Unis wollen Internet-Abschreibern an den Kragen

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Unis wollen Internet-Abschreibern an den Kragen

Beim Korrigieren der Hausarbeiten ihrer Erstsemester stolperte Heidrun Abromeit über die "ungewöhnlich glatten Sätze" und die "profimäßige Zitierweise". Das Misstrauen der Politologie-Professorin an der TU Darmstadt war begründet: Fast 20 Prozent der knapp 50 Studenten hatten die Arbeit zum Thema "Das Europäische Parlament" aus Internet-Quellen abgekupfert. Abromeit war erbost. Künftig müssen deshalb die Studenten eine eidesstattliche Erklärung abgeben, dass sie ihre Arbeiten selbst angefertigt haben.

An deutschen Unis hat es sich in den vergangenen Jahren herumgesprochen, dass es weit bequemer ist, eine Arbeit aus dem unerschöpflichen Angebot im World Wide Web herunterzuladen, als tagelang in Bibliotheken zu sitzen. Von einem "großen Problem mit wachsendem Ausmaß" spricht der Deutsche Hochschulverband (DHV) in Bonn, die Interessenvertretung der Professoren. "Das ist kein Kavaliersdelikt", sagt Geschäftsführer Michael Hartmer. "Es geht hier nicht ums Schummeln wie in der Schule." Der Verband hat deshalb die Professoren aufgerufen, mit allen Mitteln gegen "Plagiate durch Studierende" vorzugehen. Die DHV-Mitglieder können spezielle in den USA entwickelte Suchdienste wie turnitin.com benutzen, die Plagiate durch die Identifizierung von bestimmten Ausdrücken oder Fehlern entlarven können.

Auch das Online-Angebot hausarbeiten.de hat sich den Professoren zur Kooperation angeboten. Dies nicht uneigennützig: Auf der Homepage des "Online-Archivs" können derzeit etwa 17.000 kostenlose und 7000 kostenpflichtige Arbeiten -- von den Afrika- bis zu den Wirtschaftswissenschaften -- abgerufen werden. Vorsorglich werden Studenten und Schüler im Web darauf hingewiesen, dass man sich mit dem "Kopieren" fremder Arbeiten der Urheberrechtsverletzung strafbar macht.

Doch an vielen Universitäten wächst die Einsicht, dass Appelle an das studentische Wohlverhalten und die Instruktion von Professoren nicht mehr ausreichen. Während an der TU Darmstadt die Politologen mit ihrer Initiative noch allein sind, wird an der Universität Mainz gehandelt. Die Studienordnung wird nach und nach so geändert, dass jeder Hausarbeit eine schriftliche Erklärung beigefügt werden muss, in der der Student seine Eigenleistung bestätigt. Wie Uni-Sprecherin Petra Giegerich erläutert, können Studenten in "schwerwiegenden Fällen" vor den weiteren "Studien- und Prüfungsleistungen" ausgeschlossen werden. Dies könnte bedeuten, dass ein Student das Studienfach wechseln muss.

Auch in Nordrhein-Westfalen wird gegen Abschreiber, die bisher im Falle der Entdeckung mit einer Fünf rechnen müssen, verschärft Front gemacht: Als erste Universität hat Wuppertal gerade den einzelnen Fachbereichen Sanktionen empfohlen, die denen von Mainz ähneln. Nach Ansicht des Deutschen Hochschulverbands sollte der Kampf jedoch nicht den einzelnen Unis überlassen bleiben. Gefordert sei eine Diskussion in den Gremien auf Bundesebene mit entsprechenden gesetzlichen Regelungen. "Wenn wir nicht aufpassen, dann schadet das dem Ruf der Hochschulen", sagt Geschäftsführer Hartmer. Er plädiert bei Plagiaten von Abschlussarbeiten auch für die Exmatrikulation, also den Zwangsausschluss von der Hochschule.

"Exmatrikulation ist in Deutschland praktisch unmöglich", sagt dagegen der Wuppertaler Rektor Volker Ronge. Ein solches Vorgehen werde vor Gericht als Verstoß gegen den Artikel 12 des Grundgesetzes gewertet, der die Berufsfreiheit garantiert. Auch in Darmstadt hat Politologin Abromeit nach eigenen Worten wenig juristische Mittel in der Hand, wenn ein Student gegen die eidesstattliche Erklärung verstößt. Immerhin, stellt sie mit sichtlicher Genugtuung fest, müssen die von ihr ertappten Sünder jetzt die Orientierungsstufe nachholen. "Die haben ein Jahr verloren." (Quelle: jk/c't)
 
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