Ist Deutschland bald ein Schurkenstaat?

rsjuergen

assimiliert
Nach älteren Erklärungen gehören ja Lybien und Kuba zum erweiterten Kreis der Schurkenstaaten, sollte man nach der gestrigen Erklärung von Rumsfield - der Deutschland in einer Reihe mit diesen beiden nannte, also durchaus zum Schluß kommen, Deutschland gehört nicht nur zum alten Europa, sondern ist ein Schurkenstaat obendrein.

Jetzt hat sich Deutschland 58 Jahre abgemüht den Makel des 3. Reiches abzustreifen um wieder ein Schurkenstaat zu sein - unglaublich. :D
 
Mir reicht es langsam wirklich - die Amis denken darüber nach "ob Deutschland noch ein verlässlicher Partner ist" - wenn man nur dann ein verlässlicher Partner ist, wenn man alles mitmacht und papageienhaft nachplappert, dann will ich gar keiner sein. In einer Partnerschaft darf man auch mal zu einem Thema geteilter Meinung sein.
Mir fällt derzeit nur ein Staat ein, der bösartig genug wäre, die ganze Welt in den Abgrund zu stürzen - und der auch die Waffen dazu besitzt.
 
Wie sagte einmal Georgie Boy:
Wer nicht für uns ist, ist gegen uns.

Wer weiss - vielleicht erklären uns die Amis bald den Krieg ;)
 
Was die Amis da in letzter Zeit von sich geben, ist tatsächlich nur noch lächerlich. Vermutlich verkennen die Jungs, wie die derzeitige Stimmungslage in Deutschland ist.

Ich könnte mir vorstellen, dass die USA glauben, mit der Drohung ausgestoßen zu werden, könne er Druck auf Schröder ausüben. Dass sie derzeit mit dieser Taktik genau das Gegenteil bewirken haben sie wohl noch nicht bemerkt.

Aber wenn Du Dich als einzig verbliebene Weltmacht siehst, kommst Du halt nicht so klar mit der Tatsache, dass einer es wagt zu widersprechen.

Bush und seine Leute mögen tatsächlich so übel sein, wie sie derzeit überall dargestellt werden, hätte Schröder nicht diesen taktisch unklugen Zug gemacht, sich vor allen anderen und ohne weitere Informationen festzulegen um bei den Landtagswahlen nicht unter 20% zu fallen, wäre es vermutlich nicht so weit gekommen.

Es hätte sich auf ein klares 'schau mer mal' festlegen sollen. 'Diese Entscheidung treffen wir, wenn sie ansteht', 'wir warten bis wir die Lage besser einschätzen können und werden zu gegebener Zeit die Entscheidung treffen, die unserer Ansicht nach dem Weltfrieden am besten dient' Ich schätze jedem von uns fielen innerhalb kürzester Zeit mögliche Formulierungen ein, um ein eindeutiges 'vielleicht' zu umschreiben.

Aber wir stellen uns hin und schreien 'Nein' zu einer Zeit, da noch niemand eine eindeutige Stellungnahme von uns verlangt .

Mal angenommen, die USA seinen keine böswillige, von rein wirtschftlichen Motiven getriebene Diktatur, sondern ein ganz normales Land, das nicht um jeden Preis seine Militärmacht demonstrieren will. Angenommen man wolle Irak unter Druck setzen, damit alte und aktuelle UNO-Resolutionen endlich umgesetzt werden. Angenommen diese 'guten' USA stellten sich hin und sagten dem Irak: Pass auf, Saddam, wenn Du nicht das tust, was die UNO will, dass gibt's was auf die Mütze. Angenommen verschiedene Nationen bringen Soldaten und Waffen in die Region um dieser Drohung mehr Gewicht zu verleihen. Dann stellt sich Deutschland hin und brüllt: Keine Panik Saddam, Du kannst machen was Du willst, wir werden nicht mithelfen Dich anzugreifen.

Wieso kann Deutschland beim Drohen nicht mitmachen und den USA in geheimen Gesprächen mitteilen, dass unter Umständen aber GEGEN einen Krieg stimmen wird? Nee, der Krieg findet ja sowieso statt, dann können wir doch mit unserer Taktik noch ein paar Wählerprozente rauskitzeln...

