Den Tauschbörsen an den Kragen

Netzhai

R.I.P. :-(
Den Tauschbörsen an den Kragen

Medienverbände bereiten Gegenmaßnahmen vor
In einem Gutachten fordern die Medienverbände mehr Rechte, um der ‘Datenpiraterie im Internet’ den Garaus zu machen. Weil man mit Diskussionen allein aber noch keine Raubkopierer fängt, arbeitet die Videobranche an einer Software, die Filesharing-Dienste automatisch nach Urheberrechtsverletzungen durchforstet und die Daten der Anbieter protokolliert.



Medienunternehmerverbände wollen den Aktivitäten der Nutzer in Online-Tauschbörsen nicht länger zusehen. Empfehlungen für Gegenmaßnahmen soll nun ein vom Deutschen Multimedia Verband (dmmv) und dem Verband der privaten Rundfunk- und Telekommunikationsanbieter (VPRT) in Auftrag gegebenes Gutachten zur ‘Datenpiraterie im Internet’ liefern.

Im ersten Teil des anlässlich des Berliner Medienforums 2002 vorgestellten Gutachtens kommen Dr. Andreas Pfitzmann (TU Dresden) und seine Forschungsgruppe zu dem Schluss, dass aktuelle Kopierschutzsysteme ‘katastrophal schlecht’ und DRM-Systeme ‘systematisch unsicher’ seien. Auch mittelfristig eigneten sich insbesondere reine Software-Lösungen nur bedingt, um digitale Medien effektiv vor Piraterie zu schützen.

Laut Rechtsprofessor Dr. Ulrich Sieber von der Universität München ist Datenpiraterie im Internet inzwischen ‘existenzbedrohend’ für die Software-, Audio- und Videoindustrie und gefährde somit die Volkswirtschaft. Er erwartet daher ein Einschreiten des Gesetzgebers, das schon ‘aus verfassungsrechtlichen Gründen’ geboten sei. Damit Verbände und Vereinigungen der Rechteinhaber effektiv gegen Internetpiraten vorgehen könnten, müssten ihnen erweiterte ‘Auskunftsansprüche’ gegenüber Internet-Providern zugesichert werden, damit sie bei Verdachtsmomenten an die Personendaten herankommen können.

Die Regelungen in dem heftig diskutierten Regierungsentwurf zur Novellierung des Urheberrechtsgesetzes hält Sieber für verfehlt. Er schlägt vor, das Umgehen von Systemen zum Kopierschutz und zum digita-len Rechtemanagement (DRM) auch im privaten Bereich strafbar zu machen. Der vorliegende Gesetzesentwurf beschränke sich nur auf gewerbliches Vorgehen, die Urheberrechtsverletzungen in Tauschbörsen und Privatkopien ließen sich so aber nicht eindämmen. Auch private Kopien von rechtswidrig hergestellten Vorlagen sollten durch ‘Schaffung von wirksamen zivilrechtlichen Sanktionen’ künftig ebenfalls als rechtswidrig geahndet werden, so Sieber.

Angesichts dieser Aussagen bezeichnete Hans-Joachim Otto, medienpolitischer Sprecher der Liberalen, den Münchner Professor als ‘Beckstein des Urheberrechts’ und spielte dabei auf den bayerischen Innenminister an, der unter Hinweis auf die Terrorismusbekämpfung immer neue Befugnisse für Strafverfolger und Staatsschützer fordert. Es mache keinen Sinn, ‘Millionen von User zu kriminalisieren’.

Die Aufgaben, ‘die Öffentlichkeit so umzuerziehen, dass Herunterladen etwas Verwerfliches ist’, sei indes eine langwierige Aufgabe, befürchtet Marcus Englert, Vizepräsident des VPRT. Gesetzgeber, Urheber und andere Rechteinhaber, Gerätehersteller sowie Nutzer seien gleichermaßen gefordert, damit man die Existenzgrundlage zahlreicher Unternehmen dauerhaft’ sichern könne, heißt es in der zusammenfassenden Pressemitteilung von dmmv und VPRT.

