?
 
Ein konventioneller Boykott wäre überflüssig, wenn die Leute die die Zustände in Tibet und China stört, einfach nicht einschalten und den ganzen Merchandising-Quatsch nicht kaufen würden. Olympia ist vor allem eine Wirtschaftsveranstaltung. Wenn man mit China da finanziell auf die Schnauze fliegen würde, würden Staaten in denen Menschen- und Freiheitsrechte massiv mit Füßen getreten werden, bald keine Chance mehr haben als Veranstaltungsort ausgewählt zu werden.

Ansonsten kann man natürlich die propagandistische Wirkung diskutieren. Man bedenke welch positives Bild die WM im Ausland erzeugt hat. China eine solche Gelegenheit zur Selbstdarstellung zu geben, ist meiner Meinung nach suboptimal.

Das ist erstmal meine "politisch korrekte" Ansicht zu dem Thema.

Meine politisch weniger korrekte Ansicht lautet: Ein Boykott würde Olympia in einer Form überbewerten, die diese Veranstaltung nicht verdient. Dieses Blabla von wegen "friedliches Kräftemessen der Nationen", "Dabei sein ist alles!" und "Olympischer Geist" geht mir maßlos auf den Sack. Die Spiele sind durchkommerzialisiert und in vielen Bereichen eher eine Pharmaleistungsshow denn ein fairer Sportwettkampf. Olympia ist für mich wie eine ausgebumste Hure, von der alle Welt spricht, als wäre sie eine jungfräuliche Heilige. Da ist mir zB die Formel 1 doch wesentlich lieber, wo man offen zu seiner Geldgier steht.
 
Auf SWR 3 haben sie gestern auch intensiv über dieses Thema diskutiert. Danach schließe ich mich der Ansicht an, dass ein Boykott nichts brächte. Das Ziel solcher Aktionen sollte ja eigentlich die Verbesserung der Situation in Tibet sein. Ein Boykott würde diesbezüglich nichts ändern.

Dass ist Spiele bei Veranstaltern wie China politisch sind, ist für mich offensichtlich. Die Weltwirtschaft ist inzwischen dermaßen mit China verwoben, dass eine politische Entscheidung der Europäer gegen China letztendlich nur dazu führen würde, dass amerikanische Firmen besser ins Geschäft kommen (und umgekehrt). Da China auch im Ausland (zum Beispiel in Afrika) würden betroffene Länder eh nichts tun um die Chinesen zu vergraulen.

Wie TMH schon schrieb kann man China besser treffen, wenn man als Konsument chinesische Ware links liegen lässt. Aber einerseits ist es gar nicht mehr so leicht, Spielzeug zu finden, das nicht aus China kommt und andererseits kostet das Bio-Holzspielzeug aus der Manufaktur um die Ecke halt viel mehr. Und dann muss man sich halt entscheiden, wer einem Näher ist. Der unterdrückte Tibeter oder der eigene Geldbeutel.
 
Ich habe von einem Olympia-Kauf-Boykott gesprochen, nicht von einem China-Kauf-Boykott. Denn wie schon von dir angesprochen - um viele chinesische Produkte kommt man einfach nicht herum (sofern man nicht zur FDP-Klientel gehört ;) ) .
Olympia hingegen braucht kein Mensch um zu leben bzw. um glücklich zu werden.
 
Das es Cina mit den Menschenrechten nicht so genau nimmt, war ja schon bekannt, bevor man die olympischen Spiele dorthin vergeben hat.

Da war wohl auch die Gier größer als der olympische Gedanke.;)
Wenn man bedenkt, welche Konsumkraft so ein riesiges (Auch wirtschaftstechnisch gesehen) Volk an den Tag legt.
 
Das ist wohl das Traurige daran. Selbst wenn die ganze westliche Welt kein Olympia-Merchandising mehr kaufen würde - durch den gigantischen chinesischen Markt ist da vermutlich immer noch genug zu holen.
 