Aber zurück zum Thema. Ich denke Deutschland ist inzwischen aus wirtschaftlicher Sicht zu bedeutend geworden um von den USA ernsthaft ignoriert zu werden. Von daher sollte man die aktuellen Bemerkungen nicht überbewerten. Da ist ne Menge Show und Taktik dabei.

Abgesehen davon wird Bush hier (nicht nur HIER in Deutschland sondern speziell auch HIER auf dem Board) immer wieder mit allen möglichen Diktatoren verglichen, dann dürfen wir nicht beleidigt sein, wenn er (bzw. seine Leute) sowas auch mal zurück geben.

Ach, und nein, ich habe nirgends eine US-Flagge tätowiert und Träume auch nicht davon in's Land der unbegrenzten Möglichkeiten auszuwandern. Ich arbeite weder in der Botschaft der USA noch in einem amerikanischen Unternehmen ;)
 
Zum teil gebe ich Dir recht chmul, ich denke auch das Deutschland's weg etwas voreilig gewählt war.
Denn Ob Deutsche Soldaten tatsächlich in den Krieg hätten ziehen müssen, sei mal dahingestellt.
Die Ami's hätten vielleicht ein paar AWAC's geordert, das wäre dann aber auch alles gewesen.

Aber wenn Du Dich als einzig verbliebene Weltmacht siehst, kommst Du halt nicht so klar mit der Tatsache, dass einer es wagt zu widersprechen.
Das ist wohl der springende Punkt, bei der Geschichte.
Vor allem nach dem 11. September hatten die Ami's ja angenommen, egal was auch passiert, die Welt wird uneingeschränkt hinter ihnen stehen.
Das nun dem nicht so ist, hat sie wohl mächtig gekränkt.

Manchmal wünsche ich mir sogar die Zeit des Kalten Krieges zurück, da damals die USA mit dem Warschauer Pakt einen Ebenbürdigen Gegenpol hatte, der sie vor übermässigem Machtgehabe bewahrte.
 
Original geschrieben von rsjuergen
Jetzt hat sich Deutschland 58 Jahre abgemüht den Makel des 3. Reiches abzustreifen um wieder ein Schurkenstaat zu sein - unglaublich. :D
Und das zynische daran ist ja - diesmal sollen wir ein Schurkenstaat sein, weil wir uns dem Krieg verweigern!!! Da hoert sich doch alles auf!
 
Manches an der derzeitigen Argumentation der derzeitigen US-Administration erscheint mir schon so, wie zu Zeiten der Sowjetunion unter L. Breshnew, dort hatten seine Vasallen auch nix zu melden und so wäre es den derzeitgen "Machthabern" in den USA auch am liebsten.

Und leider muß ich sagen, dass ich ein anderes Verständnis von Demokratie habe, als dies so über den großen Teich herüberschwappt.
 
Vielleicht sollten wir denen zuvorkommen und Amerika den Krieg erklären. Die Armee ist z.Zt. ja eh´nicht zuhause.

Ausserdem haben die Amis noch nie einen Krieg im eigenen Land erlebt.

Ich denke, wir wären nicht chancenlos.

Gruss
Tim
 
Nee, Tim, das sehe ich anders. Wir müssten erst gegen die Gewerkschaften ankämpfen um in Überstundenarbeit unsere Bewaffnung auf Vordermann zu bringen.

In den USA sind zwar nur noch Frauen und Kinder, aber die sind mit Sicherheit alle mit besten Waffen ausgestattet.

Lassen wir das lieber...;)
 
Moin!
gerade einen Artikel gelesen, den ich euch nicht vorenthalten möchte...

USA-Irak: Wie Amerika uns den Krieg erklärt

Zur Fragwürdigkeit der politischen, medialen und intellektuellen Manöver im Vorfeld eines
angeblich unvermeidlichen Militärschlags -
ein Kommentar der anderen von Konrad Paul Liessmann
ist Kulturphilosoph und Essayist in Wien und
hat zuletzt unter anderem die Bio- grafie "Günther Anders" (Beck Verlag) veröffentlicht.