Eine beunruhigende Zukunft skizzierte ein Vertreter von RTL New Media: ‘Wir brauchen eine Internet-Polizei’, forderte er, ‘die Stichproben bei Heavy-Nutzern macht und sich die übertragenen Inhalte mal anschaut’. Dann könne man ‘denen richtig den Prozess machen’.

Mit eigenen Waffen schlagen

Während das Gutachten Forderungen formuliert und auf eine Anpassung des Gesetzesentwurfs Urheberrecht drängt, will unter anderem der Interessenverband des Video- und Medienfachhandels IVD (www.ivd-online.de) endlich Nägel mit Köpfen machen. Anlässlich einer Podiumsdiskussion auf der Games Convention Leipzig beklagte sich ein Handelsvertreter der Videothekenbranche, dass immer nur geredet werde, aber nichts passiert. Damit sich das ändert, wird im Auftrag des Videofachhandels eine Software zur automatisierten Suche nach Urheberrechtsverletzungen in Peer-to-Peer-Tauschbörsen entwickelt.

Ähnlich wie die in den USA für die Motion Picture Association (MPA) tätige Firma Ranger Online , will man auch deutsche Tauschbörsianer aufs Korn nehmen. c't liegt ein Konzeptpapier vor, das die nahe liegende Strategie gegen die Tauschbörsen beschreibt: Die auf den Namen ‘Mirador’ (spanisch: der Schauende; Aussichtsturm) getaufte Software will Tauschbörsen mit ihren eigenen Waffen schlagen. Fingierte Clients sollen als reguläre Teilnehmer auftreten, das Tauschnetzwerk durchsuchen und die Ergebnisse samt zugehöriger IP-Adressen zur Sammlung an ‘Datenserver’ übermitteln, die diese auswerten und an Strafverfolgungsbehörden weiterleiten. Die Autoren des Papiers schlagen vor, eine Vielzahl von Clients in dem jeweiligen Filesharing-Netz zu platzieren, um etwa Ausfallsicherheit und hohe Erfolgsquoten zu garantieren.

Das Hauptaugenmerk der Videobranche dürfte zunächst in der Bekämpfung von eDonkey 2000 liegen - die P2P-Börse hat sich inzwischen zur größten ‘Online-Videothek’ entwickelt. Solange es Open-Source-Implementierungen der zu durchforstenden P2P-Börse gibt, lassen sich recht einfach fingierte Clients programmieren. Ist sie indes ‘Closed Source’ (wie etwa Kazaa, Filetopia oder iMesh) und müssen sich die Clients bei der Anmeldung authentifizieren, steigt der Programmieraufwand erheblich. Dann kann man nur mittels ‘Reverse Engineering’ fingierte Clients basteln, was ironischerweise seinerseits auf Urheberrechtsverletzungen hinauslaufen könnte. Zudem dürfte ein Katz- und Mausspiel zwischen den Entwicklern von Tauschbörse und Schnüffelsoftware entbrennen.

Während Ranger Online seine Produkte offensiv vermarktet, wollen die deutschen Software-Entwickler zumindest vorerst im Hintergrund bleiben. Unter Androhung rechtlicher Schritte wollte es die Firma c't untersagen, Details über die Software zu publizieren - dazu sei es noch zu früh. Erst bei ‘Veröffentlichung der Software’ wolle man eine Pressemitteilung herausgeben.

c't wies bereits Anfang vergangenen Jahres auf den zunehmenden Filmtausch im Internet hin. Aber erst seitdem vermehrt deutschsprachige Fassungen von Hollywood-Blockbustern schon vor ihrem Starttermin in Filesharing-Diensten auftauchen, bekommt die Videobranche die Auswirkungen zu spüren.

Beim Download von ‘Moviez’ ergibt sich für Strafverfolger indes ein spezielles Problem: Aufgrund des anfallenden Datenvolumens für komplette DVD-Rips handelt es sich bei notorischen Videoanbietern und -saugern überwiegend um Flatrate-Kunden. Das Teledienste-Datenschutzgesetz (TDDSG) gestattet die Speicherung von IP-bezogenen Daten seitens des Zugangsproviders nur zu Abrechnungszwecken - bei Pauschalangeboten (‘Flatrate’) ist dies unnötig und nach Ansicht von Rechtsexperten sogar rechtswidrig. T-Online tut es dennoch, andere Flatrate-Anbieter jedoch nicht (siehe c't 19/02). Dann fehlen momentan selbst Strafverfolgungsbehörden Mittel und Wege, um die Personendaten zu beschaffen. (vza)

Quelle
 
Dazu paßt auch eine meldung von Spiegel Online:

INDUSTRIE GEGEN P2P

Video-Tauscher sind das nächste Ziel

Amerikanischen Presseberichten zufolge hat die Industrie damit begonnen, gegen Film-Tauscher im Internet vorzugehen. Rund 100.000 sollen schon Abmahnungs-Post bekommen haben.