Einerseits bin ich ja der Meinung, dass Sport und Politik zwei verschiedene Paar Schuhe sein sollten.
War schon bei den olympischen Spielen in Olympia anno dunnemals nicht so und hat sich im Verlauf der Jahrtausende nicht geändert. Überall wo ein großes Publikum anzutreffen ist, gibt es auch Politik und somit auch Politiker.

Ein Boykott der Spiele ist dennoch Banane, da er nichts an den Zuständen in China ändern würde (siehe auch den Moskau Boykott, was hatte der gebracht? Nichts!) und extrem unfair gegenüber den Sportlern ist, die sich teilweise ihr ganzes Leben auf diesen Event vorbereitet haben und vielleicht nie wieder diese Chance erhalten.

Viele Leute müssen die Gelegenheit nutzen, China zu besuchen - und zwar mehr, als die Chinesische StaSi, VoPo, ... - oder wie auch immer die ihren Haufen nennen - kontrollieren kann und dann berichten, berichten, berichten. IMHO der bessere Weg, etwas zu ändern!

Reißt endlich die Chinesische Mauer ein - und damit meine ich nicht die antike Mauer aus Steinen und Lehmziegeln...
 
Dass der chinesischen Regierung die Öffentlichkeit und deren Meinung am Arsch vorbei geht sieht man doch genau jetzt an ihrer Reaktion. Die wissen genau um ihre wirtschaftliche Stellung in der Welt und, dass sich da keiner wirklich ran traut aus Angst, Aufträge in der Wirtschaft nicht zu bekommen. Die Verantwortung möchte doch wohl keine Regierung, geschweige denn ein Politiker freiwillig übernehmen.

Vielleicht sollten wir den Chinesen an der Ecke in Zukunft meiden und mal wieder zu McDonalds gehen, die tun öffentlich wenigstens so als wären die anderen die Bösen :D
 
Man hat genau gewusst, in was für ein Land man die Spiele gibt.
Wer in China den Mund aufmacht, wandert in den Knast oder wird gleich abgemurkst,
und das nicht erst seit dem letzten Wochenende.
Nur weil uns dieser Schlitzaugen-Hitler gerade mal wieder vorführt, wie verlogen,
kriminell und menschenverachtend das Regime ist, soll man jetzt über irgendwas
nachdenken?
Die Basis, auf der die Vergabe erfolgt ist, ist doch immer noch die selbe,
die Zustände haben sich nicht verändert. Warum also die Entscheidung in
Frage stellen?

Wenn 150.000 fähnchenschwenkende Chinesen bei der Eröffnungsfeier eine eindrucksvolle
und perfekt inszenierte bunte Choreographie hinlegen, dann werden wir alle
nüsschenkauend auf dem Sofa sitzen und uns daran erfreuen.
Von ein paar gemeuchelten Mönchen lassen wir uns den Spaß doch nicht verderben,
außerdem sind die eh selber schuld.
 
Hallo,

jetzt mal eine etwas schräge Meinung zu dem Thema. Wenn Du ein in China wohnender Patriot wärst, dann hättest Du genügend Gründe dafür, die Vorkommnisse als einen Aufstand von mörderischem Gesindel zu sehen. Zudem könnte eine kommunistisch gesinnte Person auf die Idee kommen, dass Religion nun, wie schon immer, der größte Kriegs- und Differenzenstifter ist.

Und der Dalai Lama? Das ist sowieso der Netteste! Der hat auch alles im Griff, besonders seine Gefolgschaft! Dass die Ausschreitungen nun gerade kurz vor der Olympiade geschehen, dass ist bestimmt ein riesengroßer Zufall. Denn der Dalai Lama ist ja auch überhaupt nicht berechnend. Der hat auch nicht diese übliche Linkheit der anderen Politiker. Die versuchen ja immer, sich durch miese Tricks in das beste Bild zu rücken. Nein, so etwas macht der nicht. Nein, niemals und ganz sicher nicht!!!!!!!!