Spuren einer Verwüstung des Denkens: " ... am Ende wird man noch hören,
dass der Krieg geführt werden musste, weil man mit einem irakischen Wissenschafter
nicht ungestört reden konnte". -

Zur Fragwürdigkeit der politischen, medialen und intellektuellen Manöver im Vorfeld eines
angeblich unvermeidlichen Militärschlags.

Dass die USA gegen den Irak Krieg führen wollen, ist nicht weiter erstaunlich.
Abgesehen davon, dass der Präsident eine Familienangelegenheit zu Ende bringen will,
abgesehen von Öl und geostrategischen Überlegungen,
abgesehen von einer neuen Phase der Durchsetzung amerikanischer Interessen nach dem
11. September, stellt der Irak einen denkbar angenehmen Gegner dar.

Das Land ist flach, einen Krieg hat man schon überlegen gewonnen,
seit damals ist der Irak praktisch gedrittelt, steht unter ständiger Aufsicht,
leidet unter einem Embargo, hat mit hoher Wahrscheinlichkeit weder einsatzfähige
Massenvernichtungswaffen noch eine besonders starke konventionelle Armee,
hat keine Verbündeten, auch nicht in der islamischen Welt, und wird zudem von einem
Diktator beherrscht, der nicht nur Tausende von Menschenleben auf dem Gewissen hat,
sondern auch seit Jahren mit der UNO und ihren Inspektoren Katz und Maus spielt
und sich immer wieder demonstrativ freut, wenn den USA etwas zustößt.

Aus der Perspektive der hegemonialen Supermacht wäre es geradezu fahrlässig,
diese günstige Gelegenheit zur Beseitigung eines Widerlings und zum Ausprobieren
einer überlegenen Waffentechnik sowie die Möglichkeit, die eigene Präsenz in dieser
sensiblen Region nachhaltig zu verstärken, ungenutzt verstreichen zu lassen.
Was an der ganzen Sache erstaunt, ist die Art und Weise, wie diese Kriegsvorbereitungen
politisch, medial und intellektuell kommuniziert werden.

Gründe unerheblich

Alle Welt tut so, als ginge es darum, plausible Gründe für einen Angriff auf den Irak
zu finden. Was zu diesem Thema in den letzten Monaten produziert worden ist, bis hin
zur Powell-Rede, um die Gefährlichkeit des Irak zu beweisen, würde vor jedem Zivilgericht
zur sofortigen Enthaftung des Angeklagten führen.

Einmal ist es die behauptete Existenz von Massenvernichtungswaffen, die das Fass zum
überlaufen bringen soll,
dann der bloße Hinweis darauf, dass Saddam Hussein solche Waffen wohl gerne hätte,
einmal ist es der Verstoß gegen UNO-Resolutionen, die den Krieg rechtfertigen sollen,
dann wieder, dass man nun lange genug beim Versteckspielen der Iraker zugeschaut hätte,
einmal sind es vage Verbindungen zu Terrorgruppen,
dann wieder die Gefahr für die Menschheit, die der Diktator angeblich darstellt,
und wenn alles nichts fruchtet, müssen die westlichen Werte verteidigt werden.
Am Ende wird man noch hören, dass der Krieg geführt werden musste, weil man mit
einem irakischen Wissenschaftler nicht ungestört sprechen konnte.

Weil es gar nicht darum geht, Gründe zu finden, kann alles zu einem Grund werden.
Ein Imperium braucht keine plausiblen Gründe, um Kriege zu führen, sein Wille genügt.
Als Kaiser Trajan beschloss, das reiche Mesopotamien dem Römischen Reich einzuverleiben,
fragte er weder die störrischen Gallier und schon gar nicht seine germanischen Vasallen
um deren Zustimmung. Dass letztere später dem Imperium zum Verhängnis wurden,
ist eine andere Geschichte.

Die tribunalartige Show des amerikanischen Außenministers vor der UNO diente
einzig und allein dazu, den anderen Staaten Gründe zu liefern, mit denen sie
ohne Gewissensnöte dem Diktat der amerikanischen Politik folgen können.

