Nachdem ein paar Tage ins Land gezogen sind, möchte ich noch zu ein paar Fragen und Behauptungen Stellung beziehen, die seit der Verhandlung aufgekommen sind.
Ich verlange von niemandem, sich den nachfolgenden Text durchzulesen - es genügt, wenn sich jeder das rauspickt, was für ihn wichtig ist.
Ganz sicher werde ich nicht über Blogs und Foren ziehen, um überall meine Sicht der Dinge darzulegen, auch aus diesem Grund diese Zusammenfassung hier.
Zunächst mal eine Sammlung von Links, unter denen Berichte, Kommentare und Diskussionen nachzulesen sind:
Diskussions-Thread und meine erste Stellungnahme zur Verhandlung in Hamburg
Bericht und Kommentar meines Rechtsanwalts Dr. Bahr
Verhandlungsbericht auf f!xmbr
Verhandlungsbericht im Blog von Netzgärtner Kurt
Diskussion im Forum Computerbase
Newsmeldung und Diskussion auf gulli.com
Newsmeldung auf heise.de
Eintrag auf lawblog.de
Verhandlungsbericht auf buskeismus.de
Wer die Kondition hat, sich das alles oder nur einen Teil davon durchzulesen, dem wird nicht verborgen bleiben, dass dort immer wieder eine Person auftaucht, die ihre ganz eigene Sicht vom Verlauf der Verhandlung hat.
Die Leute, die mit im Zuschauerraum saßen, haben mir hinterher überwiegend erzählt, es sei sehr schwer gewesen, der Verhandlung zu folgen, weil man viele Äußerungen einfach akustisch nicht verstehen konnte.
Erstaunlich daher, wie viele Details diese Person kennt bzw. vorgibt zu kennen - hatte sie vielleicht einen besseren Platz als die anderen Zuschauer?
Sei's drum, eigentlich wollte ich ja nicht auf diese "Prozessbeobachtung" eingehen - an einem Beispiel will ich es nun dennoch tun - darauf basierend könnt Ihr Euch dann stellvertretend die Qualität der übrigen "Fakten" selbst zusammenreimen.
So wird in dem Bericht erwähnt, die Gegenseite hätte glaubhaft dargelegt und mit Beweisen unterstrichen, dass in unserem Forum nicht mehr als 20-30 Beiträge pro Tag geschrieben würden.
Diese Behauptung wurde bereits in dem Schriftsatz vorgetragen, mit dem die Gegenseite die Klage erwidert hat (nachdem wir unsererseits bereits in der Klageschrift die Dimensionen des Forums umrissen hatten).
Als "Beweis" dafür wurden Ausdrucke aus der IRC-Chat-Statistik vorgelegt, und zwar von dieser Seite:
https://www.supernature-forum.de/chat_stat.php
Ich gebe es ungern zu - aber ja, es stimmt: In unserem Chat ist tote Hose
.
Mit dem Forum hat das aber logischerweise nicht das Geringste zu tun.
Dies wurde dem Gericht schon im Vorfeld der Verhandlung schriftlich dargelegt, und mein Anwalt hat der Gegenseite in der mündlichen Verhandlung zu dieser großartigen Leistung ausdrücklich gratuliert
.
Im Übrigen zeigte sich das Gericht an dieser Tatsache gänzlich uninteressiert - wenn man so will, einer der wenigen positiven Aspekte der Verhandlung, denn:
Man kann die Argumente beliebig verdrehen, gerade so wie es einem besser gefällt:
Ein kleines Forum kann man überwachen, ein großes nicht
oder umgekehrt:
Kleines Forum, kleine Gefahr, also auch keine Kontrollpflicht - großes Forum, große Gefahr, also muss der Betreiber besser aufpassen...
Das TDG regelt eindeutig, dass es keine Überwachungs- und Kontrollpflichten gibt, es unterscheidet nicht nach Art und Größe des Dienstes.
Für die Sache selbst wäre es eigentlich optimal, wenn wir wirklich so wenig Beiträge hätten - selbst für ein Forum mit 3 Mitgliedern und 10 Beiträgen im Jahr sieht das Gesetz nämlich keine Überwachungspflichten vor. Dieser Punkt ist also völlig unerheblich.
Soviel dazu, dass war eigentlich schon mehr Mühe, als die betreffende Person wert ist, aber wenn erfolgreich Verwirrung gestiftet wurde, dann muss man halt doch für Klarstellung sorgen.
Kommen wir zu einer Frage, die von vielen Leuten gestellt wurde:
Warum wurde ausgerechnet in Hamburg geklagt?
Eine Frage, die wir uns vor Einreichung der Klage oft und lange gestellt haben.
Wie Ihr wisst, stammt das erstinstanzliche Urteil im Heise-Fall, auf das sich auf die Abmahnung bezog, von dort.
