[Information] Attraktive Blondine sucht...

Gamma-Ray

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Attraktive Blondine sucht...

Mit Wehmut denke ich an die Zeit zurück, als der zarte Lavendelduft einer verführerischen Schwarzhaarigen meine Nasenflügel zum Vibrieren brachte und ich sie wie ein liebeskranker Hund durch die Altstadt verfolgte. Die Zeiten sind längst vorbei. Zum Zwecke der Partnerschaftssuche treibt man sich nicht mehr wochenlang in Eiscafes oder Stadtparks herum, in der Hoffnung, dort die zukünftig Angebetete zu treffen. Bindungswillige Singles sitzen heute vor Bildschirmen und suchen in Chaträumen der Flirtlines nach ihrem Pendant.

Die fälschliche Annahme, jeder Topf fände auch seinen Deckel, treibt gerade in der heutigen Zeit seltsame Blüten. Da der Schein mehr gilt, als das Sein, greifen die meisten Chatter zu unkonventionellen Mitteln. Im Schutze der Anonymität vollzieht sich die Prozedur atemberaubender Verwandlung per Mausklick. In Sekundenschnelle verlieren Übergewichtige ohne schweißtreibendes Hanteltraining oder mühsame Diätkost bis zu 25 Kilo Lebendgewicht. Nur zwei Tasten sind nötig, um sich 10 oder 15 Jahre jünger zu machen. Zügig sichten Interessenten Angebot und Nachfrage. Standardisierte Nachrichten an die Zielgruppe ersetzen sehnsuchtsvolles Liebesleiden. Sei es zwischen Meeting und Audit, im Anzug oder Nachthemd, im Tanga oder Suspensorium, unrasiert und übelriechend, Ort und Zustand spielen keine Rolle, das Internet ist geruchsneutral und nicht ansteckend.

In der digitalen Welt vervielfacht selbst die vom Herrn im Zorn erschaffene Frau ihre Chancen, indem sie sich von schweren Brüsten, teigweichem Bauchspeck und Oberschenkeln mit dem Umfang griechischer Tempelsäulen befreit. Krampfadern, Krähenfüße und gewaltige Hinterteile erfahren durch virtuelle Weichzeichner anbetungswürdige Proportionen. Zur Untermauerung gnadenreicher Wiedergeburt benötigt man nur noch ein vorteilhaftes Jugendfoto aus dem Familienalbum und einen erotisch klingenden Nick, um sich den Touch von Verruchtheit und Sünde zu verleihen. Natalie, Chantal, Sexylady oder Minouche ersetzen Ilse, Gretel, Hilde oder Martha.

Wie durch ein Wunder sind aus biederen Hausmütterchen erotische Lustgöttinnen, aus streitsüchtigen Megären liebreizende Blondchen, und aus grauen Mäusen, mit entzündlicher Akne, Nickelbrille und üppiger Beinbehaarung laszive Vamps geworden. Männer fahren auf die verheißungsvollen Sünderinnen ab, wie Schmeißfliegen auf eine gut gefüllte Klärgrube. Schließlich können sich Millionen Fliegen nicht irren. Auffallend ist, dass Damen ab Kleidergröße 44 und aufwärts vorzugsweise Nicks auswählen, die „verniedlichen“ oder „verkleinern“. Sie nennen sich Mäuschen, Häschen oder Kleine Hexe, um von ihren XXXL-Maßen abzulenken. Natürlich gibt es auch mutige Mischformen der Namensgebung wie: Süßes Pummelchen oder Mollige Versuchung. Kreativität wird zur eingebildeten Wahrheit, die im Profil mit ein paar griffigen Sätzen untermauert werden. Zugegeben, das Formulieren eines ansprechenden Textes mit Aufforderungscharakter ist so schwierig wieder nicht und wenn man schon den Schritt des aufpolierten Selbstbildes gegangen ist, folgt der nächste Schritt zwangsläufig. Polygame Frauenbeglücker und nimmermüde Verbalerotiker stoßen dann auf Anzeigen kreativer Namensgeberinnen wie:

Wilde Maus sucht treuen, ehrlichen, gutaussehenden Partner für alles, was zu zweit mehr Spaß macht. Ich bin eine attraktive Blondine, schlank, sportlich, nicht dumm und für alles offen. Mein Motto! Alles kann, nichts muss.“