Wenn der Krieg unausweichlich ist, weil er geführt werden soll, stellt sich in der Tat
die Frage, warum Nato-Staaten und andere Verbündete der USA sich dem sperren sollten,
anstatt auf den fahrenden Zug aufzuspringen und sich so wenigstens kleine Vorteile
zu sichern - uch wenn diese nur im fortgesetzten Wohlwollen des Hegemons und in der
Erlaubnis, den Wiederaufbau zu koordinieren, bestünden.
Warum sollte zum Beispiel Europa nicht, wie es Lord Dahrendorf
("USA der Chef, Europa die Putztruppe"?, STANDARD, 9. 2.)
mit einem unsäglichen und ziemlich dummen Vergleich fordert, der zumindest an der
sprachlichen Sensibilität des Paradeliberalen zweifeln lässt, aus dem Ei, das die USA
aufschlagen, ein Omelett braten?
Immerhin: Den tapferen osteuropäischen Staaten hat diese Haltung schon den
Ehrentitel "neues Europa" eingebracht, während das renitente Deutschland sich plötzlich
auf einer Stufe mit Kuba und jenem Libyen wiederfindet, das einmal eine mindestens so
große Gefahr für die Menschheit darstellte wie der Irak heute.

Rhetorische Kosmetik

Während für die Verbündeten und Nato-Partner so vorerst einmal ganz im Stile eines
Weltschulmeisters Zensuren verteilt werden, können Staaten wie Russland oder China
für ihr augenzwinkerndesEinverständnis wenigstens über veritable Gegenleistungen verhandeln.

Die Kriegsvorbereitungen gegenüber dem Irak führen so in erster Linie zu einer klaren
Sicht der Verhältnisse.
Sie zeigen, in welchem Maße das Völkerrecht und die UN-Institutionen mittlerweile
erodiert sind.

Sie zeigen auch, dass die Rhetorik einer neuen Weltinnenpolitik nichts anderes war
als die Verbrämung einer ziemlich konventionellen, nationalstaatlich dominierten,
hegemonialen Interessenpolitik;

sie zeigen, dass es offenbar kein Widerspruch ist, wenn das Land, das die meisten
Massenvernichtungswaffen dieser Erde besitzt, den Einsatz dieser Waffen androht,
um die Welt angeblich vor diesen Waffen zu schützen;

sie zeigen, dass der lange geächtete Präventivkrieg legitimiert ist, sofern dadurch
die Interessen der USA geschützt werden;
sie zeigen auch, dass ein Wort eines amerikanischen Ministers genügt, und das mit
viel Pathos vereinte Europa ist auch schon wieder gespalten.

Gäbe es so etwas wie Ehrlichkeit in dieser Welt, wäre die einzig angemessene Reaktion
auf den Solidaritätsbrief der acht europäischen Staaten die Auflösung des EU-Konvents
und die Umbenennung der EU in "Europäische Freihandelszone".

Mehr wird Europa auf absehbare Zeit nicht sein.

Im Ernstfall wird England immer die transatlantischen Bindungen höher stellen als
die europäischen Interessen, und für manche der neuen Beitrittsländer ist die EU offenbar
nur ein Zwischenschritt zum Anschluss an die amerikanische Zivilisation -
was übrigens durchaus plausibel ist.
Natürlich sind etwa für Polen die USA ein wesentlich attraktiverer Partner als die
unmittelbaren Nachbarn Deutschland und Russland,
unter denen es wahrlich genug zu leiden hatte.
Aber allein dies zeigt, dass mit Europa als einem politischen Subjekt noch lange nicht
zu rechnen sein wird.

Aufschlussreich vor allem ist aber die publizistische Begleitmusik zu den
Kriegsvorbereitungen.
Sie demonstriert, wie leicht es ist, auch intelligente Menschen mit rhetorischen
Nebelschwaden, die vergessen lassen, dass es so etwas wie Aufklärung einmal gegeben hat,
für einen Krieg zu begeistern.
Damit keine Missverständnisse aufkommen:
es geht nicht darum, einen plakativen Pazifismus zu predigen. Aber auch derjenige,
der den Krieg als Ultima Ratio der Politik nicht ablehnt, wird in den nun vorgebrachten
Kriegspredigten keine zwingenden Argumente erkennen können.
Dass aber die anachronistische manichäische Rhetorik des US-Präsidenten verständnisvoll
nachvollzogen wird,
dass liberale Kommentatoren allen Ernstes mit Genugtuung darauf reagieren,
dass wieder einmal jemand eine klare Vorstellung davon hat, wo das Böse wohnt,
dass umstandslos Propaganda für bare Münze genommen wird,
dass Fakten wenig zählen, Logik nichts, Vermutungen aber alles,
zeigt eine Verwüstung des Denkens, wie sie für Zeiten der Kriegseuphorien allerdings
nicht untypisch ist.