Und jetzt mal ehrlich: wer kann welchen Konflikt heutzutage noch sachlich nachvollziehen und eine allgemein gültige Wertung vornehmen? Ich würde mir das nicht zutrauen. Als Sportler würde ich nur ganz konsequent einen Weg verfolgen: leck mich am Arsch mit Politik und lass dich vor keinen Karren spannen. Wobei ich dabei die unkorrekte Meinung von The Mad Hatter im Bezug auf Olympia voll und ganz teile :)
 
Es hat eben alles zwei Seiten, da hast Du schon Recht.
Wäre ich in China geboren und aufgewachsen, würde ich meine Nation evt. zu den Guten zählen.
Wäre ich im Irak geboren, würde ich Amerika für das kriminellste Land der Welt halten. Ups, das tu ich ja auch so... :ROFLMAO:

Ich gebe auch gern zu, dass ich da nicht mehr objektiv bin. Seit ein paar friedliche Demonstranten von Panzern überfahren wurden, sitzt bei mir der Gedanke fest: China ist böse.
Und selbst wenn sich seither ein paar Dinge geändert haben, es ist und bleibt ein totalitäres System.
 
Das dürfte bei den Chinesen böse Erinnerungen wachrufen:

Tibetische Reiterhorden auf dem Vormarsch

Tja, zuerst die Mongolen, jetzt die Tibeter. ;)

Bin mal gespannt wie das weitergeht. Die Gerüchte Taiwan könnte die Olympischen Spiele für seine Unabhängigkeitsbemühungen nutzen, sind ja nie ganz verstummt. Und bei der derzeitigen Lage, hat China mit Tibet schon genug am Hals.

Auf jeden Fall wird es sehenswert, wenn im August alle Welt fest die Augen zumacht und seine "fröhlichen und friedlichen Spiele" abhält. Vielleicht sollte man noch kurzfristig in das Geschäft für Blitzableiter einsteigen. Die Politiker und Funktionäre werden sie dringender benötigen, denn je. :ROFLMAO:
 
Apropos - laut Wikipedia wurde der erste Fackellauf während der wohl bekanntesten Spiele der Neuzeit eingeführt. Ein Schelm wer jetzt Parallelen zum gerade begonnen Fackellauf Richtung Peking zieht. ;)
 
ot:
Mein Leiblingssportler war Ivan Drago, der wurde so richtig genial als das personifizierte Böse dargestellt :D
 
Man sieht es ja immer wieder:

Am besten würden wirtschaftliche Sanktionen, aber da kommen sehr schnell die wirtschaftlichen Zwänge der sich so empört gebenden freien Länder in den Weg.

Die ganze verdammte Welt macht Riesengeschäfte mit den Chinesen, und da wird also nichts passieren. Ein paar kleine Vorzeigeaktionen wie etwa das Fernbleiben von der Eröffnungsfeier, ein paar mahnende Ansprachen, das wars.
 
China war vor 200 Jahren die wichtigste Handelsnation der Welt und wird es in kürze wieder sein. Was willst Du da mit Sanktionen bewirken?

Gut, der Außenhandel von Deutschland mit China ist eh defizitär, aber das ist eine andere Geschichte...
 
Also ich bin der Meinung,eine Vergabe von Olympia nach China war von vorneherein eine politische Fehlentscheidung.Das dort die Menschenrechte mit Füßen getreten werden ist seit eh und je bekannt.
Jetzt allerdings die Verantwortung in die Hände der Sportler zu legen,die sich damit entweder zum Buhmann oder zum Helden machen finde ich völlig unverantwortlich.
Wenn,dann müßte es eine kollektive Entscheidung des olympischen Komitees geben,in diesem Jahr keine Olympiade stattfinden zu lassen.
 
Oben