Diskussionskultur

chmul

Moderator
Teammitglied
Wir befinden uns inzwischen mal wieder im Wahlkampf. Der läuft zwar durch die Geschehnisse um den neuen amerikanischen Präsidenten etwas langsamer an, wird in diesem Jahr aber vermutlich eine Qualität erreichen, die wir so noch nie zuvor hatten. Allein deshalb schon, weil Trump in Teilen unserer Bevölkerung als Heilsbringer angesehen wird, während ein anderer Teil ihn eher verteufelt.

Dabei geht es mir hier weniger um die Frage, wer mit seinen Positionen richtig liegt, sondern viel mehr darum, wie Themen wie Merkel, Trump, Flüchtlinge und die AfD diskutiert werden. Nehmen wir einmal an, es ginge darum, wie Merkel mit der Flüchtlingswelle umgegangen ist. Zunächst würden beide Seiten ihre grundsätzliche Position darlegen.

Person A sagt: Ich finde Merkel hat einen großen Fehler gemacht, weil sie unvorbereitet und im Alleingang eine nicht kontrollierbare Masse an Menschen nach Deutschland hat kommen lassen. Wir haben schon jetzt große Probleme bei der Integration von Ausländern und man muss davon ausgehen, dass Neuankömmlinge, die teilweise ungebildet sind und streng traditionelle Ansichten haben, dieses Problem verstärken. Und das viele Geld, dass zur Unterbringung und Verpflegung der Flüchtlinge ausgegeben wird, sollte lieber gegen Kinder- und Altersarmut in Deutschland eingesetzt werden.

Person B könnte erwidern: Meiner Ansicht nach hat sich Merkel richtig entschieden, ihr einziger Fehler war es, sich auf ihre Kollegen in der EU zu verlassen. Mit deren Hilfe wäre es wesentlich einfacher geworden, mit den Problemen fertig zu werden. Die EU hat über 500 Millionen Einwohner, da fallen ein oder zwei Millionen Flüchtlinge doch gar nicht ins Gewicht. Zumal es der EU insgesamt gesehen recht gut geht. Außerdem fließt ein Großteil des Geldes wieder in die deutsche Wirtschaft zurück. Die Integration ist unbestritten ein Problem, aber eines das man in den Griff bekommen kann.

Auf dieser Basis könnte sich dann eine Diskussion entwickeln, bei der A und B einerseits Argumente vorbringen, die den eigenen Standpunkt untermauern und andererseits versuchen, die Argumente des jeweils anderen zu entkräften. B könnte sagen, dass wir zum Teil die Flüchtlingskrise mitverschuldet haben und aus Gründen der Menschlichkeit die Pflicht haben, Flüchtlinge aufzunehmen. A könnte entgegenhalten, dass die Probleme besser am Entstehungsort gelöst werden müssen, statt sie nach Deutschland zu holen. A könnte ergänzen, dass es die anfängliche Strategie Merkels für Terroristen leichter gemacht hat in die EU zu gelange und B würde vielleicht darauf hinweisen, dass die Attentäter von 2011 trotz der damals schon strengen Einreisekontrollen in den USA ihren Plan in die Tat umsetzen konnten.

Das ginge eine Weile hin und her und am Ende würde man sich im idealfall mit angenäherten Positionen, sicher aber mit erweitertem Horizont verabschieden und könnte sich auch am nächsten Tag noch über den Weg laufen ohne vor dem anderen auf den Boden zu spucken oder gleich die Straßenseite zu wechseln.

Leider zeigt sich in der Realität ein ganz anderes Beispiel.

Da sagt A, dass Merkel Deutschland zerstören und das deutsche Volk ausrotten will, weil es alle Terroristen dieser Erde nach Deutschland einlade. Daraufhin holt B sofort die Nazikeule heraus und spricht von rechten Glatzen, die lieber Inzest sähen als kulturelle Vielfalt. A kontert mit linksversifftem Bahnhofsklatscher. Und schon nach drei Sätzen ist man so weit von einer sinnvollen Diskussion entfernt, dass der Idealfall wäre, dass die beiden sich nicht die Köpfe einschlagen, falls sie sich mal über den Weg laufen sollten.

Wenn wir Glück haben, wird diese Zeit später einmal als kleine Randnotiz in Geschichtsbüchern auftauchen, wenn überhaupt. Falls es aber so weitergeht, wie im Moment und das fängt eben auch schon bei der Diskussionskultur an und schließt die Themen "postfaktisch" und "Fake News" mit ein, dann wird diese Zeit dereinst einen wichtigen Teil des Geschichtsunterrichts einnehmen. Dann aber nicht im positiven Sinne.