Erpressungsstrategie

In Zukunft sollte man wenigstens über die Kriegsbegeisterungen und die ach so
verwerflichen Blindheiten des vergangenen Jahrhunderts ein wenig vorsichtiger urteilen.

Wenn überhaupt argumentiert wird, dann in den einfachsten Kategorien.
So, als hätte Günther Anders seine Analyse der Massenvernichtungswaffen nie geschrieben,
wird getan, als wären nicht diese monströsen Arsenale selbst das Übel,
sondern nur jene Menschen, die damit nicht richtig umgehen können.
Man kann sich offenbar glücklich schätzen, dass in den Vereinigten Staaten und in
Großbritannien, in Frankreich und in China, in Russland und in der Ukraine,
in Indien, Pakistan und Israel die Atombomben in den Händen guter Menschen sind.

Einzig mit Nordkorea muss noch ein wenig diplomatisch verhandelt werden.

Aber der Irak, der vielleicht solche Waffen gerne hätte, aber offenbar nicht hat,
bedroht die Menschheit.
Dass dieser Krieg aus Sorge um Massenvernichtungswaffen geführt wird,
wie uns von nahezu allen Kommentatoren eingeredet wird, ist blanker Unsinn.

Diejenigen, die diesen Krieg führen wollen, haben vor der Technologie der
massenhaften Menschenvernichtung nicht nur keine Angst, diese selbst ist
integraler Bestandteil ihrer Strategie.
Und auch den nun befragten irakischen Wissenschaftlern, die angeblich oder wirklich
an der Entwicklung solcher Waffen arbeiteten, wird kein Vorwurf, sondern,
falls sie qualifiziert genug sind, sicher ein unwiderstehliches Angebot gemacht werden.

Besonders infam aber ist, dass jede Kritik an diesen durchsichtigen propagandistischen
Manövern sofort mit Argumenten zurückgewiesen wird, die man nur noch erpresserisch
nennen kann:
durch den Vorwurf des Antiamerikanismus und durch das Einfordern von Dankbarkeit
gegenüber den USA für die Befreiung vom Faschismus.

Das erste Argument stellt eine billige Immunisierungsstrategie dar -
einmal ausgesprochen, braucht nicht mehr über den Inhalt der Kritik gesprochen werden,
sondern der Kritiker muss sich verteidigen und so lange beteuern,
dass er nichts gegen Amerika habe, bis sein Argument vergessen ist.

Selektive Erinnerung

Und was die Dankbarkeit betrifft:
Wäre dieses Argument triftig - wo war dann unsere Solidarität mit der UdSSR in
Afghanistan oder angesichts ihres Zerfalls? Haben wir so schnell vergessen, was
die Rote Armee zu unserer Befreiung vom Faschismus beigetragen hat?
Noch einmal: Der Krieg gegen den Irak wird wohl kein größeres Problem darstellen.
Die USA wollen ihn - mit oder ohne UNO - führen, sie werden ihn rasch gewinnen,
niemand wird Saddam Hussein eine Träne nachweinen, es wird leichte Schwankungen
der Börsenkurse und des Ölpreises
und einige Hunderttausend tote Iraker geben.

Die gab es auch 1991 und haben uns, da CNN keine Bilder lieferte, wenig erschüttert.
Die weiteren Kollateralschäden dieses Krieges,
seine Bedeutung für den Nahen und Mittleren Osten, für das internationale Recht,
die globale Politik und die europäischen Interessen
werden uns allerdings noch einiges Kopfzerbrechen bereiten.
(DER STANDARD, Printausgabe, 11.2.2003)

ich denke, der Mann hat recht....
 