Auch wenn es schwer fällt, bitte ich Euch, an dieser Stelle das zweitinstanzliche OLG-Urteil mal unberücksichtigt zu lassen, denn zu diesem Zeitpunkt war unsere Klage schon am Laufen, eigentlich hätte unsere Verhandlung ja am gleichen Tag stattfinden sollen wie die von Heise vor dem OLG. Was man diesbezüglich jetzt weiß, konnte man zum Zeitpunkt der Klageeinreichung noch nicht wissen.
Wir hätten vor irgendein anderes Gericht ziehen können. Welche Klarheit hätte man dann aber erreichen können?
Im Idealfall hätten wir ein Urteil bekommen, das dem eines anderen LG widerspricht.
So wie die Kritiker jetzt behaupten, es wäre Selbstmord, nach Hamburg zu gehen, hätten sie dann sagen können, wir haben uns das Gericht ausgesucht, vor dem besonders leicht zu gewinnen sei.
Abgesehen davon sahen wir einige markante Unterschiede zum "Heise-Fall":
- die Abmahnung/Einstweilige Verfügung gegen Heise erfolgte, nachdem es bereits vorab Kontakt zwischen den Streitparteien gegeben hatte und etliche Forenbeiträge gelöscht wurden.
Bei den letztlich abgemahnten Beiträgen handelte es sich also um Wiederholungsfälle (was nicht bedeutet, dass ich deshalb die Haftung bejahen würde, aber es ist eben ein Unterschied)
- die Diskussion basierte auf einem redaktionell verfassten Artikel, wurde also quasi vom Betreiber selbst in Gang gesetzt
- bei Heise handelt es sich um ein kommerzielles, auf Gewinnerzielung ausgerichtetes Unternehmen
Das waren die wichtigsten Punkte, die Heise von den "typischen Foren" unterscheiden. In der Urteilsbegründung wurde das dann ja auch recht deutlich herausgearbeitet, und deshalb gab es dann keine andere Wahl mehr: Wenn wir ein Urteil erreichen wollten, welches das gegen Heise im Bezug auf privat betriebene Foren relativiert, dann mussten wir vor das selbe Gericht ziehen, ob wir wollen oder nicht.
(Bevor jetzt Haare gespalten werden: Ich weiß, dass es so gut wie keine privaten Foren gibt, sondern sich die Betreiber fast alle im geschäftlichen Verkehr bewegen, sobald sie auch nur einen Cent Einnahmen erzielen, egal wieviel sie drauflegen. Darum habe ich auch die Formulierung "privat betrieben" benutzt).
Ein weiteres Thema, welches aufgrund der Verhandlung aufgekommen ist, und welches für entsprechende Verwirrung gesorgt hat
War ich im strittigen Thema selbst aktiv?
Beeindruckend, wie dynamisch sich das entwickelt. Zuerst wird irgendwo vermutet, ich könne im fraglichen Thema selbst geschrieben haben, und kurz darauf lese ich schon an anderer Stelle, ich sei mit "zahlreichen Beiträgen" praktisch der eigentliche Antreiber der Diskussion gewesen. Wäre es so - wie bekloppt müsste jemand sein, dagegen zu klagen und es auch noch jedem zu erzählen?
Die Tatsachen sehen so aus:
Das Thema erstreckte sich über mehrere Seiten, die Beiträge wurden über einen Zeitraum von mehreren Monaten hinweg geschrieben.
In der Tat gab es
einen Beitrag von mir in diesem Thema, und zwar unmittelbar nach dem Eröffnungsposting. Dieses Eröffnungsposting war weder scharf formuliert, noch war für mich darin irgendeine rechtswidrige Äußerung zu erkennen. Darüber hinaus war mir der Name der Firma völlig unbekannt - es gab also keinerlei "Alarmzeichen", das hier ein gefährliches Thema aufziehen könnte - sonst hätte ich ja sofort reagiert bzw. es anschließend im Auge behalten.
Die Beiträge, in denen die betroffene Firma dann scharf kritisiert und mit entsprechenden "Attributen verziert" wurde, kamen erst sehr viel später, und von diesen hatte ich dementsprechend auch keine Kenntnis.
Im Rahmen der Klage gingen wir nun davon aus, dass das Gericht genau diese Beiträge als beleidigend/rufschädigend einstufen wird, (obwohl ich anderer Meinung bin), aber eine Haftung ausgeschlossen werden kann, weil eben keine Kenntnis vorlag.
Und genau an der Stelle wird klar, wie paradox die Situation jetzt ist: Genau diese Beiträge hat das Gericht - zu meiner Überraschung und zur Bestürzung der Gegenseite, als von der freien Meinungsäußerung gedeckt angesehen - darunter immerhin Begriffe wie "Mafia", "Penner" und "Betrügerfirma".
Die Haftungsfrage hat das Gericht somit nicht zu klären, weil es ja nichts zu haften gibt, denn die Beiträge sind ja nicht zu beanstanden.