Wer sich einmal ein Bild davon machen will, wie es um die Diskussionskultur bei uns aussieht (und es freut mich, dass wir hier im Wohlfühlboard einmal mehr eine Ausnahme bilden), der möge bei Web.de einfach mal ein paar Kommentare durchlesen, die unter Meldungen zum Thema Trump, Merkel oder AfD stehen.
 
Daraufhin holt B sofort die Nazikeule heraus und spricht von rechten Glatzen, die lieber Inzest sähen als kulturelle Vielfalt.
Echt?

Ich weiß schon, wie Du das meinst (im Sinne von "kulturellem Inzest"), aber irgendwie scheint mir der Terminus so doch nicht ganz passend zu sein. Wirkt mir zu Freudianisch. ;)

Davon mal abgesehen muss man nicht unbedingt eine rechte Glatze sein, um der viel gepredigten Kulturbereicherung skeptisch gegenüber zu stehen. Dafür haben die roten und grünen Sozialromantiker den Begriff schon zu häufig und zu stark überstrapaziert. Davon mal abgesehen muss es in einer Demokratie auch zulässig sein, sich nicht "kulturell bereichern" lassen zu wollen.

Denn nicht nur die rechten Glatzen haben ihre eigene politisch bzw. weltanschaulich geprägte Terminologie und Kampfbegriffe, dass trifft auf alle anderen gesellschaftlichen Strömungen genau so zu. Stark eingeschränkte und eingefärbte Weltanschauungen sind nun mal kein kein Monopol einer bestimmten Richtung.

Schlimm wird es imho dann, wenn es in Fanatismus und Extremismus ausartet, dass verurteile ich grundsätzlich immer (unabhängig, ob Rechts- oder Linksextrem oder ob politisch, religiös oder sonst wie motiviert).
 
Ich meinte die aussschließlich biodeutsche Vermehrung.

Und das was ich oben schrieb hat keinerlei inhaltlichen Wert, was den Gegenstand der dargelegten Diskussion angeht. Ich ergreife in meinem Text keine Partei, auch wenn ich diesbezüglich eine klare Position habe. Es geht mir nur darum, dass man offensichtlich nicht mehr ohne Herabwürdigung des Andersdenkenden diskutieren kann.
 
Es geht mir nur darum, dass man offensichtlich nicht mehr ohne Herabwürdigung des Andersdenkenden diskutieren kann.
Das ist leider der Trend.

Ich glaube, da sind die sozialen Medien mit ihren extrem vereinfacht formulierten Meinungen und ebensolchen Umgangsformen nicht ganz unschuldig daran.

Viele übertragen das dann 1:1 auf das reale Leben, in dem man aber nicht mehr anonym ist und mit solchen Meinungen dann (zu Recht) ziemlich dumm da steht und wo man auch (anders als im virtuellen Bereich) für so etwas schon mal was aufs Maul bekommen kann.
 
Die Diskussion von Person A und B sind gut beschrieben.
Du hast total Recht:
So ruhig, verständnisvoll, lernwillig und andere Meinungen anerkennend geht es in den meisten Fällen nicht zu.

Schön wäre es, wenn wir die Vorurteile, die wir sicher alle haben - mancher mehr, mancher weniger -, selbstkritisch beäugen und nicht sofort urteilen und bewerten, sondern erst einmal nachdenken / wenns geht, den Wahrheitsgehalt überprüfen.
Spontane Aussagen sind verständlich, aber nicht immer gut.

Oft sind solche Beiträge in bei Twitter, Foren und ähnlichen Treffpunkten Wichtigmacherei, Lust am Pöbeln, Spaß haben am Aufschreien der Nachdenkenden.
(Das gilt jetzt sicher auch als Vorteil, wenn ich es so recht bedenke. :unsure: )
 
In einer Demokratie ist die Diskussionskultur elementar wichtig. Wir entscheiden als Wähler über die Richtung
und von daher sind wir auf die Aussagen der Parteien angewiesen. Die Aussagen sollten nicht polemisch, abwertend,
populistisch und geschweige denn rassistisch sein. Und sie sollten auch wahrheitsgemäß aufgrund von Fakten und
Tatsachen diskutiert werden.