Zuletzt bearbeitet:
:) Wolfi, du hast an sich recht,
hier heißt es aber "Die weiteren Kollateralschäden" - also hat der Autor das bestimmt nicht so gemeint
 
Ein wirklich sehr kompetenter Artikel. Werde ich mir mal ausdrucken!

Meine Frage ist langsam, was kommt nach dem Irak? Nordkorea? Libyien? Kuba?
 
Nach dem Studium weiterer Artikel dieser News-Site

ordne ich die Site in etwa auf dem Niveau der deutschen "Bild"-Zeitung oder

der österreichischen "News" ein... :D
 
Was meinst Du, welche Zeitung hat in Deutschland einen größeren Einfluss auf die öffentliche Meinung - Bild oder die F.A.Z. ?
 
Neben dem ganzen Säbergerassel der USA wird leicht übersehen, dass der

"finanzpolitische Crashkurs (der USA) ... der Weltwirtschaft nachhaltiger schaden (könnte) als ein Krieg gegen Irak."

Und das schreibt die Financial Times Deutschland, wahrlich kein linkes Blatt.

Gruß, Rod

Hier der Artikel:

Aus der FTD vom 7.2.2003 www.ftd.de/fricke
Kolumne: Mit Bush ins alte Amerika
Von Thomas Fricke

Der US-Präsident fährt einen finanzpolitischen Crashkurs, der an fast vergessene Krisenzeiten erinnert. Ein Festhalten daran könnte der Weltwirtschaft nachhaltiger schaden als ein Krieg gegen Irak.

Schuldenwirtschaft

Das World Trade Center wird wieder aufgebaut, die Nasa darf weiter Milliarden ausgeben. Kein Problem. Der Militäretat steuert längst auf neue Rekorde zu, während der Präsident Steuergeschenke wie Handzettel verteilt - trotz dramatisch steigender Defizite. Es sieht aus, als tanze Amerika auf dem Vulkan, und zwar staatlich gestützt.

Was George W. Bush mit seinen Etatplänen für 2004 diese Woche vorläufig auf die Spitze trieb, scheint mit sachte dosierten Staatseingriffen zur Konjunkturstützung in der Tat immer weniger gemein zu haben - eher mit einem immer heilloser wirkenden Verschuldungskurs wie zu ganz alten Zeiten. Damit steuert der US-Präsident mit texanischem Feingespür auf ein Szenario zu, das nicht nur Amerika, sondern auch den Rest der Weltwirtschaft auf Jahre teuer zu stehen käme. Die USA leben gefährlich über ihre Verhältnisse.

Bush steuert derzeit mit Rekordtempo in überholt geglaubte Dimensionen der Neuverschuldung, in denen die ohnehin nur bedingt positiven Wirkungen immer weniger ausreichen, um die negativen Begleiteffekte zu kompensieren. Und das hat nur wenig mit schlechter Konjunktur zu tun: Der politisch gesteuerte Struktursaldo verschlechterte sich seit 2000 um enorme 400 Mrd. $ - das ist die Wirtschaftsleistung der Niederlande in einem ganzen Jahr und entspricht vier Prozent des US-Bruttoinlandsprodukts.

Ökonomie als Abenteuerspielplatz

Würden wenigstens Bushs Projektionen bis 2008 eintreten, ließe sich das auffangen. Nur haben die Präsidialökonomen bisher nicht einmal die unmittelbar anstehenden Kriegskosten berücksichtigen können. Dafür soll die US-Wirtschaft wunschgemäß bis 2008 um durchschnittlich 3,3 Prozent wachsen.

Das wäre "nur ein halber Prozentpunkt weniger als in den Jahren der Bubble-Economy in den 90er Jahren", sagt Morgan-Stanley-Chefökonom Stephen Roach. Fiele das US-Wachstum nur einen halben Punkt niedriger aus, würden in zehn Jahren kumuliert 1200 Mrd. $ in der Staatsrechnung fehlen. Ein längerer Irak-Krieg könnte zudem je nach Schätzung zumindest 100 bis 200 Mrd. $ kosten.