Gefährliche Post: Video-Tauscher in den USA bekommen Abmahnungen - sind Strafandrohungen nur eine Frage der Zeit?


Wie identifiziert man jemanden, der Filme über das Web tauscht? Nichts leichter als das: Man setzt beim Provider an.
Der bemerkt, wenn ein User nicht nur große Datenmengen downloaded, sondern auch ins Internet hochlädt: Geht es um Hunderte von Megabytes, so ist dies ein fast untrügliches Zeichen für Film- oder Software-Uploades. Ist der Provider bereit dazu, die entsprechenden Daten weiterzugeben, ist der Rest ein Kinderspiel: Allein in Amerika sollen bereits rund 100.000 Film-Tauscher indirekt Post von der Motion Picture Association of America MPAA bekommen haben.

Indirekt, denn die MPAA hat einen "weichen" Weg gefunden, die betreffenden User mit hohem Erfolg anzusprechen. Demnach beobachtet MPAA den Verkehr in P2P-Netzwerken, identifiziert Filmanbieter an Hand ihrer IP-Adresse und wendet sich dann an den Provider. MPAA bittet den Provider förmlich, den Kunden aufzufordern, die Tauschaktionen einzustellen. Ansonsten werde sein Netzanschluss gekappt.

So gut wie alle Angesprochenen kämen der Aufforderung nach, sagt Ken Jacobson von der MPAA. Auf viel Widerstand auf Providerseite stößt er anscheinend auch nicht - was zumindest in Hinblick auf Amerikas größten Provider kaum wundern kann: AOL. Der Onlinedienst ist Teil von AOL Time Warner - und die wiederum sind eines der Hauptmitglieder von MPAA. Aus AOLs Perspektive bedeutet ein Vorgehen gegen Filmtauscher letztlich den Schutz eigener Interessen.

Und in Sachen Filmtauscher sitzt AOL an der Quelle. Der Großprovider versorgt nicht nur rund die Hälfte aller amerikanischen Surfer mit ihrer Internetverbindung, sondern ist zugleich der größte Anbieter von Breitband-Zugängen - und die wiederum werden von Film-Tauschern bevorzugt.

Was nicht wundert, denn ein vollständiger Film ist schnell mehr als 600 Megabyte groß. Angeblich wartet AOL inzwischen nicht mehr darauf, von der MPAA zu Maßnahmen aufgefordert zu werden. Ohne das sonstige Surfen des Nutzers zu behindern, lässt Mark Harrad von Time Warner Cable durchblicken, suche AOL Time Warner nach Wegen des Ressourcenmanagements, die den Up- und Download in P2P-Börsen zu einem eher mühseligen Geschäft machen. Dabei, behauptete Harrad gegenüber "Wired", gehe es dem Konzern nicht darum, gegen Piraten vorzugehen, sondern darum, übermäßige Belastungen innerhalb des Netzwerkes zu vermeiden.

Inzwischen ist die Abmahn-Praxis der MPAA auch vor den Schranken der Gerichte gelandet. Den Betreibern der Website Internetmovies.com wurde der Account abgeschaltet, nachdem die MPAA sich mit dem Vorwurf des illegalen Datei-Tausches an den Provider des Unternehmens gewandt hatte. Internetmovies klagen nun gegen die MPAA, die dem Prozess fast freudig entgegen zu sehen scheint. "Unsere Branche", sagt Ken Jacobson, "könnte durch P2P so in Mitleidenschaft gezogen werden wie die Musikindustrie". Die MPAA scheint entschlossen, frühzeitig etwas dagegen zu unternehmen.
 
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