Die geübte Chatterin weiß, was sie mit ihrem suggestiven Selbstbild, versehen mit einem Quäntchen Frivolität beim männlichen Leser auslöst. Jetzt braucht Frau in der Rubrik „Hobbies“ nur noch „Inliner, Mountainbike, oder Inliner einzutragen, und schon ist das Fake aus der Taufe gehoben. Der Zulauf von Blindheit geschlagener Männer mit ausgeprägtem Libido-Mangel-Syndrom und vernebeltem Hirn ist gesichert. Schlagartig wird aus dem Biedermann ein vor Geilheit lechzender Potenzprotz, weil er glaubt, er sei auf einen besonders heißen Ofen gestoßen. Im Bistro oder im Supermarkt nebenan hätte er gleich bemerkt, dass er es nicht mit einem „Schmuse-Häschen“, sondern mit einem „Walross“ zu tun hat. Nicht auszudenken, wenn eine solch schwergewichtige Matrone von ca. 120 Kilo Nettogewicht Ernst machte, und in schrillem Outfit und rudernden Armen auf Inlinern durch die Fußgängerzone donnerte. Vom omnipotenten Gigolo mit Tatoo am Steiß und Goldkettchen am braungebrannten Freizeitkörper würde nichts als ein plattgewalztes Abziehbild übrigbleiben, käme er dieser unförmigen Heimsuchung versehentlich in die Quere.

Gekämpft wird an allen Fronten und mit allen Mitteln. Pubertäre Pickelbübchen, Handelsvertreter in Damenunterwäsche und unscheinbare Kleinkrämer mutieren in der gleichen Schnelligkeit zum Schmusetiger, Superman oder Latinlover. In Wirklichkeit sieht der getunte Bilderbuch-Adonis aus, als habe er einen Medizinball verschluckt und objektiv gesehen macht ihn der Faltenwurf im Gesicht einem Bernhardiner ähnlicher, als dem Filmhelden Richard Geere. In der Regel ist er mobil, verheiratet und hat drei schulpflichtige Kinder.
Vom Muskelschwund befallene Milch-Bubies, einsame Buchhalterseelen und allzeit bereite Dünnbrettbohrer verwandeln sich in strahlende Märchenprinzen. Ob Glatze, Brille und Speckwampe, oder spindeldürre Beine, gnomenhafter Wuchs und übermäßige Transpiration, ganz egal, nichts hält den von wilder Liebeslust befallene Teilzeitsingle davon ab, als begehrenswerter und attraktiver Zeitgenosse im Netz herumzuwildern.

Selbstverständlich beherrscht der Flirtlinelover die gängigen Liebesstellungen, kann länger als seine Mitbewerber, sogar die Verknotungs-Künste des Kamasutra sind ihm nicht fremd. Mit dem Nick „Kuschelbär“ und dem Hinweis, er sei verschmust, liebevoll und häuslich, suggeriert er der Gegenseite das hoffnungsvolle Gefühl von Wärme und echter Zuwendung. Wahrscheinlicher aber ist, der ambitionierte Seitenspringer aus Wanne-Eikel, mit Tagesfreizeit und Dauerlust, will die Lacklady in Gundelsheim oder das Lederluder aus München-Pasing beglücken.

Der Triebstau scheint enorm zu sein, - auf beiden Seiten. Und somit geschieht das Unvermeidliche! Sexylady Isabel, mit bürgerlichem Namen Else Koslowski, anämisch, klapperdürr und kurzsichtig, chattet mit dem phantasievollen „Super-Popper“ Kevin, dem Gichtgeplagten. Im richtigen Leben heißt er Erwin Müller, ist ein dicklicher Frührentner, gepeinigt von einem schweren Hüftleiden und einer sich anbahnenden Arthrose in der linken Schulter. Nichtsdestoweniger werden feurige Komplimente einerseits mit glühenden Bewunderungen andererseits beantwortet. Natürlich beteuert jeder bei kritischer Nachfrage nach Figur, Alter und Aussehen, sich im Profil authentisch beschrieben zu haben. Schließlich habe man nichts zu verbergen und sei grundsätzlich ehrlich.

Dann geht Erwin, der Frührentner in die Offensive und ins Detail. In höchsten Tönen rühmt er seine Standfestigkeit und Virilität und nennt voller Stolz die Maße 25 x 7 sein eigen (vermutlich seine Handschuhgröße) und versichert glaubwürdig, dass er nie genug kriegen könne. Else, erfasst von süßen Schauern und latenter Wolllust gesteht nun keck, sie habe ein Piercing an einer intimen Stelle. Erwin versteht ihren verschämten Hinweis und reagiert mit hormonell bedingten Balzritualen. Er habe kommende Woche zufällig in der Nähe einen Termin und könne auf einen Sprung bei ihr vorbeikommen. Über das sich anbahnende Unheil schweigt des Sängers Höflichkeit, und es hilft nur noch beten. Zu befürchten ist, jene cybermäßig gestylten Lackladys, Lusthasen und Zuchtbullen, Sexymäuse, Kuschelbären und Latinlover würden sich nicht einmal dann erkennen, wenn sie sich in der Wüste Gobi auf einer einsamen Sanddüne verabredeten. Nur gut, dass Else dem vorzeitig gealterten „Super Popper“ ihre Adresse gegeben hat.
:kiss
 
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