Das ist leider nicht mehr der Fall in unserem System, weil es Menschen gibt, die diese Grundsätze durchbrechen.
Nein, es gab noch nie heilig gesprochene Politiker und Taktik darf man gelten lassen.

Aber ein Volk immer weiter aufzusplitten durch Hasskommentare und Unwahrheiten, durch Populismus und Polemik
verdient die tiefste Verachtung.
Wenn ich an Zeiten denke, wie die Grünen sich durch endlose Diskussionen langsam nach oben gearbeitet haben,
dann könnte ich kotzen, wenn es eine Partei wie die AfD durch reine Störkultur auf solche Werte schaft. :kotz

Hey AfD-Wähler, die wollen nur zerstören und nicht mitgestalten. Von der AfD kommen keine konstruktiven
Ideen und Vorschläge. :)

Und die Medien und alle, die im Web irgendwelche Hasskommentare schreiben sind Schuld an der weiteren
Zersplitterung der Gesellschaft.
Es geht hier nicht um ein Jodeldiplom, es geht um unser aller Zukunft und wenn sich irgendwann die Leute
nicht mehr zum Diskutieren zusammen setzen, sondern sich nur noch die Birne einschlagen, dann gibt es
nur Verlierer und das sind wir alle.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es geht mir nur darum, dass man offensichtlich nicht mehr ohne Herabwürdigung des Andersdenkenden diskutieren kann.
Ist das, was da manchmal abläuft überhaupt eine Diskussion?
Manchmal habe ich den Eindruck, es läuft nach dem Motto ab:

"Je lauter, je öfter, je unflätiger desto eher kann ich meine Meinung anderen aufpfropfen."

Diskutieren sollte man möglichst auf Augenhöhe.
Wenn die Achtung vor den Anderen fehlt, ist eigentlich eine Diskussion wertlos.
Das gleiche gilt, wenn man nicht die "gleiche Sprache" spricht. (den gleichen Bildungsgrad hat?)

:unsure:
Eigentlich eine gute Gelegenheit, dies als Diskussion über die Diskussion zu nutzen.
:)5 :)5
 
Ja @gisqua, da gebe ich dir vollständig recht und das liegt u.a. auch an der Verrohung unserer Gesellschaft.
Heute haben sich z.B. Lehrer beklagt, dass sie von Schülern und Eltern gemobbt werden. Polizisten oder die
Mitarbeiter bei der Bahn bis hin zu Einsatzkräften der Notärzte werden von der Gesellschaft beschimpft und
bedroht. Eine Freundin im Krankenhaus wurde durch einen "Verletzten" beschimpft und getreten.

Geht's noch? :kotz

Auf eine Diskussion sich da einzulassen, macht erst keinen Sinn, weil solche gewalt- und hassbereiten Leute
überhaupt keine Diskussion zulassen.
Ich finde, dass vor allem die Gerichte bei entsprechenden Verfahren diese Leute viel zu sehr schützen.

Wenn ein Lehrer aktuell das tun würde, was er vor 30-40 Jahren getan hat, dann gäbe es einen Riesenaufstand.
Nein, das war nicht alles richtig, was da passiert ist, ganz sicher nicht. Nur jetzt ist es vollständig ins krasse
Gegenteil gelaufen.

Was macht eine Gesellschaft, wo niemand mehr diese Jobs machen will?

Es ist ja nicht mehr nur eine Verrohung, es ist in Teilen der Gesellschaft auch eine totale Verblödung und es
sind sehr viele Faktoren, die das alles begünstigen.
Als ich vor ein paar Tagen wegen der Sendungseinrichtung auf einem Fernseher mal wieder einige der
bekannten Privatsender sehen musste, da ist mir echt übel geworden.
 
Woher kommt solche Verrohung?
Geht es uns zu gut?
Haben wir zu viel Freizeit?

Oder liegt es doch einfach nur an der Verteilung des Reichtums?
Wir driften immer weiter auseinander - und zwar in allen Bereichen, besonders im Bildungsbereich.

Das ist möglicherweise vergleichbar mit dem Untergang Roms des Römischen Reiches.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das ist meiner Meinung nach z.T. auch so gewollt denn Jemand der total 'verblödet' ist lässt sich eher beeinflussen als Leute die sich auch mal richtig informieren und gezielt nachfragen,dazu gehört z.B. auch querlesen und eben nicht alles glauben was im Mainstream geredet und geschrieben wird
 
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