Stattdessen wurde aus dem allerersten Beitrag ein Satz herausgegriffen, in dem der User geschrieben hatte, er habe im Internet gelesen, die Firma sei schon mal verklagt worden.
Dies wird als "unwahre/nicht nachprüfbare Tatsachenbehauptung" eingestuft, also als rechtswidrig.
Hand aufs Herz: Wie viele Tatsachenbehauptungen dieser und ähnlicher Art mag es in deutschen Foren geben?
"Nachdem ich das Spiel XYZ installiert hatte, stürzte mein System ab und ich verlor alle meine Daten".
"Händler ABC kann ich nicht empfehlen, ich musste 14 Tage auf mein Paket warten."
"Ich kaufe mir keine Festplatte der Marke JCM mehr, sie ging nach acht Monaten kaputt und der Hersteller weigerte sich, die Reparatur auf Garantie durchzuführen, weil ich angeblich selbst schuld sei."
Alles nicht nachprüfbare Tatsachenbehauptungen und damit potenziell rechtswidrig. Was bleibt noch übrig, wenn alles löscht, was so oder so ähnlich formuliert ist.
Das ist ein ganz neuer Ansatz: Man darf Zeter und Mortio über Personen und Firmen schreien, aber bitte nicht sachlich irgendwelche Tatsachen erzählen, ohne gleich einen schriftlichen Beweis beizufügen.
Aber ich komme vom Thema ab, das sollte man an anderer Stelle vertiefen.
Aus den Äußerungen in der Verhandlung wissen wir, dass man in Hamburg der Meinung ist, ein Betreiber hafte sowieso immer und überall.
Hätten die Richter also die Beiträge als rechtswidrig eingestuft, so darf man annehmen, dass sie mich trotz Unkenntnis zur Haftung verdonnert hätten - diese Entscheidung hätte die nächste Instanz dann mit hoher Wahrscheinlichkeit kassiert. Also hat man sie für in Ordnung befunden und muss sich daher zur Haftung nicht weiter äußern.
War das vielleicht gar ein cleverer Schachzug? Urteilt selbst.
Übrig bleibt dann der eine Beitrag, meiner Meinung nach der harmloseste von allen - bleibt das Gericht dabei, diesen als rechtswidrig einzustufen, muss es sich auch bezüglich der Haftung keine kritischen Fragen gefallen lassen, denn von diesem wusste ich ja - auch wenn ich niemals geahnt hätte, was an diesem rechtswidrig sein soll.
Fällt das Urteil so aus, wie es jetzt erwartet wird, dann werde ich die Klage zu großen Teilen gewinnen - allerdings auf eine Art, die ich gar nicht wollte.
Da wäre es mir ehrlich gesagt lieber, ich könnte am 2. März rufen: "Hurra, wir haben verloren!" - denn dann könnte man im Interesse der Sache die Angelegenheit vor die nächste Instanz treiben.
Ziel der Sache war, eine Klärung herbeizuführen - positiv oder negativ. Hätte ich einen Vergleich akzeptiert, dann hätte ich wohl mit wenig Verständnis der vielen Leute rechnen können, die mich unterstützt haben. Daher gab es nur die Wahl, auf einem Urteil zu bestehen.
[Achtung, aber hier beginnt "wilde Spekulation" - ich wollte sie eigentlich vermeiden aber ich kann andererseits auch das allgemeine Informationsbedürfnis verstehen]
Dieses Urteil wird nun aller Voraussicht nach so ausfallen, dass zur Frage der Betreiberhaftung "null und nichts" drin steht.
Zwar haben die Richter in der Verhandlung auf Nachfrage ihren Standpunkt dargelegt, im Urteil selbst werden sie sich damit aber wahrscheinlich gar nicht auseinandersetzen, weil sie nur den Inhalt der Beiträge berücksichtigen und diese zu großen Teilen ihrer Ansicht nach gar nicht rechtswidrig waren.
Das Urteil wird also weder der große Befreiungsschlag noch wird es allgemein verheerende Folgen nach sich ziehen - es wird im Sinne dessen, was wir eigentlich wollten, schlicht unbrauchbar sein. Diesen Ausgang haben weder Befürworter noch Gegner der Klage vorhergesehen. Ich hatte viele mögliche Szenarien im Kopf, aber nicht dieses.
Es ist nicht das, was wir wollten, und es ist vor allen Dingen nicht das, wofür viele hundert Leute gespendet haben. Daher versteht es sich für mich von selbst, dass ich, sollte das Urteil wie erwartet ausfallen, die damit verbundenen Kosten selbst tragen und die Spendengelder nicht anrühren werde.
Ich habe für eine Sache gesammelt, nämlich den Kampf gegen den Abmahnwahn und für ein wenig mehr Rechtssicherheit. Wenn ich für diese Sache nichts tun konnte, dann will ich auch kein Geld dafür. Dann werden wir sehen, wie es anderweitig zu diesem Zweck eingesetzt werden kann.