Wenn nur eines dieser Risiken eintritt, wird die US-Defizitquote auf alte Rekordwerte um fünf bis sechs Prozent des BIP schnellen - wie zuletzt 1992. Oder zu Zeiten Ronald Reagans, als schon einmal ein US-Präsident behauptete, dass Steuersenkungen sich ganz und gar selber finanzieren; tatsächlich blieben Steuereinnahmen in dreistelliger Milliardenhöhe aus. Ende der 80er Jahre galten die USA wegen der dramatisch gestiegenen Defizite in Staatshaushalt und Außenhandel als krank. Und (West-)Deutschland als Vorbild.

Reichlich gewagt ist Bushs Versprechen, wonach ein Abbau der Dividendensteuer erst die Aktienkurse und darüber die Investitionen der Firmen stütze. Damit löst man nicht die Probleme einer Post-Bubble-Economy nach exzessiven Jahren. Zweifelhaft ist auch, ob die übermäßig starke Senkung der Spitzensteuersätze in den USA noch so viel mehr Arbeitsanreize schafft. In der ach so neuen US-Welt ist nach Rechnung des Wirtschaftswissenschaftlers Tom Piketty die Einkommenskonzentration auf die oberen Schichten schon jetzt wieder so hoch wie - Ende des 19. Jahrhunderts.

Je weniger solche Experimente bewirken, desto eher werden sich die Kehrseiten des Bush-Abenteuers niederschlagen. Ohne eine wirklich überzeugende Alternative bieten zu können, hat der Haudrauf-Ökonom aus Texas jenen Mix aus solider Finanzpolitik und eher expansiver Geldpolitik aufgegeben, der Amerikas Wachstum in den 90er Jahren womöglich viel stärker getragen hat als der Internet-Hype - auch wenn der Verdacht besteht, dass Fed-Chef Alan Greenspan die Aktienblase mit niedrigen Zinsen zu lange genährt hat.

Schon jetzt kann die Fed kaum ernsthaft auf eine verlässliche Finanzpolitik wie zu Clintons Zeiten bauen. Das macht auch ihren Kurs unberechenbarer. Der Staat mit der weltgrößten Volkswirtschaft droht den Kapitalmarkt bald so stark zu beanspruchen, dass dies den Mega-Trend zu sinkenden Zinsen kippen könnte. Reagans abrupter Schuldenkurs trug Anfang der 80er Jahre zu den drastisch steigenden Realzinsen bei (siehe Grafik).

Rezession als Familienschicksal

"Wenigstens gab es damals eine gesamtwirtschaftliche Sparquote in den USA von neun Prozent", sagte Stephen Roach - derzeit sind es unter zwei Prozent, weshalb die USA nun auf spektakuläre Art von ausländischem Kapital abhängen. Das Minus in der Leistungsbilanz dürfte bald sechs Prozent des BIP erreichen.

Bushs Abenteuer kommt einer Zeitenwende gleich. Laut HypoVereinsbank-Ökonom Martin Hüfner "würde das Wachstum in Europa im dritten Jahr über dem der USA liegen, wenn die Konjunktur um fiskalpolitische Effekte bereinigt würde" - also nur die Marktkräfte zählten. Je länger Bush die Illusion vom ewigen Konsumboom staatlich subventioniert, desto heftiger wird das Erwachen.

Der jüngste Fall des Dollar zum Euro ist ein erstes Warnsignal. Bald könnte ein regelrechter Kurs-Absturz folgen, der Amerika Inflationsschübe und Europa eine Exportkrise brächte. Irgendwann werden die US-Konsumenten zudem merken, dass sie auf Pump leben. Und: "Anders als unter Clinton noch geplant werden die USA ins nächste Jahrzehnt mit Defiziten starten, obwohl dann erst die demografisch bedingten Lasten der Altersfinanzierung auf den Staat zukommen", sagt Peter Meister, US-Experte bei der BHF-Bank.

Die Geschichte scheint sich auf tragikomische Weise zu wiederholen. In beiden Rezessionen der vergangenen 20 Jahre regierte in den USA ein Präsident der Familie Bush. Beide ließen die Defizite auf neue Rekorde steigen. Der Senior musste am Ende die Steuern anheben. Das wird auch der Sohn tun müssen, spätestens sein Nachfolger. Der Eifer, mit dem George W. Bush die USA derzeit in die Vergangenheit steuert, lässt wenig Gutes erwarten.

© 2003 Financial Times Deutschland